Zum Inhalt springen

ADB:Boleslaw II.

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Boleslaw II.“ von Colmar Grünhagen in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 3 (1876), S. 100–101, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Boleslaw_II.&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 19:58 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Boleslaus
Nächster>>>
Boleslaw III.
Band 3 (1876), S. 100–101 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Boleslaw II. (Schlesien) in der Wikipedia
Boleslaw II. in Wikidata
GND-Nummer 120032430
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|3|100|101|Boleslaw II.|Colmar Grünhagen|ADB:Boleslaw II.}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=120032430}}    

Boleslaw II., Herzog von Schlesien, der Kahle, von Zeitgenossen mirabilis genannt, geb. etwa 1217, † 1278, der älteste Sohn des in der Mongolenschlacht 1241 gefallenen Herzogs Heinrich II. und der böhmischen Prinzessin Anna, welch letztere auch nach dem Tode ihres Gemahls zuerst die Regentschaft führte, während B. die von seinem Vater zugleich mitererbten polnischen Landschaften bei seiner Herrschaft zu erhalten einen wenig gelungenen und dann noch mehrmals, aber ohne dauernden Erfolg, erneuerten Versuch machte; die Abneigung des auf die Gunst, die B. den deutschen Rittern seines Gefolges erwies, eifersüchtigen Adels hat ihm immer entgegengestanden, und die Familienverbindung mit dem großpolnischen Herzoge Primislaw, dem B. seine aus dem Kloster Trebnitz, wo sie Nonne war, entführte Schwester Elisabeth vermählte (1244), half ihm wenig. Zunächst führte B., 1242 mit Hedwig von Anhalt vermählt, die Regierung allein für seine noch unmündigen Brüder; er bewidmet in dieser Zeit Breslau mit deutschem Rechte und gründet wahrscheinlich auch die Elisabethkirche daselbst 1245; 1247 erscheint zuerst Heinrich neben ihm in Urkunden und etwa 1248 erfolgte dann die Theilung, zu der B., wie es scheint, noch besonders ein Aufstand des Adels, der ihn sogar gefangen nahm, drängte. Von den Brüdern war der eine, Mesko, schon gestorben, und von dem ihm bestimmten Antheile, dem Lande Lebus, hatte B. Theile dem Markgrafen von Brandenburg und dem Erzbischof von Magdeburg veräußert; zwei Brüder, Konrad und Wladislaw, waren für den geistlichen Stand bestimmt, so daß eigentlich nur B. und Heinrich theilten, jener in Gemeinschaft mit Konrad, dieser mit Wladislaw. B. erwählte Mittelschlesien mit der Landeshauptstadt Breslau, Heinrich Niederschlesien (Liegnitz, Glogau, Crossen). Die Theilung war aber kaum vollzogen, als B., plötzlich anderen Sinnes geworden, einen Tausch der beiderseitigen Antheile von Heinrich verlangt. Dieser, immer der Nachgiebigere, willigt ein, entgeht aber doch nicht directen Feindseligkeiten mit dem Bruder, der dann dreimal das von den deutschen Bürgern tapfer vertheidigte Breslau vergeblich bestürmt und namentlich das Neumarkt’sche Gebiet schrecklich verwüstet. Verwickelter werden dann diese Kämpfe, als nun auch Herzog Konrad, erwählter Bischof von Passau, den geistlichen Stand aufgebend, Ansprüche auf einen Landantheil macht und dabei von Herzog Primislaw von Großpolen, dessen Schwester er heirathet, unterstützt wird. Zwar verlangt nun B. von Heinrich III., dessen Antheil, da sein Genosse Wladislaw dem geistlichen Stande treu blieb, von keiner Verkürzung bedroht wurde, daß er zur Abfindung Konrads auch das Seinige thue, und wirklich wird Heinrich, als er sich weigert, von Konrad bekriegt und sogar gefangen genommen, aber schließlich trifft doch der Verlust B. allein. Seit dem J. 1251 erscheint Konrad als Herr des späteren Herzogthums Glogau. B. selbst kommt in diesen Kämpfen so herunter, daß er von Allen verlassen mit einem Fiedler unstet umherschweift und endlich nur seinem Bruder Heinrich die Zurückführung in sein Herzogthum zu danken hat. Bald geräth er in neue Händel mit der Geistlichkeit, deren Gut er auch früher schon mit rücksichtsloser Gewaltsamkeit