Ueber die Farbe des Axinits

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Annalen der Physik und Chemie
Band LXIII, Heft 9, Seite 147–152
Wilhelm von Haidinger
Ueber die Farbe des Axinits
Axinit
fertig
<<< >>>


[147]
XV. Ueber die Farbe des Axinits; von W. Haidinger.

Als ich im verflossenen Herbste mit meinem verehrten Freunde, Hrn. Prof. Zippe, mehrere Erscheinungen des Pleiochroismus in unserem montanistischen Museo betrachtete, lenkte er meine Aufmerksamkeit auf den Axinit, der auch interessante Resultate geben dürfte. Ich hatte das Factum eines Dichroismus bereits früher bemerkt, und tiefere violette Schattirungen in der Richtung senkrecht auf die Flächen von , Taf. II Fig. 18 und 19, in Vergleich mit den übrigen Richtungen angegeben[1].

In dem von Zippe selbst bearbeiteten zweiten Theile der Mohs’schen Mineralogie heißt es für diese Eigenschaft:

„Farbe nelkenbraun, in verschiedenen Nüancen, in’s Pflaumenblaue und Perlgraue geneigt[2].

Haüy hat bloß violett, grün durch Beimengungen von Chlorit, und weißlich[3].

Phillips sagt: Seine gewöhnliche Farbe sey eine Art violblau, daher er auch einst violetter Schörl aus dem Dauphiné hieß; manchmal indessen sey er weingelb, oder fast farblos und durchsichtig[4].

[148] v. Leonhard giebt violblau, nelkenbraun in’s Graue, selten in’s Grünliche, Lichtstrohgelbe und Weißliche[5].


Als ich durch den Kalkspathapparat die Farbencontraste des Axinits aufsuchte, erhielt ich wohl sehr deutliche, aber so mannichfaltige Resultate, daß ich lange über das Gesetz der Farbenvertheilung zweifelhaft blieb. Der anorthische Charakter des Krystallsystems, die scharfen schneidigen Kanten, welche selten erlauben durch parallele Flächen hindurchzusehen, und die Undurchsichtigkeit des angewachsenen Theils der Krystalle widersetzten sich der Beobachtung. Endlich gab ich die Idee gänzlich auf, an der Hand der krystallographischen Evidenz fortzuschreiten, und ließ durch den hiesigen geschickten Edelsteinschneider, Hrn. J. Weniger, aus einem durchsichtigen Axinitkrystall-Fragment eine Kugel schleifen, von dem Durchmesser von 1½ Lin., und nun erschien zwar eine überraschende und glänzende Farbenmannichfaltigkeit, schon durch den gleichen Durchmesser in den verschiedenen Richtungen auf’s Beste gegen einander gehalten, aber auch zugleich war es eben so einfach und leicht, die Lage der Axen, nachdem die Farben geordnet sind, zu verfolgen, Taf. II Fig. 20 bis 23.

Zuerst bemerkte man, wie beim Cordierit, dem Andalusit u. s. w. die vier Paare dunkel gefärbter, die resultirenden optischen Axen begleitender hyperbolischer Sectoren, hier von ziemlich dunkel violblauer Farbe. Wurden sie in einer einzigen Horizontalebene sich um die Axe AB herumbewegend betrachtet, so erschienen sie nicht einfach nach oben und unten gestellt, sondern sie wichen von der senkrechten Lage um etwa 25° ab, so wie die dazwischen liegenden hellen Büschel eine gegen den Horizont unter ungefähr 25° geneigte Lage besaßen, und zwar auf die Weise, wie es in Taf. II Fig. 20 bis 23 dargestellt [149] ist. Je zwei Paare hintereinanderfolgend, 2 und 3, 1 und 4, hatten gleiche Neigung; entgegengesetzte Neigung wieder mit den dazwischenliegenden, 1 und 2, 3 und 4. Der Winkel der optischen Axen beträgt zwischen den gleichgeneigten Systemen, 2 und 3 oder 1 und 4, über E und F etwa 107°, zwischen den convergirenden, 1 und 2, 3 und 4, über C und D das Supplement von etwa 73°.

