ADB:Deroy, Erasmus Graf

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Artikel „Deroy, Bernhard Erasmus Graf“ von Carl von Landmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 63–66, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Deroy,_Erasmus_Graf&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 11:53 Uhr UTC)
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Deroy: Bernhard Erasmus Graf D., baierischer General der Infanterie, geb. 11. Dec. 1743 zu Mannheim, † 23. Aug. 1812 zu Potozk. – Das Geschlecht der D. stammt aus der Picardie, von woher es im 17. Jahrhundert theilweise nach Deutschland übersiedelte; ein de Roye, so schrieb sich früher die Familie, focht unter Ernst von Mansfeld im 30jährigen Kriege. Der Vater des Helden war General in kurpfälzischen Diensten.

Schon 1750 zum Fähnrich im kurpfälzischen Fußregiment Zweibrücken ernannt, machte D. den 7jährigen Krieg beim Reichsheere mit und rückte während desselben bis zum Hauptmannsgrade vor; als großer Verehrer Friedrichs des Gr. kehrte er aus demselben zurück. Die 1777 vollzogene Vereinigung von Baiern und Pfalz hatte unmittelbar keinen wesentlichen Einfluß auf Deroy’s Laufbahn; nachdem er inzwischen in anderen Abtheilungen gestanden, kam er 1789 als Oberst wieder in sein altes Regiment Zweibrücken (jetzt 6. Inf.-Regt.). – 1792 wurde D. Generalmajor und Truppenbefehlshaber in dem festen Platze Mannheim, über ihm stand Graf Belderbusch als Gouverneur. Der Krieg 1794 führte die republikanischen Heere an den Rhein; die Division Vachot rückte gegen Mannheim vor und forderte die Uebergabe der Rheinschanze, welche als Brückenkopf den Rheinübergang deckte und dessen Besatzung von D. befehligt wurde. Von letzterem abgewiesen, ließ Vachot die Stadt und die Rheinbrücke beschießen. Belderbusch, durch das Bombardement eingeschüchtert, übergab die Rheinschanze [64] den Franzosen, welche dafür Mannheim zu schonen versprachen. Als jedoch 1795 Pichegru vor Mannheim erschien und mit Beschießung drohte, übergab Belderbusch ohne Weiteres auch die Stadt, wozu er nur im äußersten Nothfalle vom Kurfürsten ermächtigt war. Die Besatzung durfte mit allen Kriegsehren abziehen gegen das Versprechen, in diesem Kriege nicht mehr gegen Frankreich zu kämpfen. Obwol nun D. nach der Wiedernahme Mannheims durch Wurmser in seine vorige Stellung zurückkehrte, so war er in Folge dieses Versprechens von weiterer Betheiligung an den Kämpfen der deutschen Heere ausgeschlossen. Im J. 1798 wurde er zum Inspecteur der Infanterie ernannt und nach München berufen; ein Commando bei der Feldarmee durfte er erst 1800 annehmen. In diesem Jahre stellte Baiern außer seinem Reichscontingent mit englischem Gelde noch eine vollständige Armeedivision unter General Zweibrücken, deren erste Brigade D. (die zweite stand unter Wrede) vom Versammlungsorte Donauwörth gegen den Feind führte. Der österreichische Oberbefehlshaber Kray kämpfte ohne Glück. Vom Wiener Hofe zu spät zur Offensive beordert, wurde er von den über den Rhein vorgerückten Franzosen unter Moreau bei Stockach, Möskirch und Engen zum schließlichen Rückzuge nach Ulm gezwungen; hier stieß auch die Brigade Deroy zum Heere und betheiligte sich von da ab an den Gefechten von Memmingen und Neuburg a. D., sowie an der verhängnißvollen Schlacht von Hohenlinden. Bei diesen Gelegenheiten hart in den Kampf verwickelt, vorzugsweise um den Rückzug der Oesterreicher zu decken, zeichnete D. sich mit seiner Brigade in hervorragender Weise aus; in dem Versuche, den Sieg um jeden Preis auf die deutsche Seite neigen zu machen, fiel er bei Hohenlinden verwundet mit 38 seiner Officiere in feindliche Gefangenschaft.

In den Kriegen gegen die französische Republik hatte sich gezeigt, daß durchgreifende Verbesserungen im Heerwesen unbedingt nöthig waren. Nachdem nicht lange vorher die Tüchtigkeit des baierischen Heeres so gering angeschlagen worden war, daß nachgewiesener Maßen die mit dem Ankauf von Truppen für den Krieg in Amerika beauftragten englischen Commissäre in Baiern seinerzeit ein schlechtes Geschäft zu machen geglaubt hatten, so war dasselbe durch den nach Baiern berufenen Engländer Thompson als Kriegsminister wenigstens so weit gebracht worden, daß es den Truppen der übrigen deutschen Staaten nicht unbedingt nachstand. In Bezug auf Stärke, Heerordnung und taktische Ausbildung blieb jedoch noch viel zu wünschen übrig; von vielen Regimentern waren nur noch Stammabtheilungen vorhanden, die Zeughäuser waren leer, die Cavallerie schlecht oder gar nicht beritten, als Kurfürst Karl Theodor starb. Zur Hebung der bestehenden Mängel wurde von dem neuen Regenten Kurfürst Max Joseph 1801 ein Ausschuß niedergesetzt. Als Mitglied desselben erwarb sich D. hervorragendes Verdienst, auch ließ er sich die taktische Ausbildung des Fußvolks entsprechend der von den republikanischen Heeren allgemein in Geltung gebrachten neuen Kampfweise insbesondere angelegen sein. Wenige Jahre genügten, und das baierische Heer war ein vollständig anderes geworden, vielleicht eben so kriegstüchtig wie das französische, an dessen Seite es in den nächsten Jahren kämpfte.

