Wilhelm Löhes Leben (Band 2)/Die Agitation des Jahres 1856 und dadurch veranlaßte Reformgedanken Löhes
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Konflikte mit dem Kirchenregiment » | |||
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Nach dem im ganzen befriedigenden Verlauf der Generalsynode von 1853 schien es, als würde die durch die Ereignisse der Jahre 1848 und 1849 auch auf kirchlichem Gebiete hervorgerufene Bewegung in der bayerischen Landeskirche in die Bahnen einer gedeihlichen und friedlichen Entwicklung einlenken. Durch eine Reihe von Maßnahmen bewies das Kirchenregiment seine ernste Absicht, diese Entwicklung mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu fördern, indem es namentlich die dahingefallenen kirchlichen Ordnungen einer besseren Vergangenheit der lutherischen Kirche wieder aufzurichten bemüht war.
So wurde zunächst durch königliche Entschließung vom 1. Februar 1854 das von der Generalsynode begutachtete neue Gesangbuch eingeführt. Schon die Einführung dieses Gesangbuchs, mit welchem doch der Landeskirche eine wertvolle Gabe geboten wurde, stieß indes auf Mißverstand und üblen Willen. Noch weit größeren Bedenken und Widerwillen begegnete die durch königliche Entschließung| vom 20. Juli 1854 im Einvernehmen mit der vorjährigen Generalsynode eingeführte Gottesdienstordnung, von der der Unverstand behauptete: sie katholisiere. Doch wurden vor der Hand diese kirchenregimentlichen Maßnahmen nur mit schweigendem Unwillen oder halblautem Murren hingenommen.Dabei war in jenem Erlasse allerdings nicht versäumt worden zu bemerken, daß diese Bestimmungen „in ihrem vollen Umfange nicht sofort in Vollzug gesetzt werden könnten, sondern teilweise nur als die anzustrebenden Zielpunkte bei der Ordnung des Beichtwesens zu betrachten seien; daß jedem praktischen Vorgehen der Geistlichen immer erst eine aus Gottes Wort geschöpfte bekenntnistreue Unterweisung der Gemeinden Bahn brechen und das Verständnis dafür wecken müsse etc.“
Vielleicht mehr noch als dieser Erlaß wurde ein zweiter von gleichem Datum von der kirchenfeindlichen Agitation des Jahres 1856 als Schreckmittel für die Massen benützt. Er betraf „die Wiederherstellung der Kirchenzucht“. Nachdem in diesem Erlaß einleitend bemerkt ist, daß es sich hier nicht um Erneuerung einer förmlich aufgehobenen oder völlig verlorenen Institution handle, da das Recht und der Bestand der Kirchenzucht auf dem Grund der Schrift- und Kirchenlehre beruhe und die Kirche, wie jede sittliche Gemeinschaft das Recht zur Übung einer ihrem Wesen und ihrer Aufgabe entsprechenden Disciplin als unverlierbares Eigentum besitze; daß es nicht um Erneuerung der mit Recht dahingefallenen polizeilichen Maßregeln und Strafbestimmungen älterer Kirchenordnungen, sondern nur um die Wiedergewinnung der rechten Form und Weise zur Übung der Zucht in wirklich kirchlichem Sinne zu thun sei, wird den Pfarrämtern der Auftrag erteilt: „unter Berücksichtigung der in ihren Gemeinden noch vorhandenen Überreste der Kirchenzucht, sowie der früherhin oder annoch gültigen Kirchenordnungen und unter sorgfältiger Erwägung aller einschlägigen Verhältnisse, mit Angabe der Art und Weise der Ausführung diejenigen Bestimmungen in Form einer Instruktion zusammenzustellen, welche sie nach vorgängiger Beratung mit den Kirchenvorständen zur Übung| der Kirchenzucht für notwendig und heilsam erachteten.“ Diese pfarramtlichen Berichte sollten die Basis einer der nächsten Generalsynode zu machenden Vorlage zur Wiederherstellung der Kirchenzucht bilden.Ein dritter Erlaß „Normen zur Sicherstellung des geistlichen Amtes gegen ungebührliche Zumutungen betr.“ – gleichfalls vom 2. Juli 1856 – verfügte „in Rücksicht auf die von der Generalsynode des Jahres 1853 gestellten Anträge und in Gemäßheit der in diesem Betreff ergangenen allerhöchsten Entschließung vom 7. Januar 1856“, daß Lästerer und offenbare Verächter der Kirche als Taufpaten nicht angenommen, daß gefallenen Brautpaaren bei ihrer Trauung die auszeichnenden Ehren unbescholtner Brautpaare nicht zugestanden und daß beharrlichen Lästerern und offenbaren Verächtern der Kirche, wenn sie in Unbußfertigkeit versterben, bei dem Begräbnisse die Ehre der Begleitung des Leichenzuges durch den Geistlichen und der kirchliche Segen versagt werden sollte. Zur Sicherung des Verfahrens der Geistlichen vor Mißgriffen wurde denselben in allen Fällen, wo solche disciplinarische Maßregeln zur Anwendung kommen würden, vorgängige Belehrung der Gemeinden über den Zusammenhang der kirchlichen Rechte und Pflichten und Anzeige an das Kirchenregiment zur Pflicht gemacht.
