Ueber die große Sterblichkeit unter den kleinen Kindern

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Autor: Carl Ernst Bock
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Titel: Ueber die große Sterblichkeit unter den kleinen Kindern
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aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 196-198
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Gesundheits-Regeln.
Ueber die große Sterblichkeit unter den kleinen Kindern.
Ernste Worte an Aeltern.

Daß so viele Kinder in den ersten Lebensjahren sterben, davon tragen ebensowohl die Aeltern, wie die Aerzte die Schuld, und zwar deshalb, weil erstere die Krankheiten, welche den Tod so oft herbeiführen, nicht zu verhüten trachten, letztere aber die Aeltern nicht mit den nöthigen Vorsichtsmaaßregeln bekannt machen. Und doch lassen sich die meisten dieser Krankheiten so leicht vom kindlichen Körper abhalten.

Daß aber eine große Sterblichkeit unter kleinen Kindern wirklich existirt, zeigen die meisten Sterblichkeitstafeln, aus denen man ersieht, daß von den Neugebornen fast 25 vom Hundert wieder hinwegsterben und daß später bis gegen den dritten Monat hin nach der Geburt noch etwa der zehnte Theil der Gebornen untergeht, während nach dieser Zeit die Zahl der Sterbenden allmälig bis zum fünften Jahre abnimmt. In Preußen war während der Jahre 1844 bis 1847 der vierte Todte ein Säugling, denn es starben durchschnittlich jährlich 440,000 Menschen und darunter 110,000 Säuglinge. Uebrigens sind manche Statistiken hier und da etwas besser, andere noch schlechter ausgefallen und es wird deshalb wahrscheinlich, daß ein bestimmtes Naturgesetz für die Sterblichkeit in den verschiedenen Kindesaltern wohl nicht existirt, sondern daß eine Menge Zufälligkeiten bei der Ab- und Zunahme dieser Sterblichkeit mitwirken müssen. Zu diesen Zufälligkeiten gehört nun ganz gewiß die größere oder geringere Verständigkeit, Vorsichtigkeit und Gewissenhaftigkeit der Aeltern und der Aerzte, und da diese Eigenschaften bei beiden im Allgemeinen nicht zu oft angetroffen werden, so ist eben die Sterblichkeit unter kleinen Kindern in der Regel sehr groß. Oder kümmern sich etwa viele Aeltern darum, was die Kinder krank machen kann? und wie viele Aerzte streben denn nach Verhütung von Kinderkrankheiten? Aber natürlich die Aeltern haben den Glauben, daß wenn die Kinder krank werden, der Arzt ja da ist und die Krankheit kuriren kann, obschon dies der schrecklichste unter allen Aberglauben ist und sich dem Glauben an den Tischklopfgeist direct anschließt. Für die Aerzte aber, die größtentheils selbst in diesem Aberglauben befangen sind, ist es freilich weit leichter und einträglicher, kranken Kindern die paar Arzneimittel (wie Calomel, Zinkblumen, Brechweinstein und Rhabarber), welche gewöhnlich gegen nichtssagende Namen von Kinderkrankheiten (wie gegen Hirnkrämpfe, Wasserkopf, Bräune, Magenerweichung, Scrophulose, Unterleibsschwindsucht, Darrsucht u. s. w.) empfohlen werden, mit wichtiger Miene bald in dieser, bald in jener Form zu verschreiben, als durch zweckmäßige diätetische Vorschriften für die Behandlungsweise des Kindes Krankheiten von demselben abzuhalten oder doch ihre Ausbreitung zu hemmen. Wenn wird nur einmal die Zeit kommen, wo das zur Zeit wie mit Blindheit geschlagene und abergläubische Volk klüger werden, die Augen aufmachen und endlich einsehen wird, wie die oft geträumte Heilmacht der Heilkünstler, – mögen dieselben nun unter dem Schutze des Doctorhutes allopathisch, homöopathisch, rademacherisch, hydropathisch etc. quacksalbern, oder als unpromovirte, geduldete und verfolgte, männliche und weibliche Quacksalber mit trockner Semmel, Kräutern, Geheimmitteln, Sympathie, thierischem Magnetismus und anderm Hokuspokus die kranke Menschheit betrügen, – doch nur eine Heilohnmacht ist und wie, mit Ausnahme einiger wenigen Fälle, da, wo eine Krankheit wirklich geheilt wird, die im Körper nach feststehenden Gesetzen wirkenden Processe allein die Heilung bewirkten. So lange als die Menschen nicht schon von Jugend auf in den Schulen genauere Bekanntschaft mit der Einrichtung ihres Körpers machen, wird auch diese längst ersehnte Zeit nicht kommen und es werden die Krankheiten trotz der enormen Fortschritte der medicinischen Wissenschaft und trotz der täglich wachsenden Zahl der Heilkünstler nicht abnehmen. Doch zur Sache.

