Vom Weihnachtsbüchertisch (Die Gartenlaube 1890/26)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor:
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Vom Weihnachtsbüchertisch
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 832–834
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Rubrik: Vom Weihnachtsbüchertisch
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
korrigiert
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[832]

Vom Weihnachtsbüchertisch.

I. Bücher für die Jugend.

Wiederum will es Weihnacht werden auf Erden, und die Liebe rüstet sich, dieses traulichste und schönste aller Feste mit Duft und Glanz und Gaben zu schmücken. Unter all den dargebotenen Weihnachtsgaben nun nimmt von altersher das Buch eine der ersten Stellen ein; denn, so sagt der altdeutsche Weihnachtsbrief des Kreutznacher Buchhändlers Schmithals mit Recht:

„Eyn gvtt boch ist travn die bast der
gaben / so ze findten weytt vndt
breytt vndt spricht eyn gar beredt
Sprach von hertze ze hertze.“

Viel Schönes, Gutes und Nützliches bietet der Büchermarkt gerade zur Weihnachtszeit, und ganz besonders auf dem Gebiete der Jugendschriften weist die zeitgenössische Litteratur den erfreulichsten Reichthum auf. Ersichtlich aber sind Schriftsteller, Künstler und Verleger nicht nur bemüht, diese wichtige Abtheilung des nationalen Schriftthums fortwährend zu erweitern, sondern mit Lust, Liebe und vielem Verständnis arbeiten sie seit Jahrzehnten auch an der Erhöhung des inneren Wertes der für die Jugend bestimmten Buchgaben. Die neuesten Erscheinungen reihen sich in dieser Beziehung vielfach ebenbürtig an das gute Alte. Das gute Alte! Man wolle es über dem Neuen nicht vergessen! Aber recht und billig ist es doch, auch dem guten Neuen diejenige Aufmerksamkeit zu schenken, auf welche es Anspruch hat.

Wir bieten hier eine gedrängte Uebersicht dessen, was uns besonderer Beachtung werth erscheint.

Bücher für die Kleinen. „Kommt herein!“ (Verlag von W. Effenberger [F. Loewes Verlag] in Stuttgart). Ein Bilderbuch ohne Text. Die in sauberem Farbendruck ausgeführten Bilder bieten in buntem Durcheinander Darstellungen von Menschen, Thieren, Früchten und Gebrauchsgegenständen, welche dem Anschauungskreise der Kleinen angehören oder doch nahe liegen. Unter freundlicher Leitung eines Erwachsenen werden die Kinder eifrig sein, über das, was sie hier sehen, Geschichtchen zu erzählen, und solche Anregung ist offenbar der Zweck des Werkchens. –

„Goldene Reime für die Kinderstube“, gesammelt von Cornelie Lechler, mit 12 Farbdruckbildern nach Aquarellen von W. Claudius, sowie 11 Vollbildern in Holzschnitt nach Zeichnungen von Prof. E. Klimsch (ebenda). Die Texte sind mit Sorgfalt ausgewählt. Neues bieten sie, soweit wir sehen können, nicht. Es entspricht aber durchaus unserer Ansicht, für ein solches Buch lieber den Goldschatz der vorhandenen Kinderdichtung in Anspruch zu nehmen, als Neues von zweifelhaftem Werthe handwerksmäßig herzustellen. Der Bilderschmuck ist prächtig. – „Unser Singvögelchen“, ein Liederschatz für die deutsche Jugend, gesammelt von Klara Reichner, 2. Aufl., mit 100 Textillustrationen und 79 Melodien (Stuttgart, Gustav Weise). Eine reiche Fundgrube von sangbaren Liedern und von Weisen, deren Ausführung wegen ihres meist geringen Tonumfanges den Kleinen möglich ist. Poesie, Zeichenkunst und Musik haben sich hier zu einer schönen Gesammtleistung verbunden.

Märchenbücher. „Es war einmal“, eine Sammlung der schönsten Märchen, Sagen und Schwänke, für die Jugend herausgegeben von Paul Arndt, mit 6 Farbdruckbildern von E. Klimsch und C. Offterdinger, ferner 12 Tondruckbildern und 116 Textillustrationen (Stuttgart, Wilh. Effenberger). Wir begegnen in diesem Buche, dessen künstlerische Ausstattung prächtig ist, den lieben alten Namen; aber neben Grimm, Bechstein und Andersen, deren schönste Märchen in freier Bearbeitung dargeboten werden, kommen auch Neuere zum Wort: wir heben Blüthgen, Lausch, Leander und Sturm hervor. Auch der Herausgeber ist mit einigen hübschen eigenen Arbeiten vertreten. – „Aus der goldenen Märchenwelt“, fünfzig Märchen, gesammelt von Klara Reichner, mit vier Farbdruckbildern nach Aquarellen von P. Wagner (Stuttgart, Gustav Weise). Die Bilder sind gut. Für die Texte sind auch hier die klassischen Autoren bevorzugt worden. Eine Bereicherung des Märchenschatzes finden wir in der Mittheilung einiger Stücke, die mit den Bezeichnunge „wendisch“, „schweizerisch“, „italienisch“ versehen sind.