Zunächst dem zwischen den violblauen Sectoren hindurchgehenden helleren Raume gewahrt man an den Sectoren anliegende Farbenränder von den glänzendsten prismatischen Tinten, und zwar auf der einen Seite roth, auf der andern blau, alles in symmetrischer Austheilung, so wie es in den Figuren dargstellt ist. An den Stellen, wo die Sectorensysteme in ihrer Lage abwechseln, sind die convergirenden Sectoren mit einem rothen, die divergirenden mit einem blauen Keile eingefaßt, von den in gleicher Neigung aufeinanderfolgenden wechseln die Farben kreuzweis ab. In den Fig. 20 und 22 Taf. II ist diese Vertheilung der farbigen Keile durch ein Trapez, und in den Fig. 21 und 23 durch einen Rhomboïdes angedeutet. Zwischen den rothen und blauen Rändern erweitert sich zu beiden Seiten ein helleres gelbliches Licht in die angränzenden Farben der Kugel. Die violetten Sectoren in der Richtung der optischen Axe gesehen, erscheinen beim Durchsehen durch die Kugel wie in Fig. 24.

Die Farben, welche man an dieser unmittelbar, alles in gewöhnlichem Lichte beobachtet, sind 1) in der Richtung CD ein blasses Olivengrün, dem Weingelben nahe, die durchsichtigste Stelle des Minerals; 2) in der Richtung EF ein reiches Zimmtbraun oder Röthlichbraun, klar und durchsichtig, aber dunkler als das vorige; 3) in der Richtung AB die Mischung aus diesen beiden, ein deutliches, doch etwas bräunliches Perlgrau.

Diese drei Farben mischen sich, wo sie sich treffen, auch mit den Ausgehenden der violblauen Sectoren, und [150] bringen dadurch mannichfaltige, zum Theil sehr schöne Farbenschattirungen hervor, so pflaumenblau zwischen violblau und zimmtbraun, strohgelb, zwischen zimmtbraun und olivengrün.

Der rasche Wechsel dieser Farben, wenn man die Kugel gegen das Licht hält, in ihrer großen Mannichfaltigkeit, wird von keiner anderen bekannten Mineralspecies erreicht. Nach Maaßgabe der gleichzeitig stattfindenden Grade der Durchsichtigkeit reihen sie sich wie folgt: 1) Olivengrün, 2) Weingelb, 3) Strohgelb, 4) Perlgrau, 5) Zimmtbraun, 6) Nelkenbraun, 7) Pflaumenblau, 8) Violblau. – Hiezu kommen noch in der Liste die prismatischen blauen und rothen inneren Ränder oder Farbenkeile der Sectoren, und dazwischen das helle, gelbliche Weiß der Lichtbüschel.

Die Untersuchung im polarisirten Lichte giebt Phänomene, analog den Erscheinungen anderer Körper mit drei Axenfarben. Die Farben werden nach den drei Linien AB, CD und EF zertheilt in dunkel Violblau, Zimmtbraun und blaß Olivengrün.

In der dichroskopischen Lupe[6], Taf. II Fig. 25, ist das obere Bild von Fig. 20 oder 22 blaß olivengrün, das untere dunkel violblau, das obere Bild von Fig. 21 oder 23 ist zimmtbraun, das untere dunkel violblau. – Stellt man die Kugel so, daß in Fig. 20 die Linie FE als horizontale Axe fest bleibt, aber C oben, D unten liegt, so erscheint die perlgraue Farbe in der Richtung AB. Durch den Kalkspath wird sie zerlegt. Das obere Bild erscheint blaß olivengrün, das untere von einem reichen Zimmtbraun.

Nachdem nun die Lage der Farbenrichtungen gegen einander aufgefunden war, gelang es ziemlich, die Uebereinstimmung gleicher Schattirungen auf die Krystallform zu übertragen. Doch zeigen die Tinten der Krystalle manches Abweichende, und da mir keine große Auswahl von Krystallen zu Gebote stand, so mag darin noch [151] Manches zur weiteren Ausführung und theilweisen Berichtigung übrig bleiben.

Im gewöhnlichen Lichte erscheinen die Krystalle in der Richtung der Kanten zwischen r und P berachtet perlgrau; senkrecht auf die Fläche r blaß olivengrün; senkrecht auf diese beiden Richtungen, d. h. in der Fläche r, und senkrecht auf die Kanten zwischen r und P zimmtbraun. – Die violblaue Farbe der Sectorensysteme gleitet über die blasse Erscheinung der Flächen r in gewissen Stellungen hinweg, und giebt die schönen Nüancen, auf welche sich die Angabe in meiner englischen Ausgabe der Mohs’schen Mineralogie bezieht.

Durch den Kalkspath erscheint in der Richtung rP, Fig. 26 Taf. II, in der Stellung a das obere Bild zimmtbraun, das untere olivengrün; senkrecht auf die Fläche r in der Stellung b das obere Bild olivengrün, das untere violblau; senkrecht auf die beiden vorhergehenden in der Stellung c das obere Bild zimmtbraun, das untere violblau.

