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ADB:Christoph (Herzog von Württemberg)

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Artikel „Christoph, Herzog von Württemberg“ von Paul Friedrich von Stälin in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 243–250, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Christoph_(Herzog_von_W%C3%BCrttemberg)&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 10:50 Uhr UTC)
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Christoph, Herzog von Würtemberg, geb. zu Urach 12. Mai 1515, † zu Stuttgart 28. Dec. 1568, Sohn des leidenschaftlich ungestümen aber auch durch Unglück vielgeprüften Herzogs Ulrich von Würtemberg und der Sabina von Baiern. Bei der stürmevollen Regierung seines Vaters hatte dessen, fünf Tage nach der Ermordung des Hans v. Hutten geborener Sohn frühe die strenge Schule des Lebens und deren erziehende Bedeutung zu erfahren. In Folge der Vertreibung Ulrichs und der Eroberung des Landes durch den schwäbischen Bund wurde er gemäß eines Vertrages zwischen seinem Oheim Herzog Wilhelm von Baiern und Kaiser Karl V. vom 6. Febr. 1520 dem letzteren überwiesen und zuerst in Innsbruck, sodann aber an verschiedenen anderen Orten Oesterreichs, Wiener Neustadt etc. zeitweise untergebracht. Von Kaiser Ferdinand I., welcher im Jahr 1522 mit dem Herzogthum Würtemberg seine Versorgung übernommen hatte, wurde Ch. zwar nur mangelhaft unterhalten, bekam jedoch einen trefflichen Erzieher an Michael Tiffernus. Auf dem Augsburger Reichstag des J. 1530 von Kaiser Karl V. in dessen Gefolge aufgenommen, begleitete er den Kaiser auf mehreren Reisen; als derselbe jedoch ihn nach Spanien mitzunehmen gedachte, entfloh er im Oct. 1532 auf der Grenze Steiermarks und Kärntens und weilte zunächst bei seinem genannten Oheim zu Landshut. Von nun an wirkte der Prinz zwar im Vereine mit seinem Vater, dem er stets ergeben blieb, jedoch selbstthätig mit kräftigem Muthe und kluger Umsicht auftretend, für sein und seines Hauses Recht, zunächst auf dem Augsburger Tage des schwäbischen Bundes vom Ende des J. 1533, woselbst zu der Unterstützung hin, welche ihm Hessen und Baiern zu Theil werden ließen, namentlich der französische Botschafter Wilh. Dubellay nachdrücklich sich für ihn verwandte. Freilich konnte Ch. hier nur die Anberaumung späterer Verhandlungstermine durchsetzen, allein dieselben wurden durch den Sieg seines Vaters bei Lauffen am 13. Mai 1534 und die daran sich anschließende Wiedereroberung des Herzogthums entbehrlich.

Herzog Ulrich, der seinen Sohn als einen von den ihm feindseligen Baiernherzogen aufgestellten Prätendenten ansah und, in der Verbannung selbst evangelisch geworden, ihm als damals noch Katholischen nicht wohl wollte, brachte ihn noch im gleichen Jahre am Hofe des Königs Franz I. von Frankreich unter. Wie Ch. hier in der Turnierkunst glänzte, z. B. bei der im Hotel de Cluny gefeierten Hochzeit König Jakobs I. von Schottland mit der Tochter des Königs Magdalena am 1. Jan. 1537 den Ehrenpreis davon trug, so versuchte er sich auch in ernsterem Waffenkampfe und focht im genannten Jahre, zweiundzwanzigjährig an der Spitze von 10000 deutschen Landsknechten wenn auch zum Theil mit Glück, doch ohne entscheidenden Erfolg in Piemont unter französischem Oberbefehl. Zudem aber wurde er von König Franz zu wichtigen Staatsverhandlungen mitgenommen, wie im J. 1538 zu der Zusammenkunft mit Papst Paul III. in Nizza, bei welcher Ch. sich bereits weigerte, dem Papste den Fuß zu küssen, und der weiteren mit Kaiser Karl V. in Aiguesmortes.

