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ADB:Achenwall, Sophie Eleonore

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Artikel „Waltherin, Sophie Eleonore“ von Gustav Roethe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 41 (1896), S. 124–125, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Achenwall,_Sophie_Eleonore&oldid=- (Version vom 16. Dezember 2024, 00:59 Uhr UTC)
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Waltherin: Sophie Eleonore W., Dichterin des 18. Jahrhunderts, wurde geboren am 6. Januar 1723 zu Gießen, wo ihr Vater, Heinr. Andr. Walther, damals Gymnasiallehrer und Privatdocent war. Bald wurde er nach Worms und dann als Pastor nach Frankfurt a. M. berufen. Ein verstandesklarer, strebender Geist, lebte er der Ueberzeugung, daß die Wissenschaft der Religion nur zur Stütze dienen könne, und in dieser Zuversicht, die auch seine popularphilosophischen ’Ersten Gründe der Weisheit und Tugend‘ beherrscht, erzog er seine Kinder. Der lernbegierigen Sophie Eleonore zumal ertheilte er einen Unterricht, der weit über das hinausging, was sonst zur Frauenzimmerbildung der Zeit gehört: sie und eine Freundin führt der von vornehmen Zöglingen vielumworbene und gesuchte Pädagoge selbst in die Weltweisheit ein; sie lernt Französisch und Latein; ja sogar Griechisch und Hebräisch treibt sie, um das heilige Original verstehn zu können. Die poetischen Neigungen der W. scheinen mehr durch ihre Mutter und deren Familie befördert zu sein; insbesondere auch durch ihren jüngeren Bruder Friedr. Andr. W. (geboren 1727, seit 1747 Magister und Docent in Göttingen), dessen ’Proben poet. Uebungen‘ schon 1746 durch den bekannten Frankfurter Pastor Joh. Phil. Fresenius veröffentlicht wurden. Er wird die Schwester auch veranlaßt haben, ihre ’Gedanken in gebundener Rede auf die Religions-Spötter und Gottes-Läugner‘ der deutschen Gesellschaft in Göttingen vorzulegen; hier, wo man mit Ehrungen des gelehrten Frauenzimmers eine geschmacklose Verschwendung trieb, wurde sie am 2. August 1749 zum Ehrenmitglied gewählt, und die Helmstedter Gesellschaft folgte dem Beispiele, das auch Jena nachahmte, als der eifrige Bruder wider Wissen und Willen der W. ihre ’Gedichte‘ (Gött. 1750) hatte drucken lassen. Diese schlanke ’erste Sammlung‘, die auch die einzige blieb, zeigt uns die Dichterin in angeregtem poetischen Verkehr: mit einem Baron v. C. (jedenfalls Creuz) tauscht sie poetische Complimente aus, und ihrer liebsten Freundin, der lieblichen Maria Magdalena v. Klettenberg, durch die ’Olorena‘ auch mit den Kreisen der schönen Seele in Berührung kam, reicht der W. Muse die Siegespalme. October 1751 suchte der Göttinger Nationalökonom Prof. Achenwall die ihm durch ihre Dichtungen bekannte W. in Frankfurt auf; der schnellen Verlobung folgte am 24. Mai 1752 die Heirath. Aber das Eheglück des Paares ist kurz: Sophie Eleonore stirbt am 23. Mai 1754 im Kindbett. In prunkenden akademischen Gedächtnißreden feiern Joh. Math. Geßner und der Secretär der deutschen Gesellschaft Joh. Phil. Murray das Andenken der Geschiedenen; aber auch der treffliche Karl Friedr. v. Moser (Philo) nimmt aus dem erschütternden Todesfalle Anlaß, ihrer Freundin Maria Magdalena ’bey dem Grabe der theuren Olorena‘ ein in tief pietistischem Geiste gehaltenes ’Trost-Schreiben über den Tod der Freunde‘ zu widmen.