Ein vierter, ebenfalls vom 2. Juli 1856 datierter Erlaß, „die Verordnung vom 18. Mai 1838, die Anmeldung zur Kommunion und die Wiederverehelichung geschiedener Personen betr.“, sicherte bezüglich der Wiederverehelichung und Trauung geschiedener Personen den Geistlichen schonende Berücksichtigung ihrer Gewissensbedenken zu, „insolange dem dermaligen Bestande der Gesetzgebung die erwünschte Abänderung nicht auf legislativem Wege zugegangen sei“; wogegen ein fünfter Erlaß vom 9. Juli 1856, „die persönliche Anmeldung der Verlobten bei Proklamationen und die Aufgabe des geistlichen Amtes in dieser Beziehung betr.“, die Geistlichen anwies,| „die Bedeutung und den Segen der christlichen Ehe durch Predigt und Unterricht wieder in das rechte Licht zu stellen und durch treue Wahrnehmung ihrer seelsorgerlichen Pflichten zu versuchen, den gebührenden Einfluß auf das Familienleben wieder zu gewinnen, damit sie mit ihrem Rate schon bei der Verlobung künftiger Ehegatten zugezogen werden und so den günstigen Zeitpunkt wahrnehmen könnten, die Versuche zu ehelichen Verbindungen, denen die Unhaltbarkeit von vornherein auf die Stirne gezeichnet sei, mit allem Ernste zu Hintertreiben und die Gedanken auf die unverbrüchliche Ordnung Gottes in der Ehe hinzuweisen etc. etc.“Löhe führte den hier angekündigten Plan auch aus und legte einer Pastoralkonferenz, welche am 14. Juli 1852 zu Nürnberg versammelt war, eine Reihe von Sätzen über das Beicht- und Parochialverhältnis zur Überlegung und Besprechung vor.
Damals hatte diese Frage mehr nur theoretischen Wert, nun aber in folge der kirchlichen, vielmehr widerkirchlichen Bewegungen des Jahres 1856 gewann sie für Löhe unmittelbar praktische Bedeutung. Hatte er und seine Freunde sich um des Gewissens willen gegen das geringere Übel der Abendmahlsmengerei in den Stand der Protestation gesetzt, so schien die durch die Vorgänge des Jahres 1856 geschaffene Lage ihm noch viel gewissensbeschwerender zu sein und ein Thatzeugnis gebieterisch zu fordern. Und nicht bloß einen Akt des Zeugnisses achtete er für geboten, sondern ebenso sehr einen Akt der Fürsorge für die von gleicher Gewissensnot bedrängten gläubigen Laien hin und her in den Gemeinden, denen aus Gründen konfessioneller Treue der Sakramentsgenuß an ihren heimischen Altären unmöglich war.
So richtete er denn unter dem 22. April 1857 eine außer ihm noch von 9 Geistlichen (denen sich jedoch später noch mehrere anschlossen) unterzeichnete Eingabe an das Oberkonsistorium, die in der Erklärung gipfelte, daß er und seine Freunde, wenn sie nicht ihr Gewissen, ihren Lebensgang und Gottes Wort Lügen strafen wollten, sich genötigt sähen, in Zukunft mit denjenigen Gemeinden| im bayerischen Vaterlande die Abendmahlsgemeinschaft aufzuheben, welche sich an den kirchenfeindlichen Bewegungen des Jahres 1856 beteiligt hätten, ohne daß der Sturm der Feinde abgeschlagen und gegen dieselben christliche Zucht angewendet worden sei; sowie daß sie sich verpflichtet fühlten, den ihnen gleichgesinnten Laien, welche sich durch die Zustände ihrer Heimatgemeinden im Gewissen bedrängt fühlten – wenn auch unter Beobachtung der nötigen Formen – ihre Altäre zu öffnen.„Es ist nicht unsre Absicht – so schließt die Eingabe – uns der Aufsicht des Staats oder auch nur derjenigen der kirchlichen Behörden zu entziehen, wir wollen innerhalb des landeskirchlichen Verbandes bleiben; aber der Abendmahlsgemeinschaft der nun offenbar gewordenen unchristlichen Massen und Gemeinden wollen wir uns entziehen und begehren uns mit unsern Gleichgesinnten sakramentlich zusammenzuschließen und so nach Gottes Wort und dem kirchlichen Bekenntnis zu leben. – Es wäre uns sehr lieb, wenn wir durch die Hilfe des K. Oberkonsistoriums als treue Glieder der Kirche unser Ziel und Recht erlangen könnten. Sollte aber das K. Oberkonsistorium uns nicht beistehen können, sondern der Meinung sein, uns widerstehen zu müssen, so hoffen wir geduldig zu leiden und lieber alles zu ertragen, als daß wir solche Zustände wie die jetzigen unwidersprochen und unangefochten lassen.“