Nachdem der Vertrag zu Reichenweiher vom 18. Mai 1542 die Nachfolge Christophs sicher gestellt und er sich für sich und seine Erben zur Beibehaltung der evangelischen Lehre verpflichtet hatte, blieb derselbe fast nur dem Namen nach noch im französischen Dienst und bekam auch von seinem Vater im Juni 1542 die Statthalterschaft über die würtembergische Grafschaft Mömpelgart. In seiner neuen Stellung vermählte er sich am 24. Febr. 1544 zu Ansbach mit Anna Maria, der Tochter des Markgrafen Georg von Brandenburg-Ansbach, des standhaften Bekenners des Augsburger Glaubensbekenntnisses. Von einem [244] wesentlichen Einfluß dieser Frau auf die Person ihres Gemahls ist nichts bekannt geworden, sie scheint nicht bedeutenden Geistes gewesen zu sein und verfiel einige Zeit nach Christophs Tode in Blödsinn. Der Prinz selbst aber wurde immer mehr der lutherischen Kirchenreformation zugethan, hatte übrigens auch mancherlei Widerwärtigkeiten zu bestehen, wie er denn in dem für Würtemberg so unheilvollen schmalkaldischen Kriege für einige Zeit nach Basel flüchtete. Auf das Ableben seines Vaters am 6. Nov. 1550 hin setzte sich Ch., um den Ansprüchen König Ferdinands an Würtemberg als ein durch Ulrichs Betheiligung am genannten Kriege verwirktes Reichslehen möglichst wenig Spielraum zu gewähren, rasch und geräuschlos in den Besitz der Herrschaft. Allein noch längere Zeit bereitete ihm der von König Ferdinand angestrengte Felonieproceß schwere Stunden, bis endlich sein Anschluß an die auch von Ch. mittelst einer Gesandtschaft beschickten Passauer Verhandlungen im Frühjahr 1553 König Ferdinand um die Summe von 250000 fl. zwar auf den Proceß, nicht aber auf das Afterlehenschaftsrecht verzichtete.

In seiner 18jährigen Regierung entwickelte der Herzog sowol nach innen, durch Anordnungen in Staat und Recht, Kirche und Schule, als nach außen, insbesondere in kirchenpolitischer Hinsicht zu Gunsten der Reformation und der so lebhaft von ihm betriebenen Einigung ihrer Anhänger eine äußerst rege, von den edelsten Gesinnungen geleitete Thätigkeit. Jedoch während seine auswärtige Politik ihn zu einem der bedeutendsten unter den damaligen protestantischen Fürsten Deutschlands, zeitweilig sogar zu ihrem Haupte gemacht, ihm auch schon die ehrende Bezeichnung eines Friedensfürsten verschafft hat, waren seine Erfolge im Gebiet derselben weniger von durchgreifender, dauernder Wirkung; wol aber haben in Würtemberg seine staatlichen Einrichtungen bis in die neuere Zeit im ganzen ihre Geltung bewahrt und sind die kirchlichen in vieler Hinsicht noch heutzutage die Grundlagen der Verfassung der evangelischen Kirche Würtembergs. In kirchenpolitischer Hinsicht wirkte Ch. zuerst in Sachen des von Kaiser Karl V. lebhaft betriebenen Concils zu Trient dadurch, daß er, ähnlich wie Kurfürst Moritz von Sachsen für dasselbe eine sächsische, durch Joh. Brenz eine würtembergische Confession abfassen ließ, welche sich übrigens bei aller Selbständigkeit der Beweisführung eng an die Augsburgische Confession anschloß und von den sächsischen Theologen ausdrücklich gutgeheißen wurde, sowie durch zweimalige, freilich erfolglose Beschickung des Concils, das eine Mal im Oct. 1551 mit weltlichen, das andere Mal im März 1552 vorzugsweise mit theologischen Abgeordneten. Von dem alsbald darauf gegen Kaiser Karl V. losbrechenden Fürstenkrieg, in welchem es mit offenem Verrathe am Reiche dem französischen Könige ermöglicht wurde, das letztere schwer zu schädigen, hielt sich Ch. trotz der dringenden Aufforderungen der Kriegsfürsten fern, zumal er noch an den Folgen des für seinen Vater so unheilvollen schmalkaldischen Krieges und dem Proceß mit König Ferdinand zu tragen hatte, suchte aber im Verein mit dem Kurfürsten Friedrich II. von der Pfalz, den Erzbischöfen von Mainz, Köln und