Untersucht man die Leichen verstorbener Kinder, so ergiebt sich, daß bei der Mehrzahl derselben der Tod entweder durch eine entzündliche Affection der Athmungsorgane (gewöhnlich durch Lungenentzündung), oder durch einen Magen-Darmkatarrh (Brechdurchfall), oder durch Blutarmuth und zwar vorzugsweise des Gehirns herbeigeführt wurde. Nur in verhältnißmäßig wenigen Fällen (meisten bei Kindern, die später höchstwahrscheinlich schwindsüchtig geworden wären) tödtete die bei den Aerzten so beliebte Hirn- oder Hirnhautentzündung. Daß ein Kind zu viel Blut im Kopfe haben könnte, was durch Blutegel entzogen werden müßte, muß der Verfasser seinen Erfahrungen nach geradezu bezweifeln. Uebrigens nehmen bei kleinen Kindern die meisten fieberhaften, leichten wie schweren Krankheiten sehr gern das Ansehen von Hirnaffectionen an, denn sie gehen sehr oft vermöge der größeren Weichheit des Gehirns und leichtern Uebertragung (des Reflexes) der Reizung von Empfindungsnerven auf Bewegungsnerven, mit Krämpfen (Zuckungen, Convulsionen) der verschiedensten Art einher. Deshalb sind aber auch Krampfzustände bei fieberhaften Kinderkrankheiten durchaus nicht immer gefährliche Erscheinungen; am wenigsten muß man aber durch dieselben veranlaßt werden, sofort eine Hirnentzündung zu fürchten; am allerwenigsten würde jedoch eine solche vorhanden sein, wenn das kranke Kind nebenbei noch hustet, bricht oder laxirt, denn dann ist sicherlich eine Störung im Athmungs- oder Verdauungsapparate die Ursache der Krämpfe. Daß Kinder in Folge des Zahnens sterben oder überhaupt nur ernstlich krank werden können, kann nur von alten Weibern und von solchen Aerzten behauptet werden, die keine Kenntniß vom kindlichen Organismus und seinen [197] Krankheiten haben. Freilich ist es für diese weit leichter zu sagen: das kommt von den Zähnen, als durch genaue Untersuchung mit Hülfe des Beklopfens und Behorchens den wahren Sitz und die Art des Leidens zu ergründen. – Von den genannten tödtlichen Kinderkrankheiten sind nun die drei häufigsten, nämlich die Entzündung im Athmungs- und Verdauungsapparate, so wie die Blutarmuth, ebensowohl ganz zu verhüten, wie auch bei ihrem ersten Entstehen in den gehörigen Schranken zu halten. Bei der Hirnhautentzündung schwindsüchtiger Kinder, und überhaupt bei Lungen- und Bauchschwindsucht (Drüsen-Tuberculose) ist aber alle Hoffnung auf Genesung eitel und sollten mehrere Kinder von denselben Aeltern an einer solchen Krankheit gestorben sein (was ja die Section lehren muß), dann hat der Arzt die Verpflichtung, gegen dieses Uebel schon vor der Geburt des Kindes und gleich von dieser an diätetisch (durch Luft und Nahrung bei Mutter und Kind) zu wirken.

