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ADB:Bischof, Philipp (gest. 1535)

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Artikel „Bischof, Philipp“ von Theodor Hirsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 2 (1875), S. 669–672, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Bischof,_Philipp_(gest._1535)&oldid=- (Version vom 5. November 2024, 03:21 Uhr UTC)
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Bischof: Philipp B., Bürgermeister von Danzig 1517–1535, † 2. Juli 1535, hat auf die Entwickelung der Kirchenreformation in Danzig einen bedeutsamen Einfluß ausgeübt. Mit seinem Vater Philipp war er ein Zweig der im 15. Jahrhundert in Lübeck blühenden Familie B. während der Jahre 1458–1462 nach Danzig übergesiedelt und hatte dort unter den Geschlechtern der höhern Kaufmannswelt eine hervorragende Stellung gewonnen. Derselbe gelangte zum bürgermeisterlichen Amte, verwaltete es in verdienstlicher Weise und wurde nach seinem 17. Juli 1483 erfolgten Tode mit hohen Ehren im Kloster Oliva bestattet; ein kunstvolles Denkmal deckt noch jetzt die Grabstätte seiner zweiten Gemahlin Elsbet in der St. Marienkirche Danzigs. Trotzdem gelangte von seinen zahlreichen Brüdern nur der älteste Sohn Philipp ins Rathscollegium, und auch dieser erst in späteren Jahren seit 1512 und ohne daß er, selbst nachdem er 1517 in das Collegium der vier Bürgermeister übergegangen war, in den öffentlichen Geschäften in namhafter Weise sich bemerklich machte. Die Ursache lag jedoch zunächst in einer heftigen Parteispaltung, welche damals die herrschenden Geschlechter der Stadt feindlich von einander sonderte, bei der das Haupt der einen Partei, der Bürgermeister Eberhard Ferber, durch die großen Verdienste, welche er sich als Vertheidiger der Interessen der Stadt und des Landes in gefahrvollen Zeitumständen (vgl. Eberhard Ferber) erwarb, die Gegenpartei, zu welcher namentlich Philipp B. zählte, an fünfzehn Jahre lang in den Schatten stellte. Als nun eine unglückliche Seeunternehmung gegen Dänemark, welche Ferber im Sommer [670] 1521 geleitet hatte, in Verbindung mit andern ungünstigen Verhältnissen, den Unwillen der niedern Bürgerclassen gegen den „eisernen Bürgermeister“ bis zu offener Anfeindung steigerte, so wurde dieser Haß durch B. und seine Parteigenossen künstlich genährt und zu einer Katastrophe getrieben, in Folge deren Ferber und sein Anhang im November 1522 aus der Stadt verbannt wurde, die oberste Leitung der städtischen Angelegenheiten in die Hände seiner Gegner fiel. Aber auch diese durften nicht lange sich ihres Sieges freuen. Der gewonnene Erfolg erweckte unter der niedern Bürgerschaft das Verlangen, die günstige Gelegenheit zu einer Umgestaltung des Stadtregimentes in demokratischem Interesse zu benutzen, und daran knüpfte sich die weitere Forderung, auch die religiösen und kirchlichen Einrichtungen den von Wittenberg aus verbreiteten neuen Ueberzeugungen gemäß umzuformen. Der herrschenden Aristokratie waren diese Forderungen äußerst lästig; aber wie konnte sie es wagen, denselben in voller Schärfe entgegen zu treten, da sie der vertriebenen Ferber’schen Partei gegenüber, welche am Hofe des polnischen Schutzherrn, König Sigismunds I., ihre Wiedereinsetzung betrieb, im Falle einer Einmischung desselben in die innern Angelegenheiten der Stadt, ihre Existenz und die Selbständigkeit der Commune aufs äußerste gefährdet sah, und schon deshalb des festen Zusammenhaltens mit der Bürgerschaft mehr als je bedurfte. Schon in dieser Lage zeigte sich der Bürgermeister B. als ein schlauer, in den Künsten einer herzlosen Diplomatie geübter Staatsmann, der nicht wählerisch in seinen Mitteln, zwei Jahre lang die von beiden Seiten drohende Gefahr glücklich abwendete. Indem er durch einzelne Zugeständnisse oder stillschweigendes