Dieser Eingabe legte Löhe noch einen Brief an den ihm von lange her befreundeten Oberkonsistorialpräsidenten Harleß bei. Nachdem er hier einleitend bemerkt, daß er bei allem, was er seit Jahren gethan und gelassen habe, von einer Rücksicht der Liebe auf Harleß’ Stellung geleitet worden sei, daß nun aber Umstände eingetreten seien, die ihn zu reden nötigten, fährt er fort: „Gegenwärtig ist es wohl am Tage, daß auf eine einheitliche Leitung dieser Massen auch in Bayern nicht mehr zu rechnen ist. Ich habe es nie glauben können, daß die in vieler Hinsicht vortrefflichen| Erlasse, welche von Euch ausgiengen, zum erwünschten Ziele führen könnten. Aber meine innigsten Wünsche und herzliche Teilnahme gieng mit Dir um so mehr, als ich ja die pädagogische Wichtigkeit des Gelingens wohl erkannte und um den Preis des Gelingens meine eigenen Ansichten gar wohl hätte können fallen lassen. Da es nun aber anders geworden ist, und die wahre Gestalt der Landeskirche ohne all unser Zuthun sich so grell enthüllt hat, auch in der That, wie es jetzt steht, keine kirchenregimentliche Maßregel erdacht werden kann, welche andere Zustände herbeiführen sollte, so ist es mir unmöglich gewesen, angesichts der göttlichen Befehle und im Zusammenhang meines Lebensganges auf weiteres zu harren und von der Zeit, die vielmehr eine einschläfernde Wirkung haben und die Gewissen vollends ertöten möchte, eine Hilfe zu erwarten.... Und so empfängst Du denn gleichzeitig eine Erklärung von einigen Pfarrern, der eine Beistimmungserklärung von noch einigen folgen dürfte.... Vielleicht wäre der von uns (in eben dieser Erklärung) betretene Weg ein solcher, der den Gewissen der Besseren hilft, auf dem Wege des sakramentlichen Zusammenschlusses ihnen neue Kraft und damit neue Wirkung auf die andern verleiht, den andern aber unter den besten Umständen und der kräftigsten Haltung der Getreuen teils Buße nahe legt, teils erlaubt, ihrer Überzeugung zu folgen. Ich bedenke wohl alle möglichen Folgen, den möglichen Sturm; aber kann man denn auch noch nach solchen Erfahrungen glauben, mit dem Zusammenhalten dessen, was da ist, das Reich des HErrn zu fördern? Ich meine, der große, viele Sauerteig müßte das bischen Süßteig gar verschlingen und versäuern; ich fürchte, wir überliefern nach vieler, schwerer Mühe und Arbeit auf diesem Wege der nachfolgenden Zeit am Ende nicht mehr oder gar noch weniger Gutes als wir empfangen haben. Ach, daß es nicht so wäre, daß sich die Besseren zum Gehorsam der göttlichen Befehle zusammenschlössen und es – ich meine auf den möglichst| friedlichen Wegen – wagten zu kämpfen. Hiedurch würden mehr Seelen gewonnen als durch die Hoffnung pädagogischen kirchlichen Einwirkens. Da hast Du mein Herz ausgesprochen. Ich meinerseits – nun seit 1830 in Wirksamkeit – ...wünsche, daß, so lange ich lebe und wenn ich sterbe, denen allen, die ich gelehrt und geweidet habe, das Eine unleugbar fest stehe, daß ich dem Worte Gottes mehr als allen Verhältnissen anhieng, die mir überliefert wurden. Unsere armen Leute müssen nicht bloß lesen, sondern auch sehen können was geschrieben steht. Sie müssen Zeugnis haben für den Weg des Lebens.Mit diesen meinen Worten nahe ich Deinem Herzen, theurer Bruder. Ich erwarte keine Antwort, will Dich nicht bemühen; aber ich denke Deiner und bete zum Gott unseres Lebens, daß Du uns möchtest samt Deinen Kollegen einen Weg zeigen können, auf welchem wir unter Gewährung dessen, was wir nicht entbehren können und dürfen, um das wir deshalb auch nicht zu bitten vermögen, mit unsern lieben Obern ferner gehen können. Ich denke Euch mit dem, was ich bin und habe, anzuhangen, bis ich weggeworfen werde. In diesem Falle bete ich mit dem größten Beter zu meinem Gott:
– – In treuer Liebe und herzlicher Ehrerbietung verharrt
Dein
Zunächst verlangte Harleß nähere Aufklärung über einige ihm unverständlich gebliebene Punkte jener Eingabe, namentlich über Sinn und Absicht der Erklärung, daß die Unterzeichner der Petition zu dem Entschluß gekommen seien, in Zukunft mit keiner Gemeinde im bayerischen Vaterlande Abendmahlsgemeinschaft zu halten, die sich an den kirchenfeindlichen Bewegungen des Jahres 1856 beteiligt habe, ohne daß der Sturm der Feinde abgeschlagen und gegen dieselben die christliche Zucht angewendet worden sei. Es könne doch die Absicht der Unterzeichner nicht gewesen sein, eine verantwortungslose unbedingte Vollmacht zur excommunicatio minor oder zur Lösung des Parochialverbandes in bezug auf Beichtverhältnis sich für ihre Person zu erbitten. Denke man z. B. an Unterzeichner der Nürnberger Adresse oder an Glieder von Nürnberger Gemeinden. Da unter den ersteren zweifelsohne mancher sei, der nicht gewußt habe was er that, so sei ohne nähere „exploratio“ Ausschluß vom h. Abendmahl nicht einmal in diesem Fall gerechtfertigt. Was aber andere Gemeindeglieder betreffe, so könne doch deren Ausschluß vom Sakrament nicht schon damit angezeigt sein, daß in den betreffenden Gemeinden „der Sturm der Feinde nicht abgeschlagen und gegen dieselben die christliche Zucht nicht angewendet wurde.“ Es sei auch da erst zu ermitteln, ob die einzelnen in Frage kommenden Gemeindeglieder daran schuldbar beteiligt seien. In bezug auf die Lösung des Beichtverhältnisses aber lasse sich eine Form allgemeiner Gutheißung nicht denken, ohne daß sie konsequent zur Zerstörung alles geordneten Gemeindeverbandes führte.