Trier, den Herzogen Albrecht von Baiern und Wilhelm von Jülich in einer achtunggebietenden Neutralität unablässig für Vermittlung zu wirken, ein Zweck, dem namentlich der von Ch. persönlich besuchte Wormser Tag (2. Mai ff.) dienen sollte. Mit den genannten Fürsten (den Kölner Kurfürsten ausgenommen) schloß nun aber Ch., welcher übrigens doch einmal im J. 1552 als Schirmherr von Ellwangen gegen den Deutschmeister zu den Waffen zu greifen sich veranlaßt sah, insbesondere zum Zwecke der Eindämmung des landfriedensbrecherischen Parteigängers Markgraf Albrecht von Brandenburg-Kulmbach und seiner Fehden mit den Bischöfen von Würzburg und Bamberg den 29. März 1553 zu Heidelberg zunächst auf drei Jahre den sog. Heidelberger Verein oder Rheinischen Bund, in [245] welchem die evangelischen sowol als katholischen Mitglieder dieser Vermittlungspartei im allgemeinen zwar auf dem Grundsatze strengster Neutralität fußten, sich übrigens bei Verletzung wechselseitige Hülfe zusagten. In diesem Bunde, welcher sich bei der damaligen Zerfahrenheit der Verhältnisse, trotzdem er nie zum Losschlagen kam, bedeutendes Ansehen zu verschaffen wußte und noch manche weitere Mitglieder aufnahm, wurde Ch. einige Zeit zuerst mit Herzog Albrecht von Baiern, sodann allein zum Oberhauptmann gewählt, jedoch nach seinem Ablaufe hielt er sich von dem diesem Muster zwar nachgebildeten übrigens immer mehr katholisirenden Landsberger Bunde fern. Wol aber betheiligte sich Ch., in früherer Zeit namentlich ein deutsches Nationalconcil anstrebend, lebhaft an den sonstigen, weniger mit Waffengeklirr zusammenhängenden Verhandlungen über die kirchliche Angelegenheit, beziehungsweise über die Gleichstellung der Augsburgischen mit der katholischen Confession; so persönlich und durch Gesandte auf dem folgewichigen Reichstage des Jahres 1555 zu Augsburg, woselbst er insbesondere gegen den sogenannten geistlichen Vorbehalt ankämpfte und wegen seines unerschütterlichen Eifers als der Rädelsführer der protestantischen Partei bezeichnet wurde; dem Reichstage des Jahres 1556/57 zu Regensburg, allwo seine besonders entschieden hervortretende Thätigkeit wiederum vorzugsweise der Beseitigung dieses Vorbehaltes galt; ferner persönlich an der Besprechung evangelischer Fürsten auf dem Frankfurter Fürstentag im Juni 1557; durch Abgeordnete wenigstens an dem Colloquium zu Worms zwischen den Katholiken und Evangelischen (vom Sept.–Dec. 1557), welches freilich zum Theil in Folge der Verdammungssucht der Jenaer Theologen und des daran sich anschließenden Zwistes unter den Evangelischen selbst keinen Erfolg hatte; weiter persönlich an den Verhandlungen der protestantischen Fürsten zu Frankfurt, durch welche vermittelst des sogenannten Frankfurter Recesses vom 18. März 1558, allerdings ohne Erfolg, die Missverständnisse unter den Evangelischen selbst hinsichtlich der Lehren von der Rechtfertigung, dem heil. Abendmahl etc. gehoben werden sollten; persönlich und durch Abgeordnete an dem Reichstage des Jahres 1559 zu Augsburg; in eigener Person wieder an der zahlreich besuchten Naumburger Zusammenkunft der evangelischen Fürsten im J. 1561, welche in Ch. ihren eigentlichen Urheber und Hauptbeförderer hatte und durch die erneute Unterschreibung der Augsburger Confession den Vorwürfen der Katholiken gegenüber unter Abschneidung aller Sectirerei die Einhelligkeit unter den Evangelischen darthun sollte, eine Absicht, die freilich in Folge des Rücktritts des verdammungssüchtigen Herzogs Johann Friedrich des Mittleren von Sachsen nicht völlig erreicht wurde; endlich an den vielfachen Verhandlungen unter den Evangelischen über die Theilnahme an dem im J. 1562 wieder aufgenommenen Concil zu Trient, in welcher Hinsicht Ch. durch Dr. Gremp eine neue sehr gelehrte Recusationsschrift abfassen ließ.

