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ADB:Arnold, Wilhelm Christoph Friedrich

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Artikel „Arnold, Wilhelm Christoph Friedrich“ von Siegfried Rietschel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 46 (1902), S. 52–54, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Arnold,_Wilhelm_Christoph_Friedrich&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 17:24 Uhr UTC)
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Arnold: Wilhelm Christoph Friedrich A., Cultur- und Rechtshistoriker, wurde am 28. October 1826 in Borken (Kurhessen) geboren, besuchte die Gymnasien in Kassel und Hanau und widmete sich seit 1845 auf den Universitäten Marburg, Heidelberg und Berlin dem Studium der Rechtswissenschaft. Seine von jeher vorhandene Neigung zur Cultur- und Rechtsgeschichte fand besonders an der letztgenannten Universität im Verkehr mit den mit ihm verwandten Gebrüdern Grimm und mit Leopold v. Ranke reiche Nahrung und Anregung. Nachdem er seine juristischen Prüfungen bestanden und am 22. März 1849 in Marburg mit einer stadtrechtsgeschichtlichen Arbeit („De origine ac iure antiquissimo quarundam civitatum Hassiacarum“, Cassel 1849) promovirt hatte, habilitirte sich der kaum Vierundzwanzigjährige mit einer romanistischen Abhandlung (Commentatio ad leg. 7 § 1 sol. matr. 24, 3. Berol. 1850) an der Universität Marburg und widmete sich eingehenden, verfassungsgeschichtlichen Studien, deren Ergebniß die zweibändige „Verfassungsgeschichte der deutschen Freistädte im Anschluß an die Verfassungsgeschichte der Stadt Worms“, Hamburg und Gotha 1854, war. Das Werk bezeichnet einen erheblichen Fortschritt in der Bearbeitung der mittelalterlichen Stadtverfassungsgeschichte; es ist der erste wohlgelungene Versuch, methodisch die Verfassungsgeschichte der einzelnen deutschen Bischofsstädte zu erforschen und die so gewonnenen Resultate zu einem Gesammtbilde zu vereinigen. Durch seine solide Gründlichkeit wurde das Buch eine feste Grundlage für die spätere Forschung, die Jahrzehnte lang unter seinem Einflusse stand; auch heute ist es nur zum Theil wissenschaftlich überholt. Als weitere Frucht der Beschäftigung Arnold’s mit der Wormser Stadtverfassungsgeschichte erschien seine Ausgabe der „Wormser Chronik von Friedrich Zorn mit den Zusätzen Franz Berthold’s v. Flersheim“ in der Bibliothek des litterarischen Vereins in Stuttgart XLIII, Stuttgart 1857. –

Inzwischen war A. 1855 nach Basel berufen worden; das überaus reiche städtische Urkundenmaterial, das er bei seinen geschichtlichen Studien in den Baseler Archiven vorfand, bot die Grundlage zu seiner Abhandlung „Zur Geschichte des Eigenthums in den deutschen Städten“, Basel 1861, der ersten umfangreichen Monographie über die eigenthümlichen Boden- und Häuserleiheverhältnisse in den mittelalterlichen deutschen Städten. Das Werk hat vielleicht in noch höherem Grade als die Verfassungsgeschichte der Freistädte gewirkt; es hat den [53] Anstoß zu einer reichen Litteratur gegeben, die trotz mancher Abweichungen durch die Stellung des Problems noch heute deutlich ihre Abhängigkeit von A. verräth.