„Die zweifellose Verpflichtung des Geistlichen – so schließt| Harleß seine Erwiderung, – an seinem Teile und in seinem Berufe wider das zu tage gekommene, erweisbare Antichristentum Einzelner mit dem Bindeschlüssel Ernst zu machen, bedarf keiner Bestätigung. Ebenso zweifellos ist die Pflicht der Kirchenbehörde, den Vollzug der Pflichten und Rechte des Amts wider offenkundige und unbußfertige Unchristen zu schützen und daß man es zu thun entschlossen sei, kann aufrichtig versichert werden. Aber das läßt sich nicht versichern, daß man einen Entschluß der Abendmahlszucht nach irgend einer Seite hin ohne nähere Angabe der Modalität der Ausführung und ohne Vorbehalt der Prüfung in den einzelnen Fällen im Voraus gut zu heißen im stande sein werde.“
Fest steht uns, daß wir den im Neuen Testamente befindlichen Befehlen über die Gemeinschaft gehorchen müssen. Was Matth. 18; Luc. 17, 3–5; 1 Kor. 5; 2 Kor. 2 u. 13, 1 ff.; 2 Thess. 3, 6 u. 14, 15; 1 Tim. 1, 20 u. 6, 3–5; Tit. 3, 10 u. 11; 2 Joh. 10, 11 geschrieben ist, erkennen wir für Lebensregel; mir wenigstens sind diese Stellen so ins Gewissen gefallen, daß ich wider meine Seligkeit anzustreben glauben würde, wenn ich nicht ehrlich und treu mich zu ihnen bekennen würde. Ich habe viel Kummer und böses Gewissen darüber, daß ich nicht treuer im Gehorsam gegen Gottes Wort und Willen war und habe in nunmehr 26 jähriger Amtszeit es nie bereut, wenn ich treu war, immer aber, wenn ich lässig war. Bei der vorhandenen Treue habe ich immer Segen gehabt.
Obige Stellen begründen die Notwendigkeit, die Anhänger falscher Lehre und freche, unbußfertige Übertreter zu meiden, also gewiß auch beim Tisch des Herrn zu meiden. Sie geben eine Weisung für das Darreichen und Verweigern, für das Nehmen und Nichtnehmen des Sakraments, so wie für die Gemeinschaft am Tische Jesu, welche ich durch Mitgenuß suchen und fliehen muß. Pfarrer und andere Christen haben damit eine Regel. – Dieser Regel gemäß hat sich, wie Du weißt, die hiesige Gemeinde in offenen Protest gegen die Abendmahlsgemeinschaft mit Reformierten und Unierten gesetzt – und wenn wir darauf auch nie eine Antwort bekommen haben, so haben wir uns doch der abgegebenen Erklärung gemäß verhalten. In irgend eine Art des Protestes| haben sich auch andere versetzt. Das was jetzt geschieht und nach unserer Erklärung geschehen soll, ist nur ein Schritt weiter, – ein durch die Ereignisse geforderter Schritt. Wir könnten es vor dem Herrn nicht verantworten, wenn wir bei unseren nun bestätigten und bewährten Überzeugungen 1857 alles gehen ließen, da wir unter leichteren Umständen der Wahrheit die Ehre geben.Wir müssen uns von der Gemeinschaft der Feinde des Evangeliums frei erhalten und frei machen.
Das ist Hauptsache, festzuhalten um unserer Seligkeit willen und aus Liebe zu vielen blinden thörichten Leuten, die auf das Wort nicht merken, wenn sie nicht sehen, daß es den Ernst des Lebens bei denen wirkt, die es predigen und bekennen.
Not und Liebe drängt uns einen Schritt vorwärts zu gehen, in welcher Weise, das zeige uns der Herr.
Es sind hier Pfarrer und andere Christen zu unterscheiden. Sprechen wir zuerst von diesen, dann von jenen.
Es ist ganz richtig, daß die bereits bestehenden Verordnungen es einem einfachen Christen möglich machen, durch die Erklärung, daß er kein Vertrauen zu seinem Beichtvater habe, sich aus Übeln Gemeindeverhältnissen und von bösen Pfarrern zu befreien und andere zu suchen. Es sind auch nicht wenige Leute, welche wir bis jetzt mit dem crede et manducasti zur Ruhe verwiesen haben. Aber sie sind zum Teil in großen Gefahren ihrer Seligkeit, das Gewicht ihrer Gemeindegenossen und Pfarrer wirkt übel auf sie. Sie können nicht immer warten oder mit bösem Gewissen zu Gottes Tisch gehen. Durch die Ereignisse der letzten Jahre sind sie noch mehr beschwert. Was sollen sie thun? Nun ja, ihrem Drange folgen, das bisherige Beichtverhältnis lösen, ein anderes suchen. Aber in wessen Hände fallen sie? In die Hände ihrer Pfarrer und Dekane. Diese Männer aber nehmen so etwas als persönliche Beleidigung, wissen meist nicht, wie sie Zucht üben sollen, haben sie| nie geübt; die abstumpfende Macht ihrer Amtsgewohnheit läßt sie nicht dahin kommen, daß sie die Not eines bedrängten Gewissens fassen. Die armen Leute, unsere Gesinnungsgenossen begehren gar nicht, ihre Pfarrer anzuklagen oder auf Ausschließung der oder jener Persönlichkeit zu dringen.... Sie wollen einfach –Hier sollte man helfen. „Da hie und da Glieder der Gemeinden durch die neuen Ereignisse in Gewissensnot wegen der Abendmahlsgemeinschaft gekommen sind, so soll deren Gewissen geehrt und ihnen die Auflösung des bisherigen Beichtverbandes nicht erschwert, sondern nach abgegebener Erklärung ihnen das nötige Zeugnis gegeben werden, sich an den oder jenen Pfarrer im Lande anzuschließen.“