War Ch. sonach längere Zeit hinsichtlich der verschiedenen Richtungen in der evangelischen Kirche von Engherzigkeit frei gewesen, so brachte doch allmählich die Furcht vor dem Eindringen calvinistischer Ansichten die herzoglichen Theologen, besonders Brenz, und den stark von ihnen beeinflußten Herzog in eine etwas schroffere Bahn. Dieser Richtung entsprechend wurde auf der Landessynode zu Stuttgart am 19. Dec. 1559 hinsichtlich der Abendmahlslehre auf Grund des Lehrsatzes von der Allgegenwart und Allenthalbheit (Ubiquität) des Leibes Christi die wirkliche Gegenwart des Leibes und Blutes Christi ohne Vermischung mit den Elementen und ohne örtliche Einmischung in dieselbe zunächst als ein vom Herzoge selbst unterschriebenes Kirchengesetz für Würtemberg festgestellt, aber auch mit der, ziemlichen Anstoß erregenden Absicht, dieses Dogma zum allgemeinen lutherischen Bollwerk gegen den Calvinismus zu erheben. Viel Sorge und [246] Mühe machte dem Herzog deshalb der Uebertritt des Kurfürsten Friedrich III. von der Pfalz zum reformirten Bekenntniß, allein seine wiederholten Versuche, Friedrich zu der lutherischen Auffassung zurückzuführen, waren erfolglos, so namentlich das zwischen beiderseitigen Theologen in Anwesenheit der Fürsten geführte Gespräch zu Maulbronn im April 1564, welches nur die gegenseitige Erbitterung der Theologen steigerte, eine Spannung unter den beiden Fürsten selbst verursachte und vielfach Klagen über das Fertigen neuer unerhörter Lehren von Seite Würtembergs hervorrief. Auf dem Reichstag zu Augsburg, welchen K. Maximilian II., der von Ch. in Angelegenheit seiner Wahl zum römischen König eifrigst unterstützte nahe Freund desselben, im März 1566 eröffnete, war der Herzog zeitweise für Ausschließung Friedrichs von den Wohlthaten des Religionsfriedens gestimmt, trat aber zuletzt doch dem einhelligen Beschluß der Stände bei, vor der Hand von weiteren Schritten gegen Friedrich abzustehen. Die auf diesem Reichstage seitens sämmtlicher evangelischer Stände an den neuen Kaiser gestellte Bitte, zur Durchführung einer allgemeinen Reformation möglichst bald ein Nationalconcil unter seinem Vorsitz zu berufen, die Evangelischen von den Plackereien zu befreien und ihre Religion mittelst Aufhebung des geistlichen Vorbehalts ganz frei zu stellen, war auf einen Entwurf Christophs gegründet, hatte aber freilich geringen Erfolg. Auf der anderen Seite gelang es auch dem Papste nicht, den Herzog, der übrigens sogar die Hoffnung auf Wiedervereinigung der getrennten Religionsparteien überhaupt keineswegs aufgab, im J. 1564 durch seinen Unterhändler Nikolaus v. Pollweiler dadurch wieder zur alten Kirche zurückzuführen, daß man ihm bestimmte Bewilligungen, den Laienkelch, die Priesterehe, die Freistellung der Gottesdienstordnungen und die Belassung des Kirchenguts in den Händen der protestantischen Fürsten, so wie die Möglichkeit der Vergrößerung seines Landes in Aussicht stellte. Ebensowenig aber zeigte sich Ch. im J. 1566/67 zur Unterstützung der Politik König Philipps II. von Spanien in den Niederlanden bereit, während er demselben gegen die Türken in Neapel gefügiger war und auch den aufständischen Niederländern, deren er sich allerdings sonst warm annahm, wenigstens keine Mannschaft, sondern nur dem Prinzen von Oranien ein ansehnliches Gelddarlehen zukommen ließ.