Zum Kriege 1805 konnte Baiern bereits zwei Divisionen unter D. und Wrede stellen. Dieselben standen im October d. J. bei Nürnberg und traten dann bei Weißenburg a. S. unter den Oberbefehl Davoust’s, welcher mit seinem Corps den linken Flügel der strategischen Front Napoleon’s bildete. Während sich die Katastrophe von Ulm vollzog, hatten die Baiern die Verfolgung des von dort abgedrängten österreichischen Corps Kienmeyr durchzuführen, und als Napoleon mit dem Haupttheil der Armee nach Wien vorrückte, wurde D. beauftragt, mit seiner Division die baierische Südgrenze gegen den in Tirol stehenden Erzherzog Johann zu decken und später den von Westen her im Gebirge vorrückenden [65] Marschall Ney zu unterstützen; Wrede hatte vorläufig gegen Salzburg vorzugehen. Zu genanntem Zwecke rückte D. nach Reichenhall und von da gegen die Strubpässe vor. Nachdem die Oesterreicher bei Unken zurückgegangen waren und den ersten Strubpaß nach hartem Kampfe überlassen hatten, wurde D. beim Angriff auf den zweiten Strubpaß schwer verwundet. Der Rückzug der Baiern aus Tirol war die weitere Folge, D. wurde nach München gebracht. – Von seiner Wunde genesen, erhielt D. das Commando in den durch den Presburger Frieden an Baiern abgetretenen Provinzen Tirol und Vorarlberg, in welcher Stellung er durch sein einsichtsvolles und menschenfreundliches Verfahren sich in hohem Grade die Liebe der dortigen Bevölkerung erwarb. Von diesem Posten rief ihn der Krieg 1806 gegen Preußen und Rußland bald wieder ab. Dem neunten Corps (Hieronymus Bonaparte) zugetheilt, fiel D. mit seiner Division und dem würtembergischen Contingent die Belagerung der schlesischen Festungen zu. Breslau, Brieg und Glatz öffneten nach hartnäckiger Vertheidigung ihre Thore, Kosel, Glogau und Silberberg hielten sich jedoch bis zum Friedensschlusse 1807, der D. wieder nach Baiern zurückführte. – Im Feldzuge 1809 stand das baierische Heer, nun drei Divsionen stark, unter dem Franzosen Lefebre. Als Erzherzog Karl Anfangs April mit seinem Heere in Baiern vordrang, erhielt die Division D. den Auftrag, demselben den Uebergang bei Landshut möglichst lange zu verwehren, um hierdurch für den Anmarsch der Franzosen Zeit zu gewinnen. Die Meisterschaft, mit welcher er hier und auf dem weiteren Rückzuge gegen die Abens der Uebermacht Widerstand leistete, wurde auch von Erzherzog Karl anerkannt. In der Schlacht von Abensberg, 20. April, bildete Deroy’s Division die Reserve der Baiern, Tags darauf lieferte er dem Feinde das glänzende Gefecht bei Schierling, in dessen Besitz er sich setzte, und in der Schlacht von Eggmühl am 22. April trug er, im Centrum der Schlachtlinie zur Verwendung gekommen, durch Wegnahme des Dorfes Unterleuchling wesentlich zum Siege bei. Beim weiteren Vormarsche Napoleon’s wurde Lefebre mit den Baiern zur Unterwerfung der aufgestandenen Tiroler abgesendet, entsetzte Kufstein und rückte in Innsbruck ein, nachdem Wrede die Oesterreicher bei Wörgl, Rattenberg und Schwaz geschlagen hatte, während die Division des Kronprinzen um Salzburg verblieb. Nach der verlornen Schlacht von Aspern zog Napoleon alle verfügbaren Truppen an sich und D. wurde mit seiner Division allein in dem kaum unterworfenen Lande zurückgelassen. Tirol erhob sich von neuem; D., nicht im Stande, sich gegen den im Gebirge ihm überlegenen Feind zu halten, zog sich in die Ebene zurück und beschränkte sich auf die Deckung der Grenze gegen feindliche Einfälle. Der Sieg von Wagram machte wieder Truppen verfügbar; nach eingetroffener Verstärkung ordnete Lefebre abermals den Vormarsch an, aber kaum war das nördliche Tirol unterworfen, so mußte es nach kurzer Besetzung wiederum geräumt werden. Erst bei der dritten Invasion, als die drei baierischen Divisionen von Norden und französische Heertheile von Kärnthen und Italien her in Tirol einrückten, machten die Landesvertheidiger Frieden.

