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ADB:Dietrich, Dominicus

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Artikel „Dietrich, Dominicus“ von Ludwig Spach in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 5 (1877), S. 193–194, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dietrich,_Dominicus&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 03:31 Uhr UTC)
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Dietrich: Dominicus D., Ammeister von Straßburg, geb. 30. Jan. 1620, † 1692. Sein Großvater Dominicus Didier, zu St. Nicolas in Lothringen im J. 1549 geb., flüchtete als Protestant während der Religionskriege nach Straßburg und germanisirte daselbst seinen Familiennamen. Johannes D., der Vater des zweiten, geschichtlich berühmten Dominicus, war Handelsmann und Mitglied der XVer Kammer. – Durch seine eheliche Verbindung mit einer Tochter des Ammeisters Wendler (den 10. April 1647) öffnete sich für Dominicus D. die Laufbahn der öffentlichen Aemter. Er wurde in den Großen Rath gebracht, und betrat nacheinander die Kammern der XVer, XXIer und der XIIIer; im J. 1660, also im Alter von 40 Jahren, wurde er zum erstenmal zum Ammeister ernannt. – Seine Familie bestand aus acht Kindern (er war zweimal verheirathet); seine Vaterstadt ehrte ihn als ihren vorzüglichsten Bürger. – Als Ammeister stand er in ständigem Verkehr mit den französischen Residenten, welche Ludwig XIV., seit dem westfälischen Frieden, in Straßburg unterhielt. Die Lage der Stadt Straßburg zwischen dem deutschen Reich und der französischen Regierung war im höchsten Grade schwierig. Dominicus D. suchte so viel thunlich die Neutralität zu wahren. Eine anonyme Schmähschrift erschütterte sein Ansehn (1672); der entdeckte Verfasser des Pamphlets, Georg Obrecht, wurde zum Tode verurtheilt; das Gehässige dieser fürchterlichen Strafe blieb an D. haften. Man beschuldigte ihn, zu Frankreich hinzuneigen. D. war hellsehend. Er bemühte sich, in den Augen der Residenten Fleischmann und Frémont d’Ablancourt, die öftern Eingriffe der Stadt in die Neutralität zu [194] beschönigen. Als nach Turenne’s Tode (1675) und dem Rückzug des französischen Heeres Montecuculi mit den Reichstruppen zu Kehl sein Lager aufschlug und für seine verwundeten Soldaