Zedler:Mechanismus

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Mechanismus cosmicus

Band: 20 (1739), Spalte: 23–27. (Scan)

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Mechanismus, Frantz. Mecanisme, wird in verschiedenem Verstand genommen. Eigentlich geht dieses Wort auf die durch Kunst verfertigte Maschinen, welches nachgehends auf die natürlichen Dinge gezogen worden, dahero auch Schelhammer in dem Tr. de natura sibi & medicis vindicata p. 120 damit nicht zufrieden ist, daß man sich desselben, da es unrein, ungewöhnlich und die Sache nicht ausdrucke und in der Physic in uneigentlichem Verstand müsse genommen werden, bediene. Inzwischen ist es nun bey den Natur-Lehrern gäng und gäbe, ob sie ihm schon verschiedene Bedeutungen beylegen, die zwar in der Haupt-Sache zusammen stimmen. Denn da verstehet man durch deen Mechanismum zuweilen die Würckungen der natürlichen Cörper, so fern selbige aus deren unterschiedenen Beschaffenheiten, welche die Figur und Bewegung ausmachen, entstehen; bißweilen aber ist er so viel, als mechanisch philosophiren, oder vielmehr die Art und Weise, die Würckung der natürlichen Dinge aus ihrer mechanischen Structur zu erklären, wovon der Artickel: Mechanisch philosophiren nachzusehen. Die gewöhnliche Deutung ist, daß man durch den Mechanismum die wesentliche Beschaffenheit der Cörper verstehet, krafft deren alles veränderliche in der Welt, welches natürlicher Weise erfolget, dem Wesen der Cörper u. ihrer Natur gemäß, oder nach den Gesetzen der Bewegung sich ereignet, dergestalt, daß man es aus den Wesen der Cörper und den Regeln der Bewegung auf eine verständliche Art erklären kan. Man pflegt ihn in einen allgemeinen und besondern einzutheilen. Jener, welchen Boyle mechanismum cosmicum nennet, sey ein Begriff aller Mechanischen Beschaffenheiten, so die Natur des gantzen Welt-Gebäudes angiengen, daß er also die gantzen Cörper des Welt-Gebäudes, die Erde, Sonne, Mond und andere Gestirne beträfe, siehe davon Mechanische Verknüpffung der Dinge. Dieser, der besondere Mechanismus sey die wesentliche mechanische Beschaffenheit der Cörper von einer gewissen Art z. E. der Mechanismus der Thiere, der Pflantzen, der Metalle, u. d. g. Diese Methode mit der Physic umzugehen, ist bey ihren meisten Liebhabern in grossem Ansehen, und meinet Joh. Keill in praef. ad introd. ad veram physicam, daß auf der Geometrie die gantze Physick beruht, deren Hindansetzung so viele unglückliche Erfolge darinnen verursachet, zu geschweigen, wie Franciscus Bayle in instit. phys. den Gebrauch der Mechanick in Untersuchung der natürlichen Cörper erhebet. Man berufft sich auf die Proben, die man damit gemacht, wenn unter andern Cartesius und nach ihm noch sorgfältiger Newton und Hugenius die Natur des Lichts, ingleichen ebenfalls Cartesius nebst vielen andern die Meteora; Borellus die Bewegung der Thiere, Joh. Bernoullius die Beschaffenheit von des Scheins Zurück-Strahlungen (reflexionibus) und gebrochenen Strahlungen (refractionibus) Newton in den principiis mathematicis philosophiae naturaiis so viele natürliche Würckungen in Ansehung der Schwere, Elasticität, der Residentz flüßiger Cörper u. s. w. Gregorius in elementis astronomiae physicae & Geometriae die Lehre von den Bewegungen der Planeten: viele andere zu übergehen, aus denen mechanischen Principien deutlich erkläret und erläutert. Die mechanische Physick ist nicht gestern, oder ehegestern aufkommen, angesehen dieselbige schon in den ältesten Zeiten bekannt gewesen. Es berichtet uns die Philosophische Historie, daß gleich Anfangs die Philosophen zweyerley Anfänge, oder Principien zum Grund der natürlichen Dinge gelegt, in dem einige bloß aus der Gestalt, Grösse, Schwere, Gegeneinanderhaltung und Mischung der Materie alles in der Natur herleiten wollen, etliche hingegen nebst der Materie zugleich noch ein würckendes Principium, welches sie Geist hiessen, gesetzet, davon jene eben die Mechanici waren. Unter den Griechischen Philosophen suchte man in der Ionischen Schule die Natur aus flüßigen Principien zu erklären und herzuleiten; in der Eleatischen hingegen kehrete man die Sache um und fieng an zu lehren, daß die Natur aus dem festen ins flüßige wircke, folglich werde hiermit der Grund zu der mechanischen Physic geleget, welches zu Xenophanis und Parmenidis Zeiten geschahe. Was Leucippus, Epicurus und Democritus von den Atomis lehrten, beruhete ebenfalls auf mechanischen Füssen, da sie diesen so kleinen Theilgen, welche sie Atomos nenneten, allerhand Figuren, und gewisse Bewegungen beylegten. Aristoteles aber wird ohne Grund unter die Mechanicos gezehlet, indem seine Principien die Materie und die Form so abstract und metyphysisch waren, daß man sie nehmen konnte, wie man wolte, da die Materie das leidende; die Form aber das wirckende Principium seyn sollte. Es sind zwar verschiedene, so ihn vor einen mechanischen Naturlehrer ansehen, als der nicht nur von der Mechanick wohl gesprochen, sondern auch aus den Eigenschafften der Materie, die in der Natur vorkommende Würckungen herzuführen sich angelegen seyn lassen, wie bey dem Parcker de deo & provid. div. p. 373. zu lesen; man siehet aber bey genauer Ueberlegung gar wohl, daß er von der Gestalt und Bewegung der Materie nicht weniger abstractiv geredet. Nachdem zu den neuern Zeiten die Mathematick sehr empor kommen, haben die meisten die Physick mechanisch abgehandelt, unter denen Cartesius und Gassendus die vornehmsten waren, die auch den grösten Anhang erhielten. Es staffirte Cartesius die Lehre vom Mechanismo, welche sehr alt war, von neuen aus, und was er also sagte, war in der That nichts neues, wie sich viele fälschlich eingebildet, siehe Huetium in censura philosophiae Cartesii cap. 8. §. 