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ADB:Clement, Franz

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Artikel „Clement, Franz Joseph“ von Carl Ferdinand Pohl in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 319–320, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Clement,_Franz&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 15:34 Uhr UTC)
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Clement: Franz Joseph C., ein äußerst talentvoller Violinist und gewandter Orchester-Dirigent, geb. zu Wien am 17. Nov. 1780, † am 3. Nov. 1842. Sein Vater war als Violinspieler beim G.-F.-M. Harsch in Wien angestellt. Der reich begabte Knabe machte unter Anleitung seines Vaters so rasche Fortschritte im Violinspiel, daß er es wagen konnte, schon im 8. Lebensjahre, am 11. April 1788 im Trattner’schen Casino in Wien in einer eigenen musikalischen Akademie zum erstenmale aufzutreten. Der Kleine begleitete hier seine Mutter, die eine Concertarie von Anfossi sang, auf der Violine und spielte dann ein „starkes“ Concert von A. Stamitz (Wiener Ztg.). Eine zweite und dritte musikalische Akademie fand statt am 27. März 1789 im kais. königl. Nationaltheater und am 23. April im Saale der sogenannten Mehlgrube und schon jetzt machte der Knabe derartigen Eindruck, daß ihn die Wiener Zeitung in Versen besang. Vater und Sohn traten nun eine Reise an durch Deutschland, Belgien und England und überall erregte der kleine Virtuose Bewunderung. Der Aufenthalt in England war von längerer Dauer und von einer Reihe von Triumphen begleitet. C. gab hier eigene Concerte und spielte in den verschiedenen großen musikalischen Vereinen, in den Zwischenabtheilungen der Händel’schen Oratorien im Drurylane-Theater und in Westminster-Abtei, im kön. Schlosse Windsor, in der Universitätstadt Oxford zur Zeit, da Haydn daselbst die Doctorwürde empfing, und auf weiteren Ausflügen in den großen Provinzstädten. Das interessanteste Concert war wol jenes, das C. gemeinschaftlich mit dem damals zehnjährigen Virtuosen George Bridgetower, angeblich Sohn eines abyssinischen Fürsten, am 2. Juni 1790 unter der Protection des Prinzen von Wales veranstaltete. C. spielte hier ein Concert seiner Composition, ein Duo von Deveaux und ein Quartett von Pleyel; auch die Ouverture war von ihm componirt. Interessant war dieses Concert eben dadurch, daß hier zwei jugendliche Virtuosen vereint auftraten, denen später Beethoven jedem eigens ein Werk componirte, für Bridgetower die Sonate op. 47 (später R. Kreuzer gewidmet), für C. das Violinconcert op. 61. Beethoven widmete dasselbe bei der Herausgabe seinem Freunde Stephan v. Breuning, doch trägt das in der Hofbibliothek zu Wien befindliche Autograph die Aufschrift: „Concerto par Clemenza pour Clement primo Violino [320] e direttore al theatro di Vienna Dal L. v. Bthvn, 1806.“ – Welch großen Enthusiasmus C. auf seiner Reise (auf dem Rückweg über Holland spielte er bei der Kaiserkrönung in Frankfurt a. M. und in Prag) überall erregte, bezeugt das ihm in München „zum ewigen Andenken seiner Reise“ verehrte Stammbuch (nun in der Hofbibliothek zu Wien), das eine Menge Huldigungszeilen von damaligen Berühmtheiten umfaßt, darunter Clementi, Dussek, Giornovichi, Salomon (Entführer Haydn’s nach London), Hummel und Häsler, die Sängerinnen Storace und Mara, Abt Vogler, Haydn (als „echter Freund“), Salieri (damals in Prag) und in Wien ergänzt durch Albrechtsberger, van Swieten, Beethoven u. A. – Beethoven schreibt: „Lieber Clement! Wandle fort den Weg, den du bisher so schön, so herrlich betreten. Natur und Kunst wetteifern, Dich zu einem der größten Künstler zu machen. Folge beiden, und Du darfst nicht fürchten, das große – größte Ziel zu erreichen, das dem Künstler hienieden möglich ist. Sei glücklich, lieber Junge, und komme bald wieder, daß ich Dein liebes, herrliches Spiel wieder höre. Ganz dein Freund L. v. Beethoven (in Diensten S. K. D. zu Kölln). Wien 1794.“ – In Wien angekommen, gab C. wiederholt Concerte, suchte sich noch zu vervollkommnen und wurde, 19 Jahre alt, als Solospieler im Hoftheater und als Adjunct des Kapellmeisters Süßmayr angestellt. Im Jahre 1802–3 wurde er Orchesterdirector im Theater an der Wien, nahm 1811 Urlaub und trat eine Kunstreise nach Rußland an. In Riga der Spionage verdächtigt, wurde er nach Petersburg geschleppt und endlich, obwol seine Unschuld anerkannt werden mußte, zwangsweise über Brody an die österreichische Grenze escortirt, von wo er sich, aller Mittel entblößt, durch Concertgeben bis Wien durchschlug. Da sein Posten im Theater vergeben war, nahm er für den Sommer im nahen Baden eine Stelle an und ging dann im Herbst nach Prag. Während seines dortigen vierjährigen Engagements unter C. M. v. Weber’s Direction machte er Kunstreisen nach Dresden, Leipzig und in die böhmischen Bäder, kehrte dann 1817 nach Wien zurück, wo er seine frühere Stellung im Theater an der Wien wieder einnahm. Beim Besuche der Sängerin Catalani dirigirte er deren Concerte und begleitete sie 1821 auf ihrer Reise durch Süddeutschland bis an den Rhein. Auf seinem letzten Kunstausfluge besuchte er München, Augsburg, Stuttgart und blieb dann bis an seinen Tod beständig in Wien. Als Componist brachte es C. zu keiner Bedeutung. Im Knabenalter schrieb er etliche 20 Concerte, Variationen und Ouverturen; aus späterer Zeit stammen 12 Etuden, 6 Concerte, 3 Ouverturen, 1 Messe, 1 Pianoforte-Concert und verschiedene Kammermusik. Für das Theater lieferte er das einactige Singspiel „Der betrogene Betrüger“ und die Musik zu dem Melodrame „Die beiden Säbelhiebe“ (1823 im Theater an der Wien aufgeführt). – Clement’s Spiel zeichnete sich vornehmlich durch Zierlichkeit, Nettigkeit und Eleganz aus; namentlich in der hohen und höchsten Applicatur bewegte er sich gerne und mit Sicherheit. Er war ferner ein äußerst routinirter Partiturspieler und besaß ein fabelhaftes Gedächtniß. Die Leichtigkeit, mit der er alles aufzufassen im Stande war, wirkte wiederum nachtheilig auf seine Carrière; er vernachlässigte sich als Künstler und Mensch und sank schließlich in völlige Vergessenheit in derselben Stadt, die ihn als Knaben bejubelt hatte. Sein Andenken verewigt zu sehen, hat er Beethoven zu verdanken, den er leidenschaftlich verehrte und dessen Quartette er eifrig bemüht war zu verbreiten, der aber auch für ihn, wie oben erwähnt, sein einziges, den Eigenheiten von Clement’s Spiel angepaßtes Violinconcert (ein früheres ist nur als Fragment erhalten), componirte, das C. in seiner jährlichen Akademie im Theater an der Wien am 23. December 1806 zum ersten Male öffentlich spielte. Dabei zeigte er sich noch in einer freien Phantasie für die Violine und (traurig zu sagen) auch als Charlatan durch den Vortrag einer „Sonate auf einer Saite mit umgekehrter Violine“!