Zur Reisezeit

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Titel: Zur Reisezeit
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 496, 497, 514
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1898
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger G. m. b. H. in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[496]
Datei:Die Gartenlaube (1898) b 0496.jpg

Zur Reisezeit.
Nach einer Originalzeichnung von L. Blume-Siebert.

[514] Zur Reisezeit. (Zu dem Bilde S. 496 und 497.) Trotz der kühnen Eroberungszüge, welche die Eisenbahn in die Welt des Hochgebirgs macht, erklingt auch heute noch auf hundert Alpenstraßen das Horn des Postillons. Eine Postfahrt über einen malerisch umrahmten Alpenpaß hat für den Reisenden, wenn das Wetter nicht gar zu schlecht und der Wagen nicht zu vollgepfropft ist, eine Fülle von Annehmlichkeit und Reiz. Der verhältnismäßig langsame Trab der Pferde ermöglicht dem Reisenden, viel mehr von der Schönheit der ihn umgebenden Welt wahrzunehmen, als es die Eisenbahnfahrt in hastigem Fluge gestattet. Zumal auf einem der Außensitze vorn beim gesprächigen „Schwager“ gewährt schon die Fahrt selbst eine Quelle fröblichen Genießens. Die Anstrengung, welche den Pferden die Bergfahrt bereitet, macht aber auch des öfteren ein Rasten vor gemütlichen Wirtshäusern nötig: die müden Gäule müssen verschnaufen, Futter und Wasser bekommen und der brave Postillon den eignen Durst stillen. Diese kurzen Unterbrechungen der Fahrt in immer neuen Orten, unter neuen Menschen sind auch für die Reisenden ein wahres Labsal. Fröhliches Leben entwickelt sich vor der gastlichen Herberge, wo Wirt und Kellnerin mit Eifer dabei sind, für Erfrischung und Unterhaltung der Gäste zu sorgen. Mit entzückten Blicken betrachtet der Naturfreund die Umgebung, die immer mehr den Charakter des Hochgebirgs annimmt. In tiefen Zügen atmet der von der Haft im Postwagen Befreite die erquicklich reine frische Luft, die von den Gletschern herniederweht.

Solch eine kurze Erholungspause von Postpassagieren in einem Hochgebirgsdorf veranschaulicht uns das Bild Blume-Sieberts mit heiterer Laune. Daß wir uns im bayrischen Hochland auf einer der Alpenstraßen befinden, die rechts und links vom Wettersteingebirg nach Tirol hineinführen, läßt uns nicht nur die schmucke Werdenfelser Tracht der flinken Kellnerin erkennen; auch die drei „halben“ Maßkrüge, die sie in der Rechten trägt, orientieren uns darüber. Der „Pfiff“ Rotwein in ihrer Linken verkündet die Nähe der tiroler Grenze. Das junge Paar, das dicht bei der Postkutsche steht und in rosigster Laune dem kleinen Dorfkind eines seiner Alpenrosensträuße abkauft, befindet sich offenbar auf der Hochzeitsreise. Es wird ihr Gepäck sein, das der „Schwager“ soeben auf dem Verdeck zu dem übrigen thut. Sie haben schöne Tage hier in der Umgebung verbracht und schließen sich nun den anderen Passagieren an, die schon von weiterher – von Garmisch oder Mittenwald – kommen. Das Fernrohr auf einem der Tische ermöglicht einem anderen Paar, die nächste Gebirgswand auf Gemsen zu inspizieren. Die im Vordergrund sitzende junge Frau, deren Kleine mit so viel Behagen die Hühner füttert, hat in ihrem Reisehandbuch vom Vorkommen der Gemsen in diesen Bergen gelesen. Auch die alleinreisende Dame hinter ihr nimmt an der Frage reges Interesse, so daß sie ihre Lieblingsbeschäftigung, auf illustrierten Postkarten ihren Namen zu verewigen, unterbricht und sich beim Wirt nach den Hochtouren erkundigt, die man von hier aus ins Gamsgebiet machen kann. Der zählt ihr natürlich mit Feuereifer alle möglichen und unmöglichen Spitzen und Joche auf, und das Erscheinen des Jager-Loisl, der eben von der Jagd heimkehrt, unterstützt seine Behauptungen von dem fabelhaften Gemsenreichtum der Gegend. Mit Interesse lauscht der Rede des Wirts der junge Stadtherr im Gebirglerkostüm, der sich eben aufs Stahlroß schwingen will – auch der Jagd gehört sein Interesse; doch aufhalten kann ihn jetzt selbst dieses verlockende Thema nicht: er hat Großes vor – die Post bis zur Endstation ihrer Fahrt um eine Stunde zu schlagen!