Ungefähr so sollte man rescribieren. Das gienge dann vice versa. Wenn unter christlich entschiedenen Pfarrern Rationalisten etc. sind, so könnten sie gleicherweise Pfarrer ihres gleichen suchen. Die suchen und finden sie auch so wie es jetzt ist.... Ich verhehle mir gar nicht, daß auf diesem Wege das Beichtverhältnis gelockert würde. Aber was thuts? Das Parochialverhältnis bleibt damit in Ordnung. Das Beichtverhältnis ist z. B. in Nürnberg längst vom Parochialverhältnis abgelöst ohne allen Schaden. Warum soll das nicht anderwärts auch sein können, und warum soll das Beichtverhältnis, das wie das Vertrauen wechseln kann und seiner Natur nach wandelbar ist, widernatürlich in die Stagnation der übrigen Verhältnisse hineingebannt werden? Bei Stetigkeit die Möglichkeit der Bewegung: sonst erstirbt alles. Die römische Kirche hat einen Kampf der Stetigkeit und Freiheit gehabt (Verhältnis der Mönche und ihrer Seelsorge zu den Pfarrern). Unserer Kirche wird es nur förderlich sein, wenn sie ohne Kampf ein ihr notwendiges ähnliches Verhältnis erlangte. Es muß innerhalb der| geordneten Kirche eine freie Bewegung möglich sein, sonst erstickt das Gute, und das Böse macht sich doch Bahn.O daß Ihr hier hülfet! Es würde Bruch vermieden und die bayerische Landeskirche gienge mit Gutem voran. – Man kann zwar fürchten, daß die Scheidung angebahnt würde. Aber man darf froh sein, wenn so der Weg des Friedens gebahnt wird. Ich möchte hier eine Bemerkung anfügen, welche nicht gerade im strengsten Zusammenhang steht, aber doch auch die Freiheit des Beichtverhältnisses betrifft. Meine besseren Gemeindeglieder haben von mir Erlaubnis, in jeder rechtgläubigen Gemeinde das Abendmahl zu nehmen. Ich gebe ihnen gerne Zeugnisse. Meine Kirchenvorsteher haben schon mit denen einer anderen Gemeinde das Sakrament genommen. Sie sind nur desto treuer. Ich meine, auch das muß unter einer leichten und erleichternden Form geschehen dürfen. Bei einer Revision der Beichtordnung ließe sich das alles so gut ordnen und würde schwerlich Rumor machen. Es ist ja nur Regelung des freien Willens.
Laß mich zu den Pfarrern kommen. Es ist richtig, daß sie für ihr persönliches Leben den andern Christen gleich stehen und auch für sie das oben Gesagte gilt. Auch ist es richtig, daß sie zur Ausübung der Zucht durch Gott und Menschen bereits bevollmächtigt sind, keine Ermächtigung bedürfen. Sie müssen ja freilich verklagt werden können, wenn sie ihre Befugnisse überschreiten, und es wäre dann nur zu wünschen, daß bei solchen Klagen Richter (Dekane und Konsistorialräte) da wären, die Erfahrung in der Sache hätten und statt juristisch, so entschieden, wie es das Seelenheil der Gemeindeglieder erfordert. Ich kenne Fälle genug, aus denen sich beweisen läßt, daß die Gemeindeglieder nach Form weltlicher Prozesse ihren Pfarrern gegenüber recht bekamen, zu ihrem großen Seelenschaden recht bekamen; während vor dem Auge derer, welche die Verhältnisse kannten, die Pfarrer vollkommen recht| hatten. Doch dieser Jammer liegt in dem Unverstande der Persönlichkeiten und wird samt der erbärmlichen Last der Schreiberei, welche aus Zuchtfällen kommen kann, zu dem Kreuz zu rechnen sein, welches wir Pfarrer nun einmal bei den gegenwärtigen Einrichtungen unvermeidlich haben und tragen müssen. Du siehst hieraus, daß wir uns der Aufsicht auch in Zuchtfällen nicht entziehen wollen. Andere denken wie ich.Aber damit sind wir nicht aus der Not. Ich will einige Beispiele geben. Zwei Knaben aus meiner Gemeinde sind Lehrlinge bei Meistern einer nahe liegenden Stadt. Andere sind in meiner Gemeinde Lehrlinge, kommen von auswärts. Der Dienstbotenwechsel bringt einen immerwährenden Verkehr der Gemeinden hervor. Bei Gemeinden wie z. B. die hiesige ist eine Art amerikanischen Kommens und Gehens. Eine Familie verkauft und zieht ab, die andere zieht her. Bei Verehelichung ist derselbe Verkehr. Aus diesen Beispielen ergiebt sich doch, daß kein Pfarrer einen abgeschlossenen Wirkungskreis hat; wir sind, wie es ist, in der That Pfarrer eines größeren Ganzen. Eine Gemeinde wirkt auf die andere.
....Was brauchen wir in solchen Verhältnissen, um in solchem Zusammenhang (εἷς ἄρτος, ἓν σῶμα οἱ πολλοί ἐσμεν 1 Kor. 10, 17) verharren zu können mit den armen Schafen, die wir nicht um des Elends willen verkommen und verderben lassen können? Act. 20, 26–28.
Ich will es einfach sagen:
- 1) Geht mir ein Kind in Lehr und Dienst in eine andere Gemeinde, so kenne ich entweder die Pfarrer und Gemeinde, oder nicht. Im letzteren Falle warne ich und belehre, im ersteren handle ich nach Befund. Weiß ich, daß Pfarrer und Gemeinde so sind, daß man sich anschließen kann (ich mache die mildeste| Forderung, so weit zurück als das Wort Gottes es leidet) so rate ich zu; im umgekehrten Falle rate ich ab.
- 2) Kommt jemand aus einer anderen Gemeinde, so erkenne ich ihn nicht durch seine bloße Übersiedlung als meinen Abendmahlsgenossen, sondern er wird dies erst, wenn er auf den obigen Stellen des göttlichen Wortes mit mir eins geworden ist.