Diese Kämpfe in Tirol, mit Truppen, die für den Gebirgskrieg weder ausgerüstet noch ausgebildet waren, gegen einen Feind, den man nicht fassen konnte, waren Deroy’s schwerste Zeit, und es ist erstaunlich, daß der schon am Greisenalter stehende Mann den geistigen und körperlichen Anstrengungen derselben nicht erlag. So rüstig blieb er, daß er sich trotz seiner 70 Jahre von König Max Joseph nicht zurückhalten ließ, als das Machtgebot Napoleon’s 1812 die Baiern nach Rußland rief. Unter Gouvion St. Cyr das sechste Armeecorps bildend, rückten die baierischen Divisionen unter D. und Wrede im März und April dieses Jahres über Dresden und Posen an die Weichsel und von da über Kowno nach Wilna. Schon an der Weichsel hatte sich der Einfluß der großen Märsche, [66] sowie der mangelhaften Verpflegungs- und Lazarethverhältnisse in erschreckender Weise fühlbar gemacht. Der großen Umsicht Deroy’s gelang es, daß seine Division in mehr kampffähigem Zustande erhalten blieb, als dies bei andern, insbesondere bei französischen Heertheilen der Fall war. Während der Haupttheil der großen Armee nach Moskau zog, blieben zwei Armeecorps, darunter das baierische, dem russischen Heere unter Wittgenstein gegenüber zur Deckung der linken Flanke zurück. Nach einzelnen unbedeutenden Gefechten kam es am 28. August zur Schlacht von Polozk a. d. Düna. Neben der Division Wrede, welche den rechten Flügel bildete, stand Deroy’s Division; links neben der letzteren kämpften französische Abtheilungen. Noch schwankte die Schlacht, da führte D. persönlich eines seiner Regimenter zum Angriff gegen die russische Mitte vor, – hier traf ihn die verhängnißvolle Kugel. Die Verwundung des verehrten Führers, der aus dem Gefecht getragen werden mußte, und vieler anderer Officiere brachte die Angriffsbewegung ins Stocken und es war Gefahr, daß die bereits errungenen Vortheile wieder verloren gingen, als Wrede sich rechtzeitig an die Spitze der führerlosen Division stellte und sie zum endgültigen Siege vorführte. – Wenige Tage darauf starb D.; das Schreiben Napoleon’s, worin derselbe ihn auf die Nachricht seiner Verwundung in Anerkennung seiner Verdienste mit der französischen Reichsgrafenwürde und mit einer Dotation beschenkte, traf ihn nicht mehr am Leben. Beide Auszeichnungen gingen daher auf seine Familie über und wurde letztere auch in Baiern in den Grafenstand aufgenommen. D. war zweimal vermählt gewesen, sein ältester Sohn stand 1812 als Oberst eines Infanterie-Regiments bei der Division Wrede.

Empfänglich für alles Große und Erhabene, liebenswürdig und einnehmend im gesellschaftlichen Leben, gleich gewandt auf dem Parquet wie im Feldlager, war D. ein Edelmann im schönsten Sinn des Wortes. Er besaß die Eigenschaften, welche den höheren Truppenführer kennzeichnen, insbesondere die Gabe, seine Organe an sich zu fesseln und zur höchsten Leistungsfähigkeit zu bringen. Geistesgegenwart in der Gefahr, rascher Entschluß und folgerichtige Durchführung des einmal Gewollten und eine bis zum Tode unveränderliche geistige und körperliche Rührigkeit zeichneten ihn vor Anderen aus. Wenn er trotz seiner Fähigkeiten und trotz der Erfahrungen seiner vielen Feldzüge nie mehr als eine Armee-Division zu führen bekam, so liegt der Grund hiefür darin, daß Napoleon grundsätzlich seine Armeecorps nur von Franzosen befehligt wissen wollte, waren sie auch unfähig wie Jerome Bonaparte. Die zeitgemäße Kriegsausbildung der Infanterie durch Einführung ausgezeichneter taktischer Vorschriften und die Hebung des Officiercorps dieser Waffe lassen ihn mit Recht als den Reformator der baierischen Infanterie bezeichnen; er ist es, der sie zu siegen fähig machte. Seine stete Sorge für das Wohl der Officiere und Soldaten bewahrten ihm auf lange ein treues Andenken, wol noch selten hat der Tod eines Führers im baierischen Heere so allgemeine Trauer hervorgerufen, als jener des Vaters Deroy. Zu München ist ihm ein Standbild errichtet worden, wie die Inschrift besagt: Vom baierischen Heere.

Heilmann, Leben des General Deroy. Augsburg 1855. – Hasse, Zeitgenossen. 3 Reihe. 3. Bd. Leipzig 1831. – Völderndorff, Kriegsgeschichte von Baiern. München 1826.