Ein besonderes Interesse gewähren die Beziehungen Christophs zu Frankreich, mit dessen parteileitenden Persönlichkeiten – den Herzogen von Guise einer- und den Prinzen von Bourbon andererseits – er meist von Alters her persönlich bekannt und zum Theil befreundet war, zeitweise in sehr regem gesandtschaftlichem Verkehre stand. Auch bei solchen Bestrebungen leitete ihn die Absicht, der in Frankreich stark unterdrückten Reformation aufzuhelfen und in diesem durch die Parteikämpfe und Religionskriege zerrissenen Lande Frieden zu stiften. Allein die von ihm in Verbindung mit einigen anderen gleichgesinnten Fürsten wiederholt, im August 1557 zu Gunsten zunächst der Waldenser und im Mai 1558 zu Gunsten der Reformirten in Paris an König Heinrich II. abgeschickten Gesandtschaften hatten ebensowenig Erfolg, als eine wiederum gemeinschaftliche Fürbitte für die Evangelischen bei König Franz II. im August 1559. Auch zur Zeit König Karls IX., für welchen seine Mutter Katharina von Medicis regierte und König Anton von Navarra als Oberstatthalter waltete, erzielte Ch., welcher den gegen ihn heuchlerisch freundlichen Leitern der katholischen Partei stets zuviel Empfänglichkeit für die Lehren der Reformation zutraute, keine großen Erfolge. Seine hauptsächlichen Schritte bei letzterer Regierung waren eine Abordnung zu dem Religionsgespräche, welches im Sept. und Oct. 1561 zu Poissy gehalten wurde, aber bereits vor Ankunft der herzoglichen Gesandten abgebrochen worden war, und die persönliche Zusammenkunft im Febr. 1562 mit den vier Gebrüdern Guise zu Elsaßzabern, bei welcher es sicherlich nur auf eine Täuschung [247] des Herzogs abgesehen war, jedenfalls kein Erfolg für die Sache der Reformation sich herausstellte. Daran schlossen sich vielfache Verhandlungen und Besprechungen mit den anderen evangelischen Fürsten. Doch verhielt sich auch Ch. seinerseits ablehnend, so namentlich, als ihm König Anton von Navarra im J. 1561 ein Bündniß Frankreichs, Englands und der protestantischen Fürsten Deutschlands zu Unterdrückung des Papstes und seiner Tyrannei vorschlug und als die Königin Katharina ihm im J. 1563 die Stelle des Oberstatthalters mit unbeschränkter Vollmacht zur Dämpfung der Unruhen anbot. Ebenso widerstand Ch. stets, seiner Friedenspolitik folgend, und zum Theil durch seine streng lutherische Richtung gehemmt, den Anforderungen in thatkräftigerer Weise durch Gestattung umfassenderer Werbungen etc. sich in die französischen Angelegenheiten einzumischen, und gewährte nur einmal zu der von den evangelischen Fürsten Deutschlands beschlossenen Unterstützung für den Prinzen Condé einen beträchtlichen Zuschuß. Aber auch durch Beihülfe der mächtigen protestantischen Königin Englands, Elisabeth, welche selbst sogleich nach ihrer Thronbesteigung um ein Bündniß mit den deutschen Fürsten Augsburgischen Bekenntnisses bemüht war, suchte Ch. für die Kräftigung der Reformation zu wirken. Auf die weitergehenden Anträge dieser letzteren an ihn und andere evangelische Fürsten, welche namentlich im J. 1562 ein festabgeschlossenes allgemeines Bündniß unter den Protestanten zur Bekämpfung der Papstmacht als des Zündfeuers alles Uebels und insbesondere der Unterstützung der Hugenotten durch Absendung eines Heeres bezweckten, ging er zwar so wenig ein, als seine fürstlichen Genossen, jedoch schon seit 1559 betrieb er mehrere Jahre lang, schließlich freilich ohne Erfolg, eine Verbindung dieser Königin mit dem Erzherzog Karl von Oesterreich.