wiederholt angegriffen. Gegen den Bischof von Breslau, Thomas I., durch dessen weitgehende Zehntansprüche (vergl. dessen Biographie) gereizt, überfiel er denselben den 12. Oct. 1256 in Gorkau des Nachts, schleppte ihn nach der Burg Lähn und hielt ihn trotz Bann, Interdict und eines gegen ihn gepredigten Kreuzzuges so lange in harter Haft, bis dieser seine Zehntforderung nachließ und außerdem eine bedeutende Geldsumme zahlte. Die Summe preßte ihm jedoch sein Bruder Konrad bald wieder ab. Derselbe nahm B., von dem er behauptete, er habe [101] ihm bei einer Zusammenkunft in Liegnitz verrätherischer Weise einen Hinterhalt gelegt, gefangen 1257, und als er losgekommen war, fand er, der auch sonst wenig Beliebte, nun in Folge der an dem greisen Bischof verübten Gewaltthat in seinem Lande Alles so gegen sich eingenommen, daß er sich gedrängt sah, Frieden mit der Kirche zu suchen, der ihm nur unter schweren Bedingungen gewährt ward. Wenn man selbst die Urkunde vom 2. Dec. 1258, in welcher er gelobt, sammt 100 Rittern barfuß im Büßergewand von Goldberg bis Breslau zu pilgern, als verdächtig gelten lassen will, so scheint doch soviel gewiß, daß er durch demüthige Gelöbnisse der Besserung, ausgedehnte Privilegien für die Geistlichkeit und die große Summe von 2000 Mark, deren Zahlung er allerdings dann seinem Bruder Heinrich als Bürgen überlassen hat, die Lösung vom Banne erkaufen mußte (1261). In dieser Zeit 1259 stirbt auch seine Gemahlin Hedwig, und er schließt bald darauf eine zweite Ehe mit Adelheid, einer pommerschen Fürstentochter, die jedoch nachmals, gekränkt durch des Herzogs Verhältniß zu einer Buhlerin (Sophia), zu dem Vater zurückkehrte. Mit jenem Jahre 1261 beginnt für B. eine längere Periode friedlicher und im Grunde nicht unrühmlicher Regierung, nur vorübergehend durch einen Zehntstreit mit dem Bischofe unterbrochen 1267; die Städte seines Landes, vor allem die Hauptstadt Liegnitz, wurden mehrfach mit Privilegien begnadet und auch geistliche Stiftungen erfuhren Gunst von ihm, wie z. B. Kloster Leubus, das Nonnenkloster zum heiligen Kreuz in Liegnitz. Noch einmal kam aber der Zwist zwischen den herzöglichen Bruderhäusern zum Ausbruch, als nach dem Tode Herzog Konrads 1274 dessen Söhne Theile ihres Gebiets dem kühn aufstrebenden Heinrich IV. von Breslau überließen. Seitdem bereitete B. dem Neffen, der ihm zu mächtig zu werden schien, Nachstellungen, und ein hinterlistiger Ueberfall brachte den jungen Fürsten zu Jeltsch in die Gewalt des Oheims, der ihn dann auf der Lähner Bergveste, wie vor Zeiten den Bischof, festhielt. Zu seiner Befreiung rüsteten die Breslauer ein Heer, unterstützt von den Glogauer Herzögen und Großpolen, aber Boleslaws ältester Sohn Heinrich besiegte sie am 24. April 1277 bei Stolz unweit Frankenstein, und erst des Böhmenkönigs Ottokar mächtiger Vermittlung dankte Heinrich IV. seine Freiheit, die er dann noch durch Abtretung der fruchtbaren und schon ganz germanisirten Gebiete von Jauer, Striegau, Neumarkt, Greifenstein erkaufen mußte. 1278 stirbt dann B. Seine leidenschaftliche und gewaltthätige und dabei ausdauernde Energie ganz entbehrende Natur hat es verschuldet, daß die von seinem Vater- und Großvater mit Glück begonnene Ausdehnung der deutschen Herrschaft nach Osten hin trotz der nicht ungünstigen Zeitverhältnisse gescheitert ist, und auch in dem Kampfe mit der Geistlichkeit ist er unterlegen. Bei alledem wäre es wol möglich, daß die Farben der von ihm überlieferten Bilder zu stark aufgetragen sind, und daß die deutschen Geistlichen, welche unsere älteren Jahrbücher geschrieben, durch seine Gewaltthat an Bischof Thomas erbittert, ihn ungerecht beurtheilt haben; für die polnischen Chronisten nach ihrer Art genügt schon seine mehrfach getadelte Vorliebe für die Deutschen, um ihn mit äußerster Ungunst zu behandeln. Auch in dem über ihn vorhandenen urkundlichen Material ist Vieles gefälscht. - Vgl. Grotefend, Zur Genealogie der Breslauer Piasten (Abhandl. d. schles. Ges. 1871. S. 70).