Frau Prof. Achenwall hat menschlich, das geht aus allen diesen Nachrufen hervor, unvergleichlich mehr bedeutet als dichterisch. Frömmigkeit war ihr zeitlebens der köstlichste Besitz; er verlieh ihr eine stille Ruhe, die sie wohlthuend ihrer Umgebung mitzutheilen wußte. Die Frauenkunst der Haushaltung schien [125] ihr stets die Hauptsache; so sehr sie durch regelmäßige Bildung und einnehmende Lebensart anzog, so bescheiden war sie in der Unterhaltung, und geflissentlich verbarg sie ihre Gelehrsamkeit, der sie allenfalls ein paar ’geruhige Abendstunden‘ gönnte. In Göttingen hat sie sich schriftstellerisch denn auch nur durch einige Beiträge zum 3. Bande von Heinr. Eilh. Schröder’s „Meisterstücken moralischer Abhandlungen Englischer und Deutscher Sittenlehrer“ betheiligt, indem sie Proben aus englischen Lieblingsmoralisten aushob und in freier Bearbeitung verdeutschte. Sie selbst mag die engen Grenzen ihres Könnens besser gefühlt haben, als ihre lauten Bewunderer. Nicht ganz freilich fehlt der Ehrgeiz der gelehrten Frau ihren ’Gedichten‘: in einem Sendschreiben an die Jungfer Löberin, das sie 1750 im Namen der deutschen Gesellschaft zu Helmstedt verfaßte, rühmt sie stolz:

Ja auch der schwächste Theil, das weibliche Geschlechte
Prangt durch Gelehrsamkeit – – – –
Sonst hatte es sich nie zu forschen unterwunden,
Als ihm der Männer Neid die Augen zugebunden,
Und ob man es gleich noch in engen Grenzen hält;
So dringt es dennoch durch! – – – – –

Hier, wo sie zu der gefeierten Poetin redet, gibt sie ihrem Herzen einen Stoß; sonst zeigt sie wol Sehnsucht nach Weisheit und Gelehrsamkeit; aber ihr ’bewußtes Unvermögen‘ hält sie von Geschmacklosigkeiten zurück. Ihr poetisches Ideal war jedesfalls Haller, an den sie z. B. in der Schilderung vergangner deutscher Barbarei nahe sich anschließt; schon die Verbindung von Wissenschaft und strenger Frömmigkeit sicherte dem großen Gelehrten in ihren Kreisen hohes Ansehen. Aber sie vermag mit seiner gedankenvollen Schwere nicht recht etwas anzufangen, viel weniger als selbst ihr Altersgenosse und halber Landsmann, der Freiherr v. Creuz. So geben die gewandten, aber leichtwiegenden Verse des Bruders das bequemere und nähere Vorbild her. In Alexandrinern, Blankversen und troch. Tetrametern verficht sie mit billigen Gründen die Unsterblichkeit, preist sie die Zufriedenheit, feiert sie Gottes Macht und Güte: den Religionsspötter widerlegt sie spielend, indem sie ihn vor dem Gericht schaudern läßt, und den Geistern, die stets im Sause leben, hält sie stille Beschaulichkeit als wahres Glück entgegen. ’Zwar schlecht doch wol gemeint‘, das selbstertheilte, freilich nicht in unserm Sinne gemeinte Prädicat verdienen ebenso ihre allzu harmlosen religiösen Gedichte wie namentlich ihre äußerst banalen und leeren Gelegenheitspoeme. Von poetischer Gestaltungskraft hat sie keine Ahnung; arm wie an Gedanken und Vorstellungen ist sie an Bildern und Worten, und wenn ihrer Rede wenigstens ein gewisser Fluß eignet, so sind ihre Verse recht incorrect, hiatenreich, durch schlechte Betonungen (Friedsamé, lebháfter, Gottlósen) und böse Reime (“Höh’: Allgütigé) entstellt. Sie erhebt sich ebenso, wie alle die andern Dichterinnen, die man damals in Göttingen so bereitwillig feierte, in Nichts über das Maaß des naivsten Dilettantenthums. Aber der Vorwurf darf nicht die edle Frau treffen, nur die kritiklosen Männer, die sie in eine ungewollte Oeffentlichkeit gezerrt haben.

Lappenberg, Reliquien des Frl. Susanne Catharina von Klettenberg (Hamb. 1849), S. 203 fg. – Jo. Matth. Gesneri Biographia academica Gottingensis, Vol. II (Halae 1768) S. 69 ff. – Joh. Phil. Murray, Rede welche im Namen der Kgl. deutschen Gesellschaft zum Gedächtnisse ihres verklärten Mitgliedes der Frau Professorin Sophien Eleonoren Achenwall gebohrnen Walther in derselben Versammlungssale gehalten worden … Am zwölften Tage des Junius, im Jahre 1754 (Gött. o. J.). – Tage- und Matrikelbuch der Kgl. deutschen Gesellschaft in Göttingen.