Zweihundert deutsche Männer in Bildnissen und Lebensbeschreibungen/Christoph Friedrich Perthes
Dieser mit Ruhm und Ehren genannte ächt deutsche
Mann, eine der ausgezeichnetsten Zierden seines Standes
wurde zu Rudolstadt geboren, wo sein Vater fürstlich
Schwarzburgischer Steuersekretär war. Dort besuchte
der Sohn, der früh des Vaters durch den Tod beraubt
ward, unter die Obhut eines Oheims und dessen
Schwester gestellt war, und von dem Geschwisterpaare
vom siebenten Jahre an mit Liebe gepflegt wurde, das
Gymnasium, machte aber in den Wissenschaften, die
dasselbe lehrte, keine wesentlichen Fortschritte; dafür las
er desto mehr Bücher, wie sie sich ihm gerade boten,
und erbaute sich eine Welt des Phantastischen und Idealen,
die noch genährt wurde durch den schon längere Zeit
vergönnten Aufenthalt auf dem romantischen Schlosse
Schwarzburg; dann wurde er zum Buchhändler bestimmt,
und fand 1787 eine Lehrlingstelle in Leipzig.
Da für ihn Lehrgeld nicht bezahlt wurde, so wurde
contraktlich festgesetzt, daß er sechs Jahre lernen sollte.
Die Lehrzeit war streng und mit allem Druck verbunden,
der altherkömmlich war, doch ging Perthes durch eine
gute Schule und bildete sich zunächst zu einem praktisch
brauchbaren Gehülfen aus, nebenbei suchte er sich
Kenntnisse und Ausbildung durch gute Bücher anzueignen.
Sein Prinzipal schenkte ihm ein halbes Jahr
seiner Lehrzeit und empfahl Perthes an den Buchhändler
Hoffmann in Hamburg, der ihn nach der Ostermesse
1793 gleich mit sich nahm. Dort gefiel Perthes sich
äußerst wohl, obschon der Arbeit fast eben so viele
war, wie in Leipzig; er trat mehr in das große gesellige
Leben ein, das voll neuer Bewegungen war
durch die französische Revolution, durch die zahlreich
dort sich zusammenfindenden Emigranten und andere
Fremde; das warf manchen zündenden Geistesfunken in
die Seele des Jünglings. Er gewann neue Weltanschauung,
neue Freunde, denen er lieb wurde, wie
sie ihm, und im Jahre 1797 trat Perthes aus Hoffmanns
Geschäft um ein eigenes selbständiges Geschäft
und zwar als bloßer Sortimentsbuchhändler zu beginnen,
was noch gar nicht Brauch war im deutschen Buchhandel.
Er verheiratete sich mit Caroline Claudius,
der Tochter des beliebten Wandsbecker Boten, hatte
manche Geldverlegenheit zu überwinden, welche in
[Ξ] Folge der politischen Verhältnisse Hamburgs, namentlich
im Jahre 1799 über ihn hereinbrach, bis er in Johann Heinrich Besser,
welcher sein Schwager wurde,
einen liebevollen Freund und einen äußerst geschäftskundigen
und thätigen Theilnehmer fand. Das Geschäft
hob, vergrößerte, erweiterte sich, freilich nicht
stets ohne manche dringende Sorge, es konnte ein Haus
am Jungfernstieg gekauft werden, und der Laden wurde
der schönste und reichhaltigste vielleicht in ganz Deutschland.
Nun wendete sich das Geschäft dem Verlage zu
und überdauerte auch das unheilvolle Jahr 1806, während
Perthes mit den bedeutendsten literarischen Persönlichkeiten
regen Verkehr unterhielt und nicht minder
auch lebhaften Antheil an dem nahm, was die Zeit
bewegte und was sein deutsches Gemüth nicht ohne
Schmerz sah, jene Hinneigung zu Napoleon dem Tyrannen,
und zwar von denselben Männern, die vorher
der die Ketten der Tyrannei zu brechen verheißenden
Revolution ihr Hosiannah gesungen hatten. Perthes
hielt die ehrenhafte deutschvaterländisch gesinnte
Richtung fest, die sich nimmer blenden ließ von all der
französischen Gaukelei und dem Geschmeichel um den
gräulichen Despoten, der in Hamburg noch Bewunderer
fand, während er Hamburg zertrat. Auch Perthes
verlor alles Erworbene, rang sich aber wieder
kräftig empor und galt bald wieder als der erste
Buchhändler Deutschlands, die gewaltige erregte Zeit
bildete ihn zu einem politischen Charakter aus; als solcher
wirkte er, wie er immer konnte, für deutsche Gesinnung,
und that dieß namentlich durch die Gründung
des mit dem Jahre 1810 beginnenden deutschen Museums.
Leider mußte dasselbe bald aufgegeben werden,
und auf das buchhändlerische Geschäft legte sich der
furchtbare Druck der willkürlichen und kenntnißlosen
französischen Tyrannei, die nur Perthes Geist theilweise
zu umgehen und zu täuschen verstand. Als Hamburg
endlich im Jahre 1813 aufzuathmen begann und Hoffnungen
sich am Brande Moskaus belebt hatten, trat
Perthes an die Spitze heimlich beabsichtigter Bürgerbewaffnung,
um sich so oder so ihrer französischen
Peiniger zu entledigen – es brachen Aufstände aus,
gleichwohl geschah nicht das große und rechte; die Franzosen
zogen ab, Kosacken zogen ein – dann wurde
Hamburg beschossen, und das schwerste Verhängniß
brach über die unglückliche Stadt durch Davoust herein.
Perthes flüchtete zuerst die Seinen nach Wandsbeck,
dann floh er selbst – was er in Hamburg besessen,
verlor er alles; die Buchhandlung ward vernichtet, sein
Name geächtet – dennoch verlor er nicht den treuen
Muth – er schloß sich der hanseatischen Legion an,
die im Nordwesten Deutschlands gegen Frankreich die
Waffen trug, und half in Frankfurt als Mitabgeordneter
der Hansestädte deren neue Freiheitsacte ausarbeiten.
Bald konnte das Geschäft mit Bessers unermüdlicher
Hülfe aufs neue beginnen, und zugleich
trat Perthes thätig handelnd zum Besten der nothleidenden
Handwerker und Armen Hamburgs auf, und
widmete sich mit aller eifrigen Liebe dem Gemeinwesen.
Vielerlei Reisen und mannichfache Geschäfte, wie ein
reger Briefwechsel mit zahlreichen Gelehrten, Staatsmännern
und Freunden füllten sein Leben aus; endlich
fand er sich bewogen, 1822 nach Gotha zu ziehen,
welche Uebersiedelung am 20. März erfolgte, nachdem
sein langjähriger Freund und Geschäftstheilhaber Besser
und dessen Schwiegersohn L. J. W. Mauke die Handlung
allein zu führen übernommen, welcher fortan die
Firma Perthes, Besser und Mauke blieb. Kurz vor
dem Hinweggang nach Gotha entriß der Tod Perthes
seine treue Lebensgefährtin. Er selbst wirkte auch am
neuen Wohnort mit reichem Segen, beförderte durch
den Verlag gediegener Werke die Wissenschaft, förderte
den deutschen Buchhandel auf vielfache Weise, wirkte
mit für die Begründung des buchhändlerischen Börsenvereins,
dessen Vorsteher er wurde, und den Bau der
Buchhändlerbörse in Leipzig. Seit dem Tode des berühmten
und in Wahrheit verdienten Mannes setzt
sein Sohn Andreas das Geschäft in Gotha mit allem
Eifer fort.