Für die weitere Ausbreitung der Reformation insbesondere wirkte Ch. neben seiner genannten Thätigkeit zu Gunsten des Protestantismus im Großen noch vielfach, zunächst in Deutschland, indem er in mehreren Fällen vorzugsweise durch Abordnung seiner Theologen bei Einführung oder weiterer Durchführung der Reformation thätig war, so in Pfalz-Neuburg, den Herzogthümern Braunschweig-Wolfenbüttel und Jülich, der Markgrafschaft Baden-Pforzheim, der Grafschaft Oettingen-Harburg, der gräfl. Helfenstein’schen Herrschaft Wiesensteig, den Reichsstädten Rothenburg a. d. T. und Hagenau. Aber auch Italien und die slavischen Länder wurden in den Kreis der Evangelisationspolitik gezogen und hierbei bediente sich der Herzog insbesondere des früheren Bischofs von Capo d’Istria P. P. Vergerio. Hinsichtlich jenes Landes sollten nämlich drei Töchter der zum evangelischen Glauben hinneigenden Herzogin Renata von Ferrara in evangelische deutsche Fürstenhäuser vermählt und so die neu angeknüpften Verwandtschaftsbande für confessionelle Verhältnisse verwerthet werden, allein diese Heirathspläne wurden nicht verwirklicht. Was die slavischen Länder betrifft, so war Ch. um die Unterstützung der Reformirten in Polen und der böhmischen Brüder – allerdings nur mit wenigem oder doch vorübergehendem Erfolge – bemüht, jedoch segensreich wirkte die aus den vereinten Anstrengungen zweier österreichischer Flüchtlinge, des kärntischen Freiherrn Johann Ungnad von Sonnegg, als des Hauptleiters, und des Krainers Primus Truber, als Förderer der Drucke, in Urach erwachsende, von Ch. vielfach geförderte, erste evangelische Bibelanstalt, welche die Ausbreitung des Augsburgischen Bekenntnisses in Krain, Kärnten und Steiermark (in welchen Landen viele Winden wohnten), Croatien, Bosnien, Serbien (drei Ländern krabatischen [illyrisch-dalmatischen] Sprachgebiets) und in Istrien, zum Zwecke hatte. Selbst an Bekehrung von Türken wurde gedacht.

Patriotisch wie Ch. gesinnt war, verlor er übrigens bei allen seinen Verhandlungen das Wohl von Kaiser und Reich nicht aus dem Auge und war bei den verschiedensten Unternehmungen darauf bedacht, daß das Haupt Deutschlands, [248] der Kaiser, im Vordergrund der Handlung erscheine, auch unablässig bemüht, die verlorenen lothringischen Bistümer durch Unterhandlungen wieder für das Reich zu gewinnen. Anerkannt wurde sein Wirken für Reichszwecke insofern, daß er im Anschluß an die neuen Reichsordnungen vom Jahre 1555 von wegen der evangelischen Fürsten mit der Würde eines Visitators des Reichskammergerichts betraut und zum schwäbischen Kreisobersten und kreisausschreibenden Fürsten gewählt wurde.

Als Reformer und Gesetzgeber in seinem eigenen Herzogthum war Ch. nach allen Seiten des Staats- und Rechtslebens ungemein thätig durch Erlaß der mannigfaltigsten Ordnungen, wobei er zum Theil freilich dem Geiste der Zeit folgend von dem System einer übergroßen polizeilichen Aufsicht ausging (politische und kirchliche Visitation). Genannt zu werden verdient hier insbesondere: die Neuordnung des Privatrechts und Processes mittelst des im J. 1555 veröffentlichten Landrechts, welches auch außerhalb Würtembergs großes Ansehen und für die Rechtsentwicklung in Deutschland viele Bedeutung gewann, auch in einer späteren Umarbeitung im ganzen noch heutiges Recht ist, während übrigens die ursprüngliche Absicht des Herzogs, dieses Rechtsbuch auf Grund des einheimischen Rechtes aufzubauen, durch die mit der Ausführung des Werkes betrauten Kräfte nicht verwirklicht wurde. Für die Entwicklung des ständischen Wesens in Würtemberg, welches in seiner besonderen Zähigkeit zu einer Eigenart ausgebildet wurde, wie man sie sonst nirgends auf dem Festland antraf, fügte Ch. einen wesentlichen Baustein dadurch bei, daß er den 8. Jan. 1554 die Einrichtung des Ausschusses als des eigentlichen wirksamen Beschirmers