Bücher für Knaben und Mädchen reiferen Alters. „Auf der Wacht im Osten“, geschichtliche Erzählung aus den Zeiten der Kämpfe [833] mit den Polen im vierzehnten Jahrhundert, von Oskar Höcker (Leipzig, Ferdinand Hirt und Sohn). Die vorliegende geschichtliche Erzählung (übrigens nicht die erste dieser Art von demselben Verfasser) ist wohl geeignet, die reifere deutsche Jugend beider Geschlechter in eine der wichtigsten Epochen deutscher Vergangenheit so einzuführen, wie es dem geschichllichen Lehrvortrag, dem geschichtlichen Lehrbuch, und wären sie noch so geistvoll, noch so anschaulich, allein einfach unmöglich ist. Hier hat alles individuelles Leben, hier alles künstlerische Abrundung. Die Abbildungen, mit denen Meister Gehrts das Buch geschmückt hat, verdienen uneingeschränkes Lob: denn abgesehen von der malerischen Auffassung der dargestellten Scenen, abgesehen auch von der zeichnerischen Tüchtigkeit, die sich überall offenbart, verräth jede, auch die unbedeutendste Einzelheit in diesen Bildern das gewissenhafteste Studium der Zeit. – „Auf gefahrvoller Prisenjagd“, nach dem Englischen des Kapitän Marryat bearbeitet von Adalb. Stein, mit 4 Farbdruckbildern von Fritz Bergen (Stuttgart, Wilh. Effenberger). Die meisten Seeromane des durch und durch gesunden Kapitän Marryat könnten der reiferen Jugend so in die Hände gegeben werden, wie sie sind, wenn nicht auch sie an der Weitschweifigkeit litten, die dem englischen Roman überhaupt eigen ist. Die vorliegende Bearbeitung hat die Urschrift in geschickter Weise gekürzt und führt in straff geschlossener Darstellung die Abenteuer des Midshipman Jack an dem Leser vorüber. – „Der Ostafrikaner“, eine deutsche Kolonialgeschichte aus vergangener Zeit, von C. Falkenhorst, mit 12 Tondruckbildern von Fritz Bergen (Stuttgart, Union Deutsche Verlagsgesellschaft). Das Buch wird sich viele Freunde gewinnen, und zwar nicht nur unter der Jugend. C. Falkenhorst, den Lesern der „Gartenlaube“ schon längst vortheilhaft bekannt, bietet hier eine Kolonialgeschichte aus dem 16. Jahrhundert, die Abenteuer des Junkers Konrad von Kulm. Der reiche Inhalt und der künstlerische Aufbau der Erzählung erhalten den Leser in angenehmster Spannung von der ersten bis zur letzten Seite des stattlichen Bandes; außerdem bereichert das Buch das kulturgeschichtliche und ethnographische Wissen, und so muß es als eine der bedeutsamsten Erscheinungen auf dem heurigen Weihnachts-Büchermarkte, soweit derselbe der Jugend dienen will, bezeichnet werden. – „Abenteurer“, bunte Bilder aus der Geschichte der Entdeckungsreisen von C. Falkenhorst, mit 6 Tondruckbildern und 54 Textillustrationen (ebenda). In elf abgerundeten, fesselnd geschriebenen, bald mehr, bald weniger ausgeführten Bildern und Skizzen macht uns der Verfasser mit interessanten Gegenden und Menschen bekannt. [834] Freunde von Roseggers Muse werden in dem fünfundzwanzigsten und sechsundzwanzigsten Band seiner „Ausgewählten Schriften“ (A. Hartlebens Verlag, Wien) viel Anmuthendes finden. Unter dem Titel „Der Schelm aus den Alpen“ sind allerlei Geschichten und Gestalten, Schwänke und Schnurren zusammengestellt, ernste und lustige Plaudereien, allerliebst ausgeschnittene Silhouetten von sonderbaren Käuzen aus den Alpendörfern, auch manches Traurige, Wunderliche und Wunderbare. Die Nutzanwendung vieler Geschichten ist indeß nicht bloß auf Dörfler, sondern auch auf civilisirte Menschenkinder berechnet. – Da wir einmal im Alpengebiete uns befinden, so sei hier noch die Mittheilung beigefügt, daß von der bekannten Ganghoferschen Hochlandsgeschichte „Der Herrgottschnitzer von Ammergau“ eine von Hugo Engl reizend illustrirte Ausgabe (bei A. Bonz u. Comp. in Stuttgart) erschienen ist.

