Benutzer:Attributr/Österreichisch-französisches Memorandum
Memorandum
Im Zuge der Besprechungen über den ehesten Abschluß des österreichischen Staatsvertrages in Wien wurde dem Geschäftsträger der französischen Republik, Herrn außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister Roger Lalouette, im Hinblick auf dessen Erklärung, daß die französische Regierung bereit ist,
1. auf alle Forderungen gegenüber der österreichischen Regierung oder österreichischen Staatsangehörigen aus der Lieferung von Importgütern zur Versorgung der österreichischen Zivilbevölkerung in der Zeit vom 8. Mai 1945 bis zum Datum des Inkrafttretens des Staatsvertrages – ausgenommen Transaktionen kommerziellen Charakters – zu verzichten,
2. auf die Rückstellung folgender in Frankreich im Verlauf der deutschen Besetzung gewaltsam oder durch Zwang entzogener und auf österreichischem Gebiet allenfalls bedindlicher Güter, hinsichtlich derer der Rückstellungsanspruch durch Artikel 2 des Übereinkommens vom 18. Juli 1949 vorbehalten wurde, und zwar
a) der Aktien, übertragenen Wertpapiere und Devisen und Edelmetalle (geprägt oder ungeprägt) und
b) rollenden Materials der Eisenbahn zu verzichten,
3. auf alle Rechte, die ihr aus ihrem Eintritt in die Rechte der tchechoslowakischen Regierung hinsichtlich der Rückstellung der in der französischen Besatzungszone Österreichs gelegenen Güter erwachsen seien, zu verzichten,
von den Herren Bundeskanzler Ing. Julius Raab, Vizekanzler Dr. Adolf Schärf, Bundesminister für die Auswärtigen Angelegenheiten Dr. h. c. Leopold Figl, Staatssekretär für die Auswärtigen Angelegenheiten Doktor Bruno Kreisky die Erklärung abgegeben, eine angemessene Zeit nach Inkrafttreten des Staatsvertrages, längstens aber binnen 18 Monaten für die Herbeiführung folgender Beschlüsse und Maßnahmen Sorge tragen zu wollen:
I. Die nachstehenden Arten von im Lauf der deutschen Besetzung in Frankreich gewaltsam oder durch Zwang entzogenen und allenfalls in Österreich wiedergefundenen Güter werden an Frankreich oder französische Staatsbürger zurückgestellt werden:
a) kulturelle Güter, Kunstwerke, Kunstgegenstände und Gegenstände aus Sammlungen,
b) Schmuck, Edelsteine, Stilmöbel und Musikinstrumente, sofern ihr gegenwärtiger Wert 100.000 Schilling übersteigt.
II. Als Kompensation dafür, daß das in Ranshofen befindliche elektrische Material und das in Moosbierbaum befindliche Material für Erdölgewinnung nicht naturaliter zurückgestellt werden konnten und daß Frankreich auf alle Ansprüche hieraus verzichtet, wird zur endgültigen Regelung eine Pauschalzahlung von 25 Millionen Scchilling, zahlbar in zwei gleichen Jahresraten, die erste ein Jahr, die zweite zwei Jahre nach Inkrafttreten des Staatsvertrages an die französische Regierung geleistet werden.
III. Die österreichische Bundesregierung wird zur Herstellung der Interessen der Société Française Industrielle et Commerciale de Pétroles (SFICP) an dr Petroleumraffinerie in Schwechat (NOVA)
a) unverzüglich nach dem Inkrafttreten des Staatsvertrages auf ein offenes Konto auf den Namen der SFICP eine angemessene Entschädigung zu überweisen, deren Höhe unter Bedachtnahme auf eine diesbezügliche Abrechnung durch ein Übereinkommen zwischen der österreichischen Bundesregierung und der französischen Gesellschaft bestimmt werden wird;
b) innerhalb eines Zeitraumes von 18 Monaten nach Inkrafttreten des Staatsvertrages die Investierung der so geleisteten Entschädigungssumme in die Industrie oder den Handel mit Erdölprodukten in Österreich erleichtern, so zwar, daß die französische Gesellschaft auf den Stand ihrer Interessen und ihrer Tätigkeit vor dem Anschluß gebracht wird;
c) Im Falle, daß die Regelung, welcher die im östlichen Österreich gelegenen Erdölraffinieren gegenwärtig unterliegen, zugunsten anderer Angehöriger der Vereinten Nationen geändert werden sollte, die SFICP nach Maßgabe dieser Änderungen in die Rechte und Interessen, die sie am 13. März 1938 hinsichtlich der Raffinerie Schwechat besaß, im Umfang der Punkte 7 und 9 des anglo-amerikanischen Memorandums vom gleichen Tage wiedereinsetzen.
Ausgefertigt in zwei Exemplaren in deutscher und französischer Sprache, wobei beide Texte gleichermaßen authentisch sind.
Zur Beurkundung des oben Angeführten wird dieses Memorandum paraphiert.
Wien, am 10. Mai 1955