der Verfassung in feste Form und Dauer brachte. Hiebei lag allerdings insbesondere in dem kleinen Ausschusse der Keim einer selbständigen Macht, die in der Folge nicht immer zum Wohl des Landes sich entfaltete, insofern gegenüber dem nicht in regelmäßigen Perioden zusammentretenden Landtage dieser Ausschuß in seiner Zusammensetzung wenigstens fortdauernd war und beim Abgang eines Mitglieds sich selbst ergänzte. Mit Prälaten und Landschaft – die Ritterschaft trennte sich zu Christophs Zeit trotz seiner lebhaften Gegenanstrengungen gänzlich vom Lande – verhandelte Ch. insbesondere auf den für die Geschichte der würtembergischen Stände wichtigen Landtagen von 1553/54 und 1565 über die Deckung der immerhin beträchtlichen herzoglichen Ausgaben für die Bedürfnisse des Hofes sowol als des Landes, in der damaligen Form der Staatswirthschaft, welcher gemäß sich die Steuerverwilligung als „Ablösungshülfe“ an die vollendete Thatsache der Ausgabe, beziehungsweise die aufgehäufte Schuldenlast anschloß und nur für den gerade vorliegenden Zweck auf eine bestimmte Anzahl von Jahren erfolgte. Ein besonderes Verdienst um sein Land erwarb sich Ch. dadurch, daß er in einer gegenüber der bestehenden Erstgeburtsordnung reichlichen Weise seinen Oheim, den Gr. Georg von Würtemberg, den 4. Mai 1553 abfand, indem er ihm die Grafschaft Mömpelgart nebst einigen Herrschaften in der Gegend, sowie die elsässischen Herrschaften Horburg und Reichenweiher zu selbständiger Regierung und vererblichem Eigenthum überließ. Da er zudem noch für diesen 56jährigen Grafen eine Heirath vermittelte, so verhinderte er durch die von letzterem erzielte Nachkommenschaft, daß nach dem Tode seines eigenen kinderlosen Sohnes und Nachfolgers, Herzog Ludwigs, Würtemberg als eröffnetes Lehen an Oesterreich heimfiel und namentlich auch in Religionssachen das Schicksal der Evangelischen dieses Landes theilte. In kirchlichen Dingen betrachtete sich Ch. zwar gleich anderen protestantischen Fürsten dieser Zeit als berechtigten und verpflichteten obersten Ordner, allein lange ehe das im Religionsfrieden den weltlichen Fürsten zugesprochene landesherrliche Reformationsrecht durch den westfälischen Frieden, soweit es das Verhältniß zwischen den Katholiken und den [249] A. C. Verwandten betraf, aufgehoben wurde, begab er sich in seiner festen religiösen Ueberzeugung, hierin ohne Beispiel, auf dem Landtage von 1565 für sich und seine Nachfolger dieses Rechtes und gestattete den Landständen, „so viel christlichen Unterthanen gegen ihre ordentliche Obrigkeit gebühre“, sich zu widersetzen, wenn ihnen etwas der Augsburgischen oder Würtembergischen Confession und deren Apologien zuwiderlaufendes aufgedrungen werden sollte. Im Anschluß an den Passauer Vertrag vom 16. Juli 1552, zum Theil noch vor dem wirklichen Abschluß desselben, wirkte Ch. für die gänzliche Entfernung des Interims und seiner Prediger aus dem Lande und schuf sofort durch eine Reihe von Verordnungen (Kastenordnung von 1552, Eheordnung, [sogen.] kleine Kirchenordnung und Visitationsordnung von 1553, [später sogen.] große Kirchenordnung vom 15. Mai 1559 etc.) die Verfassung der würtembergischen Kirche, wie sie im ganzen noch bis in die neueren Zeiten sich erhalten hat, wobei er die Augsburgische Confession als das ausschließliche einzig zulässige Bekenntniß erklärte und eine Einheit der Kirche und des Staates bewerkstelligte. Im speciellen gründete er die Einrichtung der Visitation (bald Kirchenrath genannt), d. h. der höheren, aus geistlichen und weltlichen Herren zusammengesetzten Behörde, durch welche er eine Anordnung seines Vaters ausbildete, beziehungsweise umschuf, und welche zweimal im Jahre sich durch Zuziehung der Generalsuperintendenten zum Convent (sogen. Synodus) erweiterte, auf die consistoriale landesherrliche Kirchenregierungsform, welche zu