Im J. 1863 kehrte A. nach Marburg zurück, wo er als Ordinarius des deutschen Rechts und Staatsrechts bis zu seinem am 3. Juli 1883 erfolgten Tode wirkte. Neben seinen historischen Studien hatte er schon in Basel sich auch volkswirthschaftlichen Studien zugewandt; er hat dieselben in Marburg fortgesetzt, wo er auch mit Vorlesungen über Volkswirthschaft beauftragt war. Eine äußere Anerkennung hat diese Seite seiner Wirksamkeit durch die ihm bei Gelegenheit des Tübinger Universitätsjubiläums 1877 zu theil gewordene Verleihung des Ehrendoctors der Staatswissenschaften gefunden. Auch praktisch hat er sich in der Politik als Reichstagsabgeordneter für den 5. hessischen Wahlkreis 1881–1883 bethätigt. Im wesentlichen ein Ergebniß dieser volkswirthschaftlichen Studien sind auch die in den sechziger Jahren erschienenen, an seinen Beobachtungen reichen culturgeschichtlichen Arbeiten („Recht und Wirthschaft nach geschichtlicher Ansicht. Drei Vorlesungen“, Basel 1863; „Cultur und Rechtsleben“, Berlin 1865; „Cultur und Recht der Römer“, Berlin 1868), die, durchaus den Standpunkt der historischen Schule vertretend, das Recht im Zusammenhang mit der gesammten Cultur, die Rechtsgeschichte als Theil der Culturgeschichte behandeln. Während diese „rechtsphysiologischen“ Schriften verhältnißmäßig wenig Spuren in der späteren Forschung hinterlassen haben, hat geradezu bahnbrechend ein anderes Buch gewirkt, die „Ansiedlungen und Wanderungen deutscher Stämme, zumeist nach hessischen Ortsnamen“, Marburg 1875. Es war eine ungemein fruchtbringende Idee, für die Erkenntniß der älteren deutschen Ansiedlungsgeschichte die Ortsnamen zu verwerthen, und die meisterhafte Art, wie A. diese Idee für seine hessische Heimath verwirklicht hat, sichert seinem Werke einen dauernden Ehrenplatz in der Litteratur der deutschen Geschichte. Das Buch bedeutet thatsächlich, was Dahn bei seinem Erscheinen von ihm hoffte, den Anfang einer neuen Epoche in der Erforschung der deutschen Urgeschichte. Der einmal von A. eingeschlagene Weg ist von zahlreichen Anderen mit gutem Erfolge betreten worden. An dem bleibenden Werthe des Buches ändert es auch wenig, daß A. in seinem Bestreben, die verschiedenen Ortsnamenbezeichnungen auf Stammesverschiedenheiten zurückzuführen, entschieden zu weit gegangen ist. Die Ergebnisse seiner Ortsnamenforschung faßte A. noch einmal in einer kleinen Skizze „Die Ortsnamen als Geschichtsquelle“ zusammen, die neben anderen, zum Theil schon früher veröffentlichten Aufsätzen den Inhalt seiner „Studien zur deutschen Culturgeschichte“, Stuttgart 1882, bilden. Im übrigen waren Arnold’s letzte Jahre mit der Arbeit an einer für weitere Kreise bestimmten „Deutschen Geschichte“ ausgefüllt (Bd. I: Deutsche Urzeit, Gotha 1879, 2. Aufl. 1880, 2. Aufl. 1881; Bd. II: Fränkische Zeit, 1. u. 2. Hälfte, Gotha 1881 und 1883), einem durchaus gediegenen, im besten Sinne des Wortes populären Werke, das leider infolge des frühen Todes des Verfassers unvollendet blieb.

A. ist sein ganzes Leben lang seinen historischen Neigungen treu geblieben, und zwar hat er sein Größtes in den Werken geleistet, die sich unmittelbar auf ausgedehnten Quellenforschungen aufbauten. Hier kamen sein historischer Sinn, seine klare und sichere Art der Quelleninterpretation und seine Gabe, die gewonnenen Einzelresultate zu einer Gesammtdarstellung zu vereinigen, vollkommen zur Geltung, während seine culturgeschichtlichen, allgemeineren Arbeiten zum Theil von einer gewissen Einseitigkeit nicht freizusprechen sind.

Nach biographischen Angaben aus dem Universitätsjahresberichte von [54] Marburg, 1883, mitgetheilt von Professor Carl Sartorius, ebendort. – Vgl. außerdem die Nekrologe in der Allgem. Zeitung, 1883, Beilage 192 u. 213.