Gewährenlassen, namentlich auf religiösem Gebiete, die Menge zu beschwichtigen sich bemüht, wird der polnische Hof durch die eingeflößte Besorgniß, die Bürgerschaft dürfte in ihrer Bedrängniß dem Nachbarfürsten, dem Hofmeister Albrecht von Preußen, sich anschließen und die Mittel zur Erneuerung eines dem Abschluß nahegebrachten Krieges darbieten, so weit geschreckt, daß der König schon gegen eine geringfügige Ehrenerklärung die Anklagen der Ferber niederzuschlagen bereit ist. Aber der durch die damaligen Zeitströmungen gehobene Eifer der Stadtbevölkerung für eine freiere Gestaltung des bürgerlichen und religiösen Lebens, fühlte sich durch die kleinlichen Abfindungen, die ihr zu Theil geworden waren, auf die Dauer nicht befriedigt; ein Aufruhr, welcher am 25. Januar 1525 in der Stadt ausbricht, greift in wenigen Stunden so weit um sich, daß die Regierung ihm machtlos gegenübersteht. Doch auch jetzt hält B. die letzten Ziele seiner Politik fest im Auge. Von Seiten des Stadtrathes wird jeder Widerstand aufgegeben, auf alle Forderungen der Neuerer eingegangen, die Abdankung der alten Regierung und eine Neuwahl der Beamten zugestanden. Aber durch eben diese Nachgiebigkeit erreicht es B., der die Verhandlungen leitet, daß er bei der neuen Wahl im bürgermeisterlichen Amte verbleibt und mehrere seiner bedeutenden Parteigenossen mitten unter den neuen Gewalthabern einflußreiche Stellen erhalten. Wie zu erwarten stand, finden dieses Vorgänge die entschiedenste Mißbilligung am polnischen Hof. Die Ferber’sche Partei setzt es durch, daß ihre Streitsache wieder aufgenommen, die Stadt zu einer harten Strafe verurtheilt, eine Gesandschaft der letzteren, die zu ihrer Rechtfertigung nach Krakau kommt, in ihren Wohnungen in Haft gehalten wird; ein Mandat des Königs ladet in offenkundiger Mißachtung der preußischen Landesprivilegien die Häupter des Aufstandes nebst dem abgesetzten Stadtrathe an den königlichen Hof, um in fremdem Lande ihre städtischen Interessen aburtheilen zu lassen. Ueber diese Forderung kommt es in Danzig zu anarchischen Bewegungen, verzweifelte Entschlüsse ohne Berechnung der Möglichkeit ihrer Ausführung werden gefaßt, die Besonneneren, welche widerstreben, sehen sich bedroht, zum Theil zur Flucht genöthigt. B. erhält sich im Vertrauen der Menge; anscheinend in ihrem [671] Interesse ruft er die Freunde der Stadt, die Nachbarfürsten, die Angesehensten des preußischen und polnischen Adels um Rath, Vermittelung, Hülfe an. Ihre einmüthige Erklärung, daß die Rettung der Stadt einzig in der Begütigung des Königs zu finden sei, verbunden mit einer letzten Mahnung Sigismunds, stimmt die Leidenschaft der Bürgerschaft bedeutend herab. Da erbietet sich B., wofern man ihm ausgedehnte Vollmacht ertheile, die Gefahr zu beseitigen. Er reist an den Hof; bald hat er sich mit dem Könige verständigt; gegen sein Versprechen, die Stadt dem Friedensangebote des Königs zu unterwerfen, die katholischen Ordnungen in derselben wieder herzustellen und das Schutzgeld, welches Sigismund als das wichtigste seiner Hoheitsrechte zusteht, zu vergrößern, verpflichtet sich der König, die aristokratische Verfassung Danzigs durch genauere Feststellung und Erweiterung der Befugnisse des Stadtrathes neu zu befestigen, im Uebrigen die Freiheiten der Stadt unangetastet zu lassen und gemäß denselben sein Schiedsrichteramt zwischen der alten und neuen Regierung nicht in Polen und vor polnischen Gerichten, sondern persönlich in Preußen zu üben. Solches Rückhaltes sicher und nachdem es ihm auf seiner Reise gelungen war, die meistens flüchtig umherirrenden Patricierfamilien zur Beilegung des ihnen so verderblich gewordenen Parteihaders zu bestimmen, kehrt B. nach Danzig zurück und kündigt hier baldige Rückkehr friedlicher Zustände an, „der König werde wie ein Vater zu seinen Kindern kommen“, er