- 3) Kommt jemand, der mir nachweist, daß er um des Gewissens willen seinen Beichtvater aufgab und sonst Zeugnis der Unbescholtenheit hat, oder sich erbietet bis zum Abendmahlsgang erst nähere Bekanntschaft zu machen, so nehme ich ihn an.
Es ist allerdings ein Übelstand, daß man hiebei ganz seinem eigenen Auge, Urteil und Gewissen überlassen ist. Es wäre ja sehr zu wünschen, daß das nicht nötig wäre. Aber was kann das Kirchenregiment thun und helfen?.... Da wir uns aber bei aller Schwachheit und Mängeln doch nicht bloß, wie Luther sagt, in Gottes Wort „gefangen“ erkennen, sondern alle Tage mehr einsehen, daß ohne Anwendung jener Schriftstellen unser Amt zur Lüge, wir zu Heuchlern werden, so muß doch etwas gefunden werden, was uns bei unsern dem göttlichen Wort getreuen Überzeugungen und getreuen Handeln schützen kann.
- „Wenn bei den eingetretenen Verhältnissen Pfarrer oder Gemeinden besonderer Vorsicht gebrauchen in Aufnahme neuer Beichtkinder; so soll ihnen ihr Amt und Gang nicht erschwert werden, sondern sie sollen ihr Gewissen wahren, aber ihren Oberen zur Verantwortung bereit sein.“
Wie das zu formulieren wäre, kann man treuen Oberen wohl überlassen, sie werden es am ersten finden. Aber wie von Oben, so unchikaniert von Unter- oder Mittelstellen handeln zu dürfen, das muß unser sehnlich Begehren sein.
Es beruht auch das nur auf einer Unterscheidung des Parochial- und Beichtverbandes. Mein Pfarrkind muß nicht mein| Beichtkind, mein Beichtkind muß nicht notwendig mein Pfarrkind sein. Schon vor etwa acht (?) Jahren wurden, damals ohne diesen Drang, auf einer von uns in Nürnberg gehaltenen Pastoralkonferenz diese Unterschiede abgehandelt. Die damals anwesenden und eingeladenen Nürnberger Pfarrer widersprachen nicht, aber giengen nicht recht ein, weil man nicht sah wozu? Rudelbach gab bald darauf ähnliches. Doch verhallte eine der für Landeskirchen notwendigsten Lehren fast spurlos. Mir wurde es immer klarer, daß friedliche Scheidung und Bau des Reiches Gottes innerhalb der Landeskirchen nur durch den Ausbau der oben unterstrichenen Sätze möglich wird.Die neuesten Ereignisse in Bayern beweisen dies – und wenn wir auch gar nicht nach Konsequenzen jener Sätze, sondern einfach nach Zwang und Drang der Umstände handeln wollen, wie wir denn thun, so finden wir doch nichts anderes.
Mein geliebter Bruder! hilf uns doch! Macht es uns möglich, in Eurer Mitte zu leben und zu sterben! Es ist schon wahr, das Wenige, was wir brauchen, kann für die äußere Gestaltung des Kirchenwesens sehr folgenreich sein. Aber was sollen wir thun! Was könntest denn Du an unserer Stelle thun, wenn Dich obige Bibelstellen erfaßt hätten? Du bist in großen Nöten, aber auch wir, die wir das Heiligtum nicht vor die Hunde werfen sollen. Ich sags mit Jammer; denn ich bin ja selbst nichts wert und sage alle Tage: „Meine Seele liegt im Staube, erquicke mich nach Deinem Wort.“
O mein teurer Bruder, wie gern komme ich zu Dir nach München, wenn ich auf meinen Grundlagen verhandeln kann; sonst hälfe es nichts. Welch seliger Gewinn, wenn ich an Deiner Hand und mit Dir Gottes Wege gehen dürfte bis ins Grab!
Ich habe den HErrn gebeten, keine Aufregung zu haben: „Heiligen Mut, guten Rat, gerechte Werke“ erbitte ich Dir und| den teuern Brüdern in Deiner Nähe! Gottes Barmherzigkeit und Stärke sei mit Dir! Gibst Du mir vielleicht Rat, wie wir zu unserm Ziel durch eine bessere Eingabe kommen sollen, so will ich eine bessere nach Deinem Rat veranlassen.Friede mit Dir und Deinem treuen
Neuendettelsau, den 7. Mai 1857.
Harleß erwiderte Löhe am 6. Juni 1857 in einem ausführlichen Schreiben, in welchem er Löhe zunächst für seine eingehende Antwort dankt, weil er durch sie bestimmtere Einsicht in die Natur der von den Bittstellern gewünschten Abhilfe gewonnen habe, aber auch nicht verhehlt, daß seine schon in seinem vorigen Briefe erwähnten Hauptbedenken nicht gehoben seien, sondern ihr Gewicht sich für ihn nur verstärkt habe. Welcher Art diese Bedenken seien, legt er dann in einer umständlichen Auseinandersetzung dar, die um des daran sich knüpfenden sachlichen Interesses willen hier mitgeteilt zu werden verdient.
Ich muß da sofort zugeben, daß es sich jetzt um separatio nicht handelt; kann auch zugeben, daß es mit den falsi fratres jener und unserer Zeit nicht ganz gleiche Bewandtnis habe. Aber das muß ich von vorn herein bekennen, daß ich in keinem Falle eine Maßnahme rechtfertigen könnte, welche den oben genannten allgemeinen Grundsätzen so oder anders zuwider liefe.