Von den entzündlichen Affectionen im Athmungsapparate, welche Kindern leicht den Tod zuziehen können, ist die häufigste die Lungenentzündung, die weit seltenere aber die häutige Bräune oder der Croup. Beide Entzündungen beginnen in der Regel, abgesehen von einem stärkern oder schwächern Fieber (d. i. beschleunigter Puls, beschleunigtes Athmen und Hitze der Haut) und einer schwächern oder stärkern Hirnaffection, mit leichten katarrhalischen Erscheinungen im obern Theile des Athmungsapparates, nämlich entweder mit öftern Niesen und Absonderung eines dünnen Schleimes aus der Nase, oder mit Heiserkeit und Hüsteln. Bald schneller, bald langsamer steigern sich diese Beschwerden zum heftigen Husten, kurzen und rasselnden Athmen und endlich zu Erstickungszufällen. Forscht man den Ursachen dieser Entzündungen nach, so ergeben sich als solche in den allermeisten Fällen entweder das Einathmen einer rauhen kalten oder auch unreinen (staubigen, rauchigen) Luft, oder eine stärkere Verkühlung der äußern Haut. Gewöhnlich wirkte die kalte Luft nach vorhergegangener größerer Erwärmung ein. Es wird sich ferner noch finden, daß die ersten Anfänge des Katarrhes nicht gehörig beachtet wurden und daß man damals das Kind noch nicht als wirklich krank betrachtete. – Auf Grund dieser Thatsachen läßt sich nun zur Vermeidung der genannten tödtlichen Entzündungen anrathen, kleine Kinder niemals einer rauhen, kalten, unreinen Luft zum Athmen und überhaupt der Erkältung auszusetzen. Deshalb müssen kleine Kinder bei kalter Luft, zumal bei Nord- und Ostwinden, im Winter und im Sommer, hübsch in der Stube bleiben; in der Stube selbst aber und auch im Schlafzimmer muß auf gleichmäßig warme (+12 bis 14°), reine Luft gehalten werden; die Kleidung des Kindes darf weder eine zu warme noch auch eine zu dünne sein (wenn schon die Kinder viel Wärme in ihrem eigenen Körper entwickeln). Vorzüglich ist aber ein schneller Wechsel zwischen warmer und kalter Luft zu vermeiden; das Heraus- und Hereintragen und Laufen der Kinder aus der Stube taugt gar nichts, ebensowenig der Aufenthalt in staubiger und rauher Atmosphäre; das Schlafen der Kinder in kalten Zimmern, während sie beim Wachen in warmen sich aufhielten, ganz besonders aber das frühzeitige Abhärten der Kinder durch kalte Waschungen und Halbnacktgehen, erzeugte unendlich oft schon Schnupfen, Husten, Keuchhusten, Bräune, Lungenentzündung und Tod derselben. Eine vorsichtige Mutter kann eigentlich ohne Thermometer und Windfahne gar nicht existiren, wenn sie ihre kleinen Kinder vor gefährlichen Hustenkrankheiten beschützen und vor den oft unheilbaren Folgen derselben bewahren will. Eine Menge von Lungenleiden schreiben sich aus der ersten Jugend von solchen Krankheiten her. Nicht nur einfältig, sondern sogar verbrecherisch ist es, wenn man diese von der Natur gebotene Sorgfalt für die Kinder während ihrer ersten Lebensjahre für unnütze Verweichlichung erklärt und den Müttern etwas Sorglosigkeit anempfiehlt. Man bedenke wie die Thiere mit ihren Jungen und die Gärtner mit den Pflänzchen umgehen, man bedenke, daß es der Beruf der Mutter ist, für ihr Kind naturgemäß zu sorgen. – Sind nun aber doch bei einem Kinde die ersten Spuren von Katarrh der Nase, des Kehlkopfes oder der Luftröhre, wie Schnupfen, Heiserkeit, Husten eingetreten, dann ist es gewissenlos, diesen Zustand deshalb leicht nehmen zu wollen, weil er sehr oft ungefährlich bleibt und von selbst verschwindet; gar häufig steigert er sich auch zum Keuchhusten, zur Bräune oder Lungenentzündung. Darum ist dieser Katarrhalzustand in Grenzen zu halten und zwar dadurch, daß man das kranke Kind forwährend eine reine, aber etwas wärmere Luft (+ 15 bis 16) als gewöhnlich, und nicht blos bei Tage, sondern auch bei Nacht, einathmen läßt. Hinsichtlich der Nahrung braucht keine Aenderung getroffen zu werden, denn ein Kind bedarf seines regern Stoffwechsel wegen der nahrhaften Kost (Milch). Wehe dem kindlichen Organismus, wenn jetzt schon der Arzt mit seinen Arzneimitteln über ihn kommt, dann folgt Appetitlosigkeit, Erblassung und Abzehrung unwiederbringlich. Jedes wirklich wirksame Arzneimittel (besonders Brechweinstein) ist bei diesem Zustande nicht blos unnütz, sondern schädlich; Mandelmilch, Gummischleim, Syrupe und was sonst gewöhnlich noch Unwirksames verschrieben wird, sind aber keine Arzneien, sondern Nahrungsmittel.