Meistens heitere Geschichten führt uns Hugo Rosenthal-Bonin vor in seiner Sammlung „Der Student von Salamanca und andere Novellen“ (Stuttgart, Deutsche Verlags-Anstalt). Darunter befindet sich eine lustige Geschichte in Versen: „Die Fahrt nach Meersburg“, deren Held ein verliebter, sich das Haar färbender Jüngling ist. Das frische Erzählertalent Rosenthal-Bonins verleugnet sich auch in dieser Sammlung nicht. – Ihr reihen sich am besten die „Lustigen Geschichten“ von Hans Arnold an (Stuttgart, A. Bonz u. Comp.). Es sind die den Lesern der „Gartenlaube“ noch frisch in der Erinnerung lebenden Humoresken „Anvertraute Kinder“, „Eine kleine Vergnügungsreise“, „Schulschluß und Ferien“, „Roberts erste Liebe“; ein Geschichtchen, „Fritz auf dem Lande“, ist neu hinzugekommen.

Ernste und heitere Fälle aus dem Rechtsleben hat Hans Blum unter dem Titel „Aus geheimen Akten“ (Berlin, Gebrüder Paetel) herausgegeben. Es sind drei Geschichten, welche vom Verfasser selbst bei der Titelangabe schon genauer bestimmt werden. Die erste, „Der neue Staatsanwalt“, ist eine kleinstaatliche Geschichte aus großer Zeit; die zweite, „Das Medium des Michelangelo“ eine Erzählung aus der vierten Dimension; die dritte, „Der schneidige Anwalt“, eine Kriminalhumoreske. Hans Blums lebendige und gewandte Darstellungsweise ist ja auch den Lesern unseres Blattes bekannt, und hier bewegt er sich auf dem ihm so vertrauten Gebiete seines Lebensberufs.

Auch Oscar Justinus ist den Lesern unseres Blattes kein Fremdling. Seine neue Schrift, „In der Zehnmillionen-Stadt“ (Dresden, E. Piersons Verlag), ist ein Berliner Roman aus dem Ende des zwanzigsten Jahrhunderts. Da sind Eiffeltürme, telephonische Korrespondenzen, weibliche Regierungsassessoren, da ist Republik, Aufhebung der Ehe und alles mögliche Zukünftige in humoristischer Einkleidung zu finden.

Unter den Gedichtspenden des Weihnachtstisches erscheinen wohl als die interessanteste Gabe die neuen poetischen Uebersetzungen des Grafen Adolf Friedrich von Schack, die unter dem Titel „Orient und Occident“ (Stuttgart, J. G. Cotta’sche Buchhandlung Nachfolger) erscheinen und von denen jetzt drei Bände vorliegen. Es sind Nachbildungen von meisterhafter Formvollendung, von einem Fluß und Guß, einer schimmernden Schönheit, wie man sie manchen deutschen Originaldichtungen wünschen möchte. Der erste Band bringt uns die persische Dichtung „Medschnun und Leila“, einen morgenländischen Liebesroman von Dschami: Romeo und Julie im östlichen Gewand, zwei Liebende, die zu Grunde gehen an der Feindschaft ihrer Familien und Stämme – das ist der Inhalt der Dichtung, welche eine ergreifende Gluth der Empfindung athmet. Der zweite Band bringt uns das Gedicht „Camoens“ von einem neueren portugiesischen Dichter J. B. Almeida-Garret (1799 bis 1854), der politischer Parteimann, Verfolgter und Verbannter und später Minister war. Manches aus seinem eigenen Leben hat der Dichter offenbar in sein Werk hineingeheimnißt, das in Bezug auf farbenprächtige Schilderung und oft schwermüthige Gedankenlyrik an Byron und Victor Hugo erinnert. Der dritte Band enthält „Raghuvansa“, ein indisches Gedicht von Kalidasa, dem auch im Abendland gefeierten Dichter der „Sakuntala“. Das Gedicht macht uns in kürzerer Fassung mit den wichtigsten Begebenheiten bekannt, welche den Hauptinhalt des umfangreichen alten Epos Ramayana bilden. Fremdartiger Blüthenduft schwebt über dem Ganzen und die Bilder zeichnen sich oft durch überraschende Neuheit aus.

Noch erwähnen wir ein hübsches keines Epos von Karl Schäfer, „Der Falkner von Rodenstein, ein Sang aus dem Odenwalde“ (Darmstadt, Verlag von G. v. Aigner). Das glückliche poetische Talent Karl Schäfers hat sich bereits mehrfach erprobt. Sind doch seine „Heiderosen“, eine Sammlung meist lyrischer Gedichte, bereits in dritter Auflage (Darmstadt, ebenda) erschienen!