Die drei Hauptfarben des Axinits, blaß olivengrün, zimmtbraun und violblau, zeigen sich auf diese Art sehr regelmäßig gegen die Krystallform orientirt. Die optische Mittellinie steht dem Ansehen nach senkrecht auf der Längsfläche r, für die optischen Axen sowohl, als für den Durchgang der theilweis absorbirten Farbenschattirungen. Es läßt sich erwarten, daß die Analogien in der Vertheilung der Farben pleiochromatischer Körper, wenn man sie einst vollständiger untersucht haben wird, denn die allgemeinen Gesetze sind noch nicht durchgreifend festgestellt, auch in Bezug auf die Analogien von den zu verschiedenen Krystallsystemen gehörigen Species zu einander, in ihrer Form und Stellung manches Licht verbreiten werden. Vorläufig sind hier einzelne directe Beobachtungen mitgetheilt, und ich wünsche nur, daß sie Veranlassung zu einer weiteren Untersuchung dieses interessanten Minerals geben mögen.

[152] Zusatz. Noch ist folgende Angabe aus Brewster’s Edinburgh Journal of Science (1825), Vol. II p. 366,[WS 6] hier nachzutragen.

„Der Dichroismus des Axinits ist bereits (von Brewster) beobachtet und beschrieben worden, und zwar in den Philosophical Transactions für 1819, p. 20[7]; aber Hr. Haidinger beobachtete einen Krystall aus Cornwall in Hrn. Allan’s Sammlung, an welchem er sehr merkwürdig ist; und er ließ ihn schneiden, um den Dichroismus vortheilhafter darzustellen. Wenn man durch die Flächen rr′ der Axinitfiguren in Haüy und Mohs hindurchsieht, so giebt es eine gegen die Fläche t geneigte Linie, in welcher das gewöhnliche durch die Platte hindurchgelassene Licht ein Minimum ist, und von dunkelrother Farbe, aber nicht polarisirt, oder vielmehr aus zwei übereinanderliegenden Büscheln, die in entgegengesetzter Richtung polarisirt sind. Vergrößert man die Neigung gegen t, so wird das Licht heller und weißer, und alles in einer Richtung polarisirt, als ob es durch eine Säule von Glasplatten gegangen wäre. Dreht man die Platten in entgegengesetzter Richtung gegen x, so wird dieselbe Wirkung hervorgebracht. Diese Erscheinungen hängen deutlich von der Absorption des einen Strahls durch den Krystall ab, so wie es in dem Artikel Optics, der Edinburgh Encyclopaedia, Vol. XV p. 601,[WS 8] beschrieben ist.“

[Taf. II]

  1. Treatise on Mineralogy, Vol. II p. 343.[WS 1]
  2. Naturgeschichte des Mineralreichs, Th. II S. 379.[WS 2]
  3. Traité, 2. Ed. T. II p. 564.[WS 3]
  4. Introduction to Mineralogy, 3. Ed. p. 43.[WS 4]
  5. Handbuch der Oryctognosie, S. 455.[WS 5]
  6. Von δίχρος, zweifarbig.
  7. Nämlich: „Axinit, röthlichweiß, wenn die Axe des Prisma’s in der primitiven Polarisationsebne liegt, gelblichweiß, wenn sie senkrecht darauf steht.“[WS 7]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Frederick Mohs: Treatise on Mineralogy, or the Natural History of the Mineral Kingdom. Bd. 2. Übersetzung von William Haidinger. Archibald Constable and Co., Edinburgh / Hurst, Robinson, and Co., London 1825 Google
  2. Friedrich Mohs, F. X. M. Zippe: Leichtfaßliche Anfangsgründe der Naturgeschichte des Mineralreiches. 2. Teil. 2. verm. u. verb. Auflage. Carl Gerold, Wien 1839, S. 379 Google
  3. Haüy: Traité de minéralogie. 2. Ausgabe. Bd. 2. Bachelier et Huzard, Paris 1822, S. 564 Internet Archive
  4. William Phillips: An Elementary Introduction to the Knowledge of Mineralogy. 3. Ausgabe. London 1823 Google
  5. LeonhardADB: Handbuch der Oryctognosie. 2., verm. u. verb. Auflage. J. C. B. Mohr, Heidelberg 1826 [Digitalisat fehlt]
  6. David Brewster (Hg.): The Edinburgh Journal of Science. Bd. 2 (1825), S. 366 Google
  7. David Brewster: On the Laws which regulate the Absorption of polarised light by Doubly Refracting Crystals. In: Philosophical Transactions of the Royal Society of London. (1819) Teil 1, S. 11 Google
  8. The Edinburgh Encyclopaedia. Band 15. William Blackwood, Edinburgh 1830 [Digitalisat fehlt]