Was Du nun zunächst vorschlägst, scheint diesen Grundsätzen nicht zu widersprechen. Es fragt sich nur, ob nicht andern, die ich nicht minder festhalten muß. Du verlangst „bei Stetigkeit Möglichkeit der Bewegung“, d. h. nach dem Satze: „Mein Pfarrkind muß nicht mein Beichtkind, mein Beichtkind nicht notwendig mein Pfarrkind sein“, Freizügigkeit in bezug auf Beichtverhältnis neben Fortbestehen des Parochialverbandes. Von der angeführten römischen Praxis glaube ich absehen zu dürfen. Abgesehen davon, daß sie in direktem Widerspruch mit der nach meiner Meinung wohl bemessenen Vorschrift Leo des Großen[1] steht, geht sie im Verlauf der Zeit Hand in Hand mit einer Geschichte der ärgerlichsten Streitigkeiten, die am wenigsten damit beseitigt werden| konnten, daß man (bezeichnend genug) die cura animarum den Mönchen freigab, die jura parochi aber in bezug auf die Geldbezüge reservierte. Was noch davon besteht, besteht wenigstens im größten Teil von Deutschland jetzt anders als früher. Was Wallfahrten und Missionen mit sich bringen, gehört nicht hierher. Die Exemptionen einzelner Mönchsorden haben fast überall der Verwaltung bestimmter Parochien oder gelegentlicher Aushülfe durch Ordensgeistliche Platz gemacht. Aber auch wo jene Exemptionen stattfanden oder noch stattfinden mögen, war eben die Vorbedingung die, daß neben der Parochialgeistlichkeit ein Ordensklerus bestand. Wo kein solcher besteht, fällt alle ratio sufficiens weg. Denn der oberste Grundsatz war und blieb der Cyprians: Singulis pastoribus portio gregis adscripta est, quam regat unus quisque et gubernet, rationem sui actus Deo redditurus.Nach diesem Grundsatz kann wenigstens kein Pastor dazu kommen, von sich aus, wenn er nicht ἀλλοτριοεπίσκοπος ist, nach einer cura alienarum ovicularum zu begehren, oder die Verantwortlichkeit für einen Teil der ihm Anvertrauten damit los zu werden, daß er andern Hirten diesen Teil zugewiesen wünscht. Daß übrigens in diesem Punkte die Praxis unserer Kirche von je strenger war, als die der spätern römischen, halte ich für einen besondern Vorzug. Wer die Art kennt, wie man dort das Beichten abmacht, wer, wie ich, von Katholiken selbst gehört hat, das Beichten falle ihm nicht schwer; er gehe zu einem Geistlichen, der ihn nicht weiter kenne, und hole eben seinen Beichtzettel, der wird mir recht geben.
Welchen haltbaren Vorgang haben wir also für die gewünschte „Beweglichkeit“? Unsere Väter hielten den Grundsatz Cyprians, den Satz jenes Karthaginiensischen Konzils, dem Augustin beiwohnte, und der da lautet: A nullo episcopo usurpentur plebes alienae, nec aliquis episcopus supergrediatur in dioecesi suum collegam, strengstens aufrecht. Was Luther zum 82. Psalm, was| er zu Gal. 1, 2 sagt, ist bekannt. Die strengen Bestimmungen der sächsischen Generalartikel vom 1. Januar 1580 § 9 werden im Gutachten der Wittenberger Fakultät vom 13. Mai 1656 (bei Dedeken) wiederholt. Sarcerius, der nicht der letzte ist, den Verfall der Kirchenzucht zu tadeln, bleibt bei ihnen. Heshusius duldet deren Auflösung nicht und sagt: „Es muß alles an seinem Orte und durch die, denen es Amtswegen gebühret, richtig und ordentlich erwogen werden, damit nicht das Amt der Schlüssel, welches der heilige Geist in der Kirche Christi durch die Diener Gottes führet, zusamt dem heiligen Nachtmahl wissentlich profaniert, der sündlichen Welt Lizenz Thür und Fenster geöffnet und unverantwortliche Konfusion in der Gemeinde Christi gestiftet werde.“ Und obwohl Hartmann, unter Berufung auf diesen seinen Vorgänger, den Fall vor Augen hat, wo ein ministerium in loco illo, quem incolit ovis aliena, corruptum est, und da Vorsorge verlangt, – bleibt er doch bei der allgemeinen Regel: Nemini, sub quocunque praetextu etiam fiat, licitum et permissum, alienam oviculam vel inscio vel invito pastore ordinario ad se trahere et ad absolutionem vel coenam s. admittere. Secus qui fecerint, non solum gravissimam aliquando reddituri Deo rationem, sed et disciplina ecclesiastica coercendi sunt. Nach dieser Vorschrift handelst Du selbst, indem Du Deinen Gemeindegliedern zum ausnahmsweisen Empfang des heiligen Abendmals an andern Orten Deine Erlaubnis erteilst.Du wirst sagen: Dann aber ist ja der Parochialverband nur mehr etwas äußerliches; die Scheidung ist da. Meine Antwort: Es ist dennoch der friedlichste Weg der unvermeidlichen von Gottes Wort gebotenen Scheidung. Durch das Zusammenbleiben verdirbt alles, auch was lebt; exempla trahunt. Durch Auseinandergehen werden viele gerettet; auch der abscheidende schlechte Teil kann seiner Nichtigkeit müde und besser werden. Die Kirchengeschichte zeigt hiefür Beispiele.