bereitet den gastlichen Empfang desselben vor und gewinnt die Bürgerschaft dafür, mit Rücksicht auf die Bigotterie des Königs und seiner Großen, in den Stadtkirchen den äußern katholischen Cultus für die Zeit ihrer Anwesenheit wieder herzustellen. Die Täuschung der unglücklichen Städter gelingt aufs vollständigste, als die Hauptanstifter des Aufruhrs, welche auf Verlangen Sigismunds ihm nach Marienburg engegenkommen, nachdem sie die freundlichste Aufnahme gefunden, mit Geschenken und den friedlichsten Zusicherungen entlassen zurückkehren und unmittelbar nach ihnen eine „Sicherheitsacte“ des Königs in der Stadt veröffentlicht wird, welche für alles Geschehene vollständige Amnestie zusagt. Darauf zieht der König mit zahlreichem Gefolge am 17. April 1526 in die Stadt ein. Mitten unter den zu seinen Ehren begangenen Festlichkeiten treten jedoch am vierten Tage Ankläger aus den alten Geschlechtern und der Kaufmannsgilde auf und erheben gegen die Inhaber des Stadtregiments die Beschuldigung, daß dieselben einen nächtlichen Aufstand gegen den König angezettelt hätten. Ohne Untersuchung wird hierauf die Sicherheitsacte vom Könige für aufgehoben erklärt und ein peinliches Gericht angeordnet, welches unter unmittelbarer Theilnahme Sigismunds seine Thätigkeit auf sämmtliche Urheber der religiösen und politischen Neuerungen ausdehnt; und, nachdem es eine Anzahl blutiger Executionen vollstreckt hat, die Fortsetzung dem wieder eingesetzten alten Stadtrathe überträgt. Es folgen Jahre der grausamsten Reaction, in welchen dieser patricische Rath unter Bischofs Leitung mit dem Schwerte der Henker, mit Gefängniß oder Aechtung gegen die Verletzung der alten Ordnung wüthet in so rücksichtsloser Weise, daß selbst der König sich mancher Verfolgten anzunehmen veranlaßt sieht. – Wenn es B. durch solche Gewaltacte gelang, die Aristokratie für lange Zeiten gegen jede Umwälzung sicher zu stellen, so erkannte er doch bald die Unmöglichkeit, Gleiches auf religiösem Gebiete zu erreichen. Die wieder eingesetzte katholische Priesterschaft konnte von den kirchlichen Instituten Besitz ergreifen, zeigte sich aber durchaus unfähig, Eingang in die Gemüther einer Gemeinde, welche die Vorzüge der gereinigten Kirchenlehre kennen gelernt hatte, zu gewinnen. Allen obrigkeitlichen Verboten und Strafen zum Trotz suchte ein großer Theil, selbst der herrschenden Familien, in häuslichem Gottesdienst oder in benachbarten Ortschaften bei evangelischen Lehrern religiöse Erbauung. Der Bürgermeister findet alsbald einen Ausweg, der ihm verstattet, ohne dem Könige oder dem polnischen [672] Diöcesanbischofe Anlaß zur Einmischung in die städtischen Verhältnisse zu gewähren, den religiösen Bedürfnissen die einzig und allein zulässige Befriedigung zu verschaffen. Er findet unter den Ordensgeistlichen der Stadt Männer, welche der neuen Lehre von ganzem Herzen ergeben, dennoch es nicht im Widerspruche mit ihr finden, die äußern Formen des alten Cultus beizubehalten. Indem er diese Männer, namentlich den Franciscaner Alexander Scultetus und den Dominicaner Pancratius Klemme mit Genehmigung des Königs und des Bischofs an den beiden Hauptkirchen, deren Pfarrer außerhalb der Stadt leben, einsetzt, gelingt es diesen gemäßigten Männern, auch ihre Gemeinden, unter Vertröstung auf bessere Zeiten, mit dieser unvollkommenen Weise des Gottesdienstes zufrieden zu stellen. Man hörte die Predigt „des göttlichen Wortes“ und mied die Messe. – Bis über den Tod Bischof’s hinaus erhielt sich in der Stadt diese den Interessen der Aristokratie angepaßte Weise der Kirchenreformation, bis man seit 1548, unter günstigern Zeitumständen, von dem Könige von Polen selbst die Genehmigung zu weiter gehenden Veränderungen erhielt.

Scriptores rerum Prussicarum T. V Th. Hirsch, Geschichte der St. Marienkirche in Danzig T. I.