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ADB:Chladni, Ernst Florenz Friedrich

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Artikel „Chladni, Ernst Florens Friedrich“ von Eugen Lommel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 124–126, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Chladni,_Ernst_Florenz_Friedrich&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 00:56 Uhr UTC)
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Chladni: Ernst Florens Friedrich Ch., geb. am 30. November 1756 zu Wittenberg, † zu Breslau am 3. April 1827. Sein Vater, Ernst Martin Ch. (s. o.), hielt den einzigen Sohn in strenger Abgeschlossenheit und verkümmerte ihm dadurch den Genuß seiner Jugend; auch auf der Landesschule in Grimma sah sich der Gymnasiast unter dem pedantischen Scepter des Rectors Mücke der engsten Beschränkung unterworfen. Dem Willen seines Vaters sich beugend, widmete er sich auf den Universitäten Wittenberg und Leipzig dem Studium der Rechtswissenschaft, und vollendete dasselbe, nachdem er von der ersehnten akademischen Freiheit den weisesten Gebrauch gemacht, durch Erwerbung der philosophischen und juristischen Doctorwürde. Nach dem bald darauf erfolgten Tode seines Vaters verließ er jedoch die juristische Laufbahn, um sich naturwissenschaftlichen Studien, welche ihn seit seiner frühen Jugend lebhaft angezogen hatten, völlig hinzugeben. Um sich aus der dürftigen Lage, in welche er sich nun versetzt [125] sah, emporzuarbeiten, trachtete er danach, durch irgend eine Entdeckung oder Erfindung seinen Namen bekannt zu machen. Erst in seinem 19. Jahre hatte er angefangen das Klavierspiel zu erlernen und Schriften über Theorie der Musik zu studiren. Dabei gewann er die Ueberzeugung, daß die Lehre vom Schall noch auf einer sehr unvollkommenen Entwicklungsstufe stehe und daß auf diesem Gebiete am ehesten etwas zu entdecken sein müsse. Seine Versuche führten ihn auch bald zur Entdeckung der nach ihm benannten „Klangfiguren“; er fand nämlich, daß der auf eine Glas- oder Metallscheibe gestreute Sand, wenn die Platte durch Anstreichen mit dem Violinbogen zum Tönen gebracht wird, sich auf den in Ruhe bleibenden sogenannten „Knotenlinien“ sammelt und durch die so entstehende Figur die Schwingungsart der Platte dem Auge zur Anschauung bringt. Diese und andere akustische Entdeckungen hat er in der Schrift: „Entdeckungen über die Theorie des Klanges“ (Leipzig 1787) und später in seiner „Akustik“ (Leipzig 1802) beschrieben. Durch diese Arbeiten wurde jedoch seine bedrängte äußere Lage zunächst nicht gebessert. Er kam daher auf den Gedanken, ein neues musikalisches Instrument zu erfinden, wozu er sich vermöge seiner akustischen Kenntnisse besser als irgend jemand befähigt halten durfte. Durch Vorzeigen eines solchen Instrumentes hoffte er nicht nur seine materielle Lage verbessern, sondern auch dem Reisedrange genügen zu können, der ihn von Jugend auf beseelt hatte. Nach vielen Versuchen kam im Jahre 1790 das „Euphon“ zu Stande; dasselbe bestand aus einer Anzahl claviaturähnlich angeordneter Glasstäbe, deren durch Streichen mit den nassen Fingern erregte Längsschwingungen sich auf die mit ihnen verbundenen im Resonanzkasten verborgenen verticalen Metallstäbe übertrugen, die nun vermöge ihrer so hervorgerufenen Querschwingungen den eigentlichen Ton gaben. Später (1800) ließ er das Streichen der Glasstäbe durch einen um seine horizontale Axe sich drehenden Cylinder, die „Streichwalze“, besorgen, und nannte ein so eingerichtetes und mit einer Claviatur versehenes Instrument „Clavicylinder“. Er besuchte mit dem Euphon, indem er zugleich die Klangfiguren in eigenen Vorlesungen demonstrirte, die meisten Städte Deutschlands, ferner St. Petersburg und Kopenhagen, und erwarb sich den Beifall aller Sachkundigen. Nach der Erfindung des Clavicylinders kam er, nachdem er Westdeutschland und die Niederlande durchzogen, auch nach Paris, wo er im regen Verkehr mit den Koryphäen der Wissenschaft und der Musik und getragen von der Anerkennung der Akademie, seine Akustik selbst ins Französische übersetzte („Traité d’Acoustique“, Paris 1809). Von Wittenberg, wohin er im Laufe seiner Reisen immer wieder zurückgekehrt war, siedelte er, als die Stürme der Befreiungskriege über diese Stadt hereinbrachen, in das nahegelegene Städtchen Kemberg über, und war daselbst rastlos mit der Verbesserung seines Clavicylinders beschäftigt. Als er zu einem Abschluß gekommen zu sein glaubte, machte er die bisher sorgfältig geheim gehaltene Construction seiner Instrumente in den „Beiträgen zur praktischen Akustik und zur Lehre vom Instrumentenbau“ (Leipzig 1821) ohne Rückhalt bekannt. Chladni’s akustische Forschungen würden allein hinreichen, seinen Namen als den des Begründers der neueren Akustik unvergänglich zu machen. Aber auch noch auf einem anderen Gebiete schritt er bahnbrechend voran. Er war nämlich der erste, welcher in seiner Abhandlung „Ueber den Ursprung der von Pallas gefundenen und anderen ähnlichen Eisenmassen“ (1794) die kosmische Natur der Feuerkugeln und Aërolithen, welche bisher als atmosphärische Meteore angesehen worden waren, behauptete und kritisch feststellte und in zahlreichen Abhandlungen, namentlich aber in seinem classischen Werke „Ueber Feuermeteore und die mit denselben herabgefallenen Massen“ (1819) den Grund zu unserm heutigen Wissen auf diesem Gebiete legte. – Ch. bekleidete niemals ein öffentliches Amt, noch hat [126] er irgend einen Gehalt bezogen. Der Ertrag seiner akustischen Wandervorlesungen und seiner Werke mußte ihm die Mittel liefern zu seinem Unterhalt und zu seinen Experimenten. Seine selbstlose Hingabe an die Erforschung der Wahrheit, der Scharfsinn und die Genauigkeit seiner Untersuchungen werden ihm für alle Zeiten einen hervorragenden Rang sichern unter denjenigen, welche an der Erweiterung des menschlichen Wissens erfolgreich gearbeitet haben.

Ein Verzeichniß seiner Schriften findet sich im N. Nekrol.; Autobiographie in seiner Akustik. Dr. W. Bernhardt, Chladni. Wittenb. 1856.