8. An Einwürfen, die man den Mechanicis, sonderlich Cartesio und seinen Anhängern gemacht, hats nicht gefehlet. Ueberhaupt hat man eingewendet, es beruhe das gantze Werck auf Möglichkeiten und Erdichtungen, da sie der Materie Figuren und Händel andichteten, daß dem Leser fast dafür graue; daher sie auch allezeit vom können auf das seyn schliessen würden, und in gantz besondern natürlichen Würckungen sich gar nicht zu helffen wusten. Die grosse Schwierigkeit aber ereignete sich wegen des wirckenden Principii, wie nehmlich aus der Materie die Bewegung könne geleitet werden, die sich selbst nicht bewegen könne. Wolte man gleich sagen, daß Gott der Materie die Bewegungs-Krafft beygeleget, so würde doch diese Meinung bey den gemeinen mechanischen Lehrsätzen, da die Bewegung indefinite angesehen wird, nicht bestehen können, auch aus der richtigen Ordnung der Bewegung bey den natürlichen Dingen das Gegentheil zu erkennen seyn, zu geschweigen, wie man Gott und die Natur offt zu einem Künstler machte, der sich nach den mechanischen Gesetzen richten müste, da doch die gröste Kunst ein Affe der Natur wäre. Rüdiger hat seine physicam divinam unter andern auch den Mechanicis und Cartesianern entgegen gesetzet, und meinet, man müsse zwischen dem mathematischen und physischen Mechanismo einen Unterschied machen. Jener beruhte nur auf die Eigenschafften der Materie, womit die Mathematicklehrer zu thun hätten, daß man aus deren Beschaffenheit alles in der Natur herleiten wolte; dieser aber käme auf die Natur des Cörpers an, so fern dieselbige in der Elasticität, daß er sich durch eine bestimmte Bewegung ausdehne und zusammen zöge, und nicht schlechter dings in der Extension bestünde. Zu Wittenberg ist 1706 Daschitzkii disput. de mechanismo corporum naturalium heraus kommen. Uebrigens ist zu gestehen, daß man durch die Verleugnung des Mechanismi den Fortgang der Erkenntnis der Natur aufhalte; aber durch den Mißbrauch desselben verfället man auf Irrthümer, welche der Erkenntnis Gottes nachtheilig sind. Es bestehet aber der Mißbrauch des Mechanismi darinne, wenn man in dem Vorurtheil stehet, man könne alle Begebenheiten der Natur aus einigen gesetzten Gründen, durch die Vernunfft erklären und daher auch dasjenige der Gestalt und Krafft gewisser Particulen lediglich und allein zuschreibet, was doch von einer gantz anderen und höhern Ursache herzuleiten ist; wohin insonderheit gehöret, wenn man auch die Wunderwercke mechanisch erklären will. Selbst Cartesius, so grosses Nachdenken er sonst hatte, war mit diesem Vorurtheil behafftet, dadurch er denn verleitet worden ist, in der Physick mehr zu erdichten, als zu erklären. Sonst kommen noch zwey Fragen vom Mechanismo vor. Man fragt, ob derselbe auch in der That schon zulänglich sey, die organische Cörper der Thiere hervorzubringen, ohne daß man anderer plastischen Naturen dabey von nöthen habe? Leibnitz antwortet hierauf: allerdinges, woferne man nur hinzusetzet, daß die Cörper, die erzeuget werden, in dem Saamen dererjenigen Cörper, von welchen sie erzeuget werden, und so fort in dem allerersten Saamen, schon allerdinges eine organische Präformation empfangen haben; als welches bloß und allein von dem allmächtigen und allerweisesten Urheber aller Dinge herkommen kan, der alles bald Anfangs nach der vollkommensten Ordnung eingerichtet, und also auch alle zukünfftige Ordnung und Kunststücke in den Saamen geleget hat. Ein mehreres hiervon siehe Leibnitz in der Vorrede zu seiner Theodicä, Ferner wird gefraget, ob denn der Mechanismus eine unvermeidliche Nothwendigkeit, oder nicht vielmehr bloß Wahrheit und Göttliche Weißheit in der Welt einführe? Wolff und nebst ihm andere haben erwiesen, daß der Mechanismus keinesweges eine unvermeidliche Nothwendigkeit, sondern bloß Wahrheit und Göttliche Weißheit in der Welt einführe, theils weil Gott so wohl das Wesen der Dinge, als auch die Gesetze der Bewegung anders hätte einrichten können, er aber die Einrichtung dergestalt gemacht, daß alles in der Welt mit Raison geschiehet, und eines als ein Mittel anzusehen ist, wodurch das andere als eine Absicht erreichet wird (Metaph. §. 558. 559. und 1037), und dieses hat Wolff in der Absicht erwiesen, damit man nicht durch Verleugnung des Mechanismi den Fortgang der Natur aufhält; aber auch nicht durch den Mißbrauch desselben auf Irrthümer verfället, welche der Erkenntnis Gottes nachteilig sind.