Von den sieben Zechbrüdern

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Textdaten
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Autor: Ludwig Uhland
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Titel: Von den sieben Zechbrüdern
Untertitel:
aus: Gedichte von Ludwig Uhland, Seite 277–280
Herausgeber:
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1815
Verlag: J. G. Cotta’sche Buchhandlung
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Erscheinungsort: Stuttgart und Tübingen
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Originalherkunft:
Quelle: MDZ München = Commons.
Kurzbeschreibung:
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[277]
Von den sieben Zechbrüdern.

Ich kenne sieben lust’ge Brüder,
Sie sind die durstigsten im Ort,
Die schwuren höchlich, niemals wieder
Zu nennen ein gewisses Wort,

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 In keinerlei Weise,

 Nicht laut und nicht leise.

Es ist das gute Wörtlein: Wasser,
Darin doch sonst kein Arges steckt.
Wie kömmt’s nun, daß die wilden Prasser

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Dies schlichte Wort so mächtig schreckt?

 Merkt auf! ich berichte
 Die Wundergeschichte.

Einst hörten jene durst’gen Sieben
Von einem fremden Zechkumpan,

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Es sey am Waldgebirge drüben

Ein neues Wirthshaus aufgethan,
 Da fließen so reine,
 So würzige Weine.

Um einer guten Predigt willen

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Hätt’ Keiner sich vom Platz bewegt,

Doch gilt es, Gläser gut zu füllen,
Dann sind die Bursche gleich erregt.
 „Auf, lasset uns wandern!“
 Ruft Einer dem Andern.

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Sie wandern rüstig mit dem Frühen,

Bald steigt die Sonne drückend heiß;
Die Zunge lechzt, die Lippen glühen
Und von der Stirne rinnt der Schweiß:
 Da rieselt so helle

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 Vom Felsen die Quelle.


Wie trinken sie in vollen Zügen!
Doch als sie kaum den Durst gestillt,
Bezeugen sie ihr Mißvergnügen,
Daß hier nicht Wein, nur Wasser, quillt:

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  „O fades Getränke!

 O ärmliche Schwenke!“

In seine vielverwobnen Gänge
Nimmt jetzt der Wald die Pilger auf,
Da stehn sie plötzlich im Gedränge,

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Verworrnes Dickicht hemmt den Lauf;

 Sie irren, sie suchen,
 Sie zanken und fluchen.

Derweil hat sich in finstre Wetter
Die schwüle Sonne tief verhüllt,

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Schon rauscht der Regen durch die Blätter,

Es zuckt der Blitz, der Donner brüllt,
 Dann kömmt es geflossen,
 Unendlich ergossen.

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Bald wird der Forst zu tausend Inseln,

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Zahllose Ströme brechen vor;

Hier hilft kein Toben, hilft kein Winseln,
Er muß hindurch, der edle Chor.
 O gründliche Taufe!
 O köstliche Traufe!

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Vor Alters wurden Menschenkinder

Verwandelt oft in Quell und Fluß,
Auch unsre sieben arme Sünder
Bedroht ein gleicher Götterschluß.
 Sie triefen, sie schwellen,

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 Als würden sie Quellen.


So, mehr geschwommen, als gegangen,
Gelangen sie zum Wald hinaus;
Doch keine Schenke sehn sie prangen,
Sie sind auf gradem Weg nach Haus;

65
 Schon rieselt so helle

 Vom Felsen die Quelle.

Da ist’s, als ob sie rauschend spreche:
„Willkommen, saubre Brüderschaar!
Ihr habt geschmähet, thöricht Freche!

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Mein Wasser, das euch labend war.

 Nun seyd ihr getränket,
 Daß ihr daran denket.“

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So kam es, daß die sieben Brüder
Das Wasser fürchteten hinfort,

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Und daß sie schwuren, niemals wieder

Zu nennen das verwünschte Wort,
 In keinerlei Weise,
 Nicht laut und nicht leise.