seiner Zeit in Deutschland überhaupt durchdrang. Weiter löste er die wichtige Frage von der Bestimmung des seither katholischen Kirchenguts – gegenüber sonst durchführbaren und beliebten eingreifenderen Säcularisationen – in der Weise, daß die geistlichen Gefälle des Kirchenkastens, zu dessen früher hauptsächlich aus Localkirchengütern zusammengesetzten Bestandtheilen und Einnahmen die Klöster, Stifter etc. immer mehr gezogen wurden, unverändert zur Erhaltung der geistlichen Stellen, Schulen, aber „auch andern gottgefälligen nothwendigen Ausgaben“ verwandt werden sollten. Hiedurch wurde der würtembergischen Kirche von dem alten katholischen Kirchengute ein jährlich über 100000 fl. an Einkünften abwerfendes und selbständig verwaltetes Vermögen erhalten. – Mit besonderer Behutsamkeit mußte die durch den Religionsfrieden ermöglichte Reformirung der Klöster (die Frauenklöster verloren übrigens ihre politische Existenz gänzlich) vorgenommen werden, da deren Vorstände gegen Umwandlungen lebhafte Vorstellungen einlegten, aber es gelang dem Herzoge doch allmählich, bei den meisten ohne Gewalt, insbesondere bei Erledigung der Abtsstellen, sie zur Reformation herüberzuziehen. Die vorzugsweise nach dem Religionsfrieden des J. 1555 von Ch. selbst gesetzten evangelischen Aebte, welche ihm huldigen mußten und nunmehr ein landesherrliches Amt erfüllten, wurden in rechtlicher und ökonomischer Hinsicht viel weniger selbständig gestellt, als ihre katholischen Vorgänger, und die umgewandelten Klöster wurden durch die Klosterordnung vom 9. Jan. 1556 meist zu Anstalten bestimmt, in welchen unter Anleitung von Klosterpräceptoren die künftigen Religionslehrer ihre gelehrte Bildung empfingen, Anstalten, welche in Verbindung mit der von Herzog Ulrich gegründeten, jetzt aber bedeutend erweiterten, höheren theologischen Lehranstalt zu Tübingen, dem sogen. Stifte, nirgends so durchgreifend und bedeutungsvoll für die ganze theologische Richtung, ja das ganze geistige Leben, zur Ausführung kamen, und wenn auch in manchen Hinsichten geändert, noch heutzutage fortbestehen. Wie Ch. das Schulwesen jeder Stufe am Herzen lag, er für die Landesuniversität zu Tübingen und die lateinischen Schulen wirkte, so erwies er sich in dem weiteren Aufbau dessen, was er an Volksschulen im Lande antraf, „als den ersten deutschen Landesfürsten, welcher den Begriff der Volksschule klar erfaßte“, [250] und schuf in dieser Hinsicht Einrichtungen, welche in anderen Ländern häufig, großentheils wörtlich, nachgeahmt wurden.

Nach der ganzen Wirksamkeit Christophs ist es gewiß nicht zu viel gesagt, wenn er als das Musterbild eines guten Fürsten bezeichnet wird. Hochverständig und so arbeitsam wie ausdauernd, fromm und freimüthig, gastfreundschaftlich und freigebig, ein Freund wie der Gelehrsamkeit so der geselligen Heiterkeit, der Jagd und in einer für seine knappen Finanzen bedenklichen Weise des Schlösserbaues, war der friedsame Regent ein vielfach, auch in Ehestiftungsangelegenheiten angegangener Mann der Ausgleichung und Vermittlung. Nur war er im Entwerfen von gut gemeinten Plänen für edle Ziele rascher und geschäftiger, als kühn in Ergreifung durchschlagender Maßregeln und glücklich in wirklichen Erfolgen gegenüber den häufig zu hoch gestellten Aufgaben, und eine überhandnehmende dogmatische Befangenheit gegenüber der Spaltung im Protestantismus, sowie zu große Abhängigkeit von seinen immer engherziger werdenden Theologen waren Schwächen, welche freilich auch von anderen seiner fürstlichen Genossen getheilt wurden und der Sache des Protestantismus nicht zum Vortheil gereichten.

Vgl. Joh. Christian Pfister, Herzog Christoph zu Wirtemberg. 1. 2. Tübingen 1819. 1820 Bernh. Kugler, Christoph, Herzog zu Würtemberg. 1. 2. Stuttgart 1868. 1872. Cph. Friedr. v. Stälin, Wirtembergische Geschichte. Bd. 4. Stuttgart 1873.