Der Magen-Darmkatarrh oder der Brechdurchfall ist ebenfalls ein krankhafter Zustand, welcher viele kleine Kinder hingerafft und zwar theils deshalb, weil diese hierbei wegen der gestörten Magen- und Darmverdauung nicht die gehörige Menge Nahrungsstoff in das Blut aufnehmen können, theils darum, weil in Folge des Durchfalls eine Menge nahrhafter Bestandtheile aus dem Blute verloren gehen. So muß natürlich das Leben wie die Flamme einer Lampe verlöschen, der man nicht nur Oel nicht zugießt, sondern sogar entzieht. Bisweilen beschränkt sich der Katarrh blos auf den Darm und giebt sich dann durch Diarrhöe allein zu erkennen; ergriff er dagegen blos den Magen, dann deutet er sich durch Appetitlosigkeit und Brechen ohne Durchfall an. – Die Ursache des Magen-Darmkatarrhs ist, wie bei den Hustenkrankheiten, in den allermeisten Fällen auch wieder die Kälte und zwar dann, wenn sie auf das Innere oder Aeußere der Baucheingeweide einwirkte. Lächerlicher Weise hört man freilich gar nicht selten auch das Zahnen als Ursache des Durchfalls angeben. Erkältung des Bauches, kaltes Trinken, kalte Bäder und Klystiere ziehen am meisten diesen Krankheitszustand nach sich; vorzüglich gehört hierher auch das Bloßstrammpeln (Aufdecken) der Kinder, besonders im Schlafe und bei kalter Luft, das schlechte Tragen derselben auf dem Arme (wobei Füße und Bauch zum Theil entblößt werden) und das Abhalten zum Uriniren im Freien (zumal wenn das Kind vorher im warmen Bette lag), das Setzen auf zugige Abtritte, das Einwickeln in kalte und feuchte Windeln, das Trinken kalter Milch oder kalten Wassers und Bieres, Erkältung beim Baden. Aus dieser Aufzählung von Gelegenheitsursachen geht von selbst hervor, worauf eine gewissenhafte Mutter zu achten hat, damit ihr Kind nicht vom Brechdurchfalle heimgesucht werde. Vor Allem muß die Erkältung des Bauches, welche ja auch bei Erwachsenen so oft Leibschmerz, Diarrhöe und selbst die Cholera hervorruft, vermieden werden, sodann ist natürlicher Weise stets auf die richtige Nahrung zu halten. (Welches die richtige Nahrung für kleine Kinder ist, siehe unten und in einem spätern Aufsatze.) – Die erste krankhafte Erscheinung, welche nicht unbeachtet bleiben darf, ist in der Regel der Durchfall, der nach und nach immer häufiger, wäßriger und farbloser wird und sich später erst mit Brechen verbindet. Gegen diesen Durchfall wirkt am besten die Wärme, welche in Gestalt der Bettwärme, einer warmen Bauchbinde, warmer Tücher, warmer Kräutersäckchen oder Umschläge auf den Bauch, warmer schleimiger Getränke und Klystiere angewendet werden kann. Bei häufigerem Durchfalle, zumal mit Brechneigung und Erbrechen muß das Kind durchaus im Bette bleiben und warme Breiumschläge (von Hafergrütze, Leinsamen) über den Leib bekommen; die Nahrung darf keine andere als eine warme flüssige und nahrhafte sein, und nach dem Alter des Kindes und dem Zustandes des Magens aus reiner oder verdünnter Milch, Fleischbrühe, Eiflüssigkeit und Schleim bestehen. Ist das Kind vor nicht so langer Zeit entwöhnt worden, dann thut eine Amme die besten Dienste. Es steht sehr schlimm um das Kind und es ist die letzte Hülfe, wenn der Arzt hierbei wirksame Arzneinen verordnet.