„Also willst Du eben doch die Scheidung?“ wirst Du fragen. Meine Antwort ist die: Ich will keine Scheidung, wenn sie vermieden werden kann. Es handelt sich aber ums Leben. Die besseren Glieder der Landeskirche und ihre gleichgesinnten Diener, denen man doch wahrlich auch das Recht zu leben und zu gedeihen in einer lutherischen Landeskirche zugestehen muß, müssen nach Christi und seiner Apostel Worten leben können und dürfen. Kann ihnen das werden, so mag die äußerliche Scheidung eintreten oder nicht; sie werden zufrieden sein. Jedenfalls scheiden sie nicht aus, weil sie sich das Recht zu leben zuschreiben müssen; sondern, wenn es nicht anders ist, lassen sie sich eben ausstoßen.“
Löhe verhehlte sich freilich nicht, daß die von ihm gewünschte Loslösung des Beichtverhältnisses vom Parochialverhältnis in der Ausführung auf große Schwierigkeiten stoßen würde, da „beide so nah an einander grenzen“. Es ist allerdings die Frage, ob die Übel der Landeskirchen eines solchen Remediums überhaupt nur| fähig sind. Harleß glaubte diese Frage verneinen zu müssen. So gab er denn Löhe zur Überlegung anheim, ob er nicht die Zurückziehung der Eingabe vom 22. April oder wenigstens die Substituierung einer anderen Eingabe veranlassen wolle. Etwas was in seinen Folgen zu einer chaotischen Auflösung ohne gleichen führen würde, könne vom Oberkonsistorium nicht gut geheißen werden. Nach dieser Seite könne eine abschlägige Antwort dem Kirchenregiment nicht schwer fallen. Er aber würde bei der jetzigen Lage der Dinge nichts tiefer beklagen, als wenn entweder vor dem Zusammentritt der Generalsynode oder auf ihr verlautbarte: Löhe und die Seinigen seien nun auch in Differenz mit den Kirchenbehörden. Ihn persönlich würde das beim Gedanken an die Sache schwerer drücken als alle Adressen des städtischen Janhagels zusammengenommen.Eine praktische Folge hatte somit die Eingabe nicht gehabt. Doch war eine kirchliche Frage von nicht geringer Wichtigkeit angeregt und von zwei allerdings sehr verschiednen Standpunkten aus beleuchtet worden. Harleß vertrat vom Standpunkt des Kirchenregiments aus das Interesse der Ordnung, Löhe vom pastoralen Standpunkt aus das Interesse des individuellen Heilsbedürfnisses und das Recht der persönlichen Freiheit des Christen. Ob eine befriedigende Ausgleichung beider Interessen in einer Landeskirche überhaupt möglich ist, steht freilich dahin.
- ↑ Ep. ad Maximum Antiochenum episc. wider das Predigen von Mönchen in den Parochialkirchen.
- ↑ Diese Aussprache Löhes über seine innere Stellung zu den Landeskirchen glauben wir durch eine andere Äußerung bei einer Versammlung der Gesellschaft für innere Mission im Jahre 1856 ergänzen zu sollen. Er sagte dort unter anderm: „Ich bin kein Lobredner der Landeskirchen, ich sehe in ihren Gestaltungen nicht das beste was es geben könnte: ich verwerfe sie aber auch nicht, ich erkenne das konservierende und pädagogische Element in ihnen, gönne es den Gemeinden, so wie sie sind, und wünsche vor allem eins, daß sie von den Sonderkirchen den rechten Ausbau der einzelnen Gemeinde, deren Hebung und Förderung möchten lernen und wenn es sein kann, hierin die Sonderkirchen übertreffen.“ Speziell auf sein Verhältnis zur bayerischen Landeskirche übergehend fährt er dann fort: Ich bin ein bayerischer landeskirchlicher Pfarrer, aber ich bin ein solcher landeskirchlicher Pfarrer, der von Anfang seines Amtslebens an bis hieher und von hiean bis an das Ende seiner Tage nicht zufrieden sein kann und wird, wenn die von ihm geliebte Landeskirche, die Kirche seiner süßen Heimat sich nicht losringt von den Schäden, welche die vergangene Zeit ihr angehängt hat, nicht entgegenringt den besseren Zuständen, welche sie haben kann. Ich weiß, daß gewisse Übelstände, namentlich die verfassungsmäßigen, bisher nicht gewichen sind und am Ende auch nur dann weichen können, wenn die innern Zustände der Landeskirche besser werden, und ein neuer Wein sich neue Schläuche schafft. Ich weiß aber auch, daß die Verfassung einer Kirche nicht die Hauptsache ist, daß sie aufhören kann für die Lebenden ein Unrecht zu sein, daß sie zum Kreuz und Leiden werden kann. Ich sehe ferner, daß es anders steht als früher. Diejenigen, welche durch Gottes Vorsehung an die Spitze unsrer Landeskirche gerufen sind, können durch meine Äußerungen an dieser Stelle nicht einmal berührt werden. Aber ich freue mich doch, sagen zu dürfen, daß ich oft schon mit Rührung und Freude die Früchte ihrer Verwaltung betrachtet, ihre Befehle und Anordnungen gelesen, mit Freuden vollzogen und die Überzeugung gewonnen habe, daß ihnen das Heil und die Wohlfahrt der lutherischen Kirche tief zu Herzen geht. Ein Mann kann keine größere Freude haben als da zu gehorchen, wo so wohl regiert wird. Ich sehe, daß hier eine andere Zeit gekommen ist... Einen Punkt aber, der aus dem Erbe voriger Zeiten mir weitaus am wehsten thut, darf ich hier ohne Heuchelei nicht verschweigen: „es ist die Abendmahlsgemeinschaft [467] mit Andersgläubigen“ etc. Daß diese Erklärung Löhes über seine Stellung zur bayerischen Landeskirche vor den Stürmen des Jahres 1856 abgegeben worden ist, benimmt ihr ihre Bedeutung nicht.
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