Blutarmuth oder Bleichsucht (s. Gartenlaube Jahrg. I, No. 49) ist bei kleinen Kindern, auch wenn diese nicht an Brechdurchfall und Knotensucht (Tuberculose oder Scrophulose) leiden, eine weit häufigere Veranlassung zum Tode als man gewöhnlich meint und wird von den Aerzten gewöhnlich für allgemeine Schwäche und Auszehrung, krankhaftes Zahnen, Hirnkrämpfe und hitziger Wasserkopf erklärt. Es tritt hierbei der Tod entweder unter fortwährend zunehmender Erblassung und Abzehrung des ganzen Körpers oder wegen des Blutmangels im Gehirne unter den Erscheinungen [198] einer Kopfaffection (mit Zuckungen, Krämpfen aller Art, Betäubung) ein. Das Erstere ist vorzugsweise dann der Fall, wenn ein Kind überhaupt zu wenig Nahrungsstoff bekommt und sonach verhungert; das Letztere kommt am häufigsten bei Kindern vor, die eine unzweckmäßige Nahrung erhalten und dabei sogar fettleibig sind. Auch bei wohlhabenden Leuten, nicht blos bei Armen, die selbst nicht zu brocken und zu beißen haben, können kleine Kinder den Hungertod sterben und zwar dann, wenn die stillenden Mütter oder Ammen nicht genug Milch haben und der Arzt, die eigentliche Quelle des Leidens verkennend, mit Arzneimittel (besonders mit Quecksilber, Abführmittel, Blutegeln) zu kuriren anfängt. Eine unzweckmäßige Nahrung würde aber eine solche sein, die vorzugsweise aus Stärkemehl, Zucker oder Fette, sonach aus Stoffen bestände, welche wohl Fett bilden aber nicht zur richtigen Ernährung der lebenswichtigen Organe des Körpers verwendet werden können. Solche Nahrungsmittel sind vorzüglich: Sago, Arrow-Rout, Salep, Kartoffeln, Mehlsachen und Gebäcke. Da aber diese Stoffe das Kind zur Freude unerfahrner Mütter wollsackähnlich dick machen, so sind sie in großer Aufnahme, sogar unter den Aerzten. – Daß bei genügender und naturgemäßer Nahrung ein Kind, wenn es sonst nur diese gehörig verdauen kann, den Tod durch Blutarmuth nicht erleiden wird, versteht sich wohl von selbst. Ob aber die richtige Menge Nahrungsstoff in den kindlichen Körper geschafft wird, zeigt die Menge der Ausleerungen (besonders des Urins), das Zunehmen oder Abnehmen an Fleisch und Gewicht, das schnellere oder langsamere Wachsthum und die Beschaffenheit der Haut. Diese letztere wird nämlich bei Blutarmuth nicht blos blässer, sondern gewöhnlich auch schlaffer, dünner und runzlicher, oder bei fettleibigen Kindern wachsartig bleich mit gelblichem oder grünlichem Schimmer. Um übrigens ein Kind hinsichtlich seines Ernährungszustandes richtig zu beurtheilen, muß man Rumpf und Gliedmaaßen desselben betrachten, da das Gesicht oft noch lange voll erscheint, während der übrige Körper schon abzehrt. Eine naturgemäßge Nahrung muß aber neben den fetten und fettbildenden Stoffen auch noch eine ziemliche Menge von Eiweißsubstanzen (Käsestoff, Eiweißstoff, Faserstoff, s. Gartenlaube Jahrg. I. No. 39), sowie Kochsalz und Kalksalze enthalten. Deshalb sind Milch (s. Gartenlaube no. 12), Fleisch und Fleischbrühe, so wie Ei nicht zu entbehrenden Nahrungsmittel für Kinder. [Ausführlicheres über die naturgemäße Ernährung kleiner Kinder s. später.]

Daß bei Beobachtung der angegebenen Vorsichtsmaßregeln kleine Kinder von den genannten todbringenden Krankheiten äußerst selten befallen werden, davon können sich gewissenhafte und verständige Aeltern recht leicht eben so überzeugen, wie dies der Unterzeichnete seit 25 Jahren gethan hat. Aber leider wie viele Aeltern sind denn in dieser Hinsicht verständig? Nun vielleicht machen meine Worte doch auf Solche einigen Eindruck, die bei ihren Kindern schon schwerere derartige Krankheiten oder gar Todesfälle erlebt haben. Müttern, welche nach Durchlesung dieser Zeilen sagen: „ei da hätte man viel zu thun, wenn man das Alles beobachten wollte,“ werde hiermit ihrer Gatten und meine vollste Verachtung zu Theil. Von vernünftigen Vätern und Aerzten fordere ich aber, daß sie sich mehr als dies bis jetzt gewöhnllich geschieht, um das Wohl der kleinen Kinder kümmern. Ein gebildeter Mann sucht in der Ehe nicht blos Genuß und Behaglichkeit für seine Existenz und glaubt genug zu thun, wenn er für seine Kinder das Erforderliche erwirbt, sondern er verschafft slich so wie der Mutter seiner Kinder auch die gehörige Einsicht in die körperliche und geistige Erziehung des Kindes und weiß dann in seinem Hause bei Weib und Kind das Rechte durchzusetzen. Freilich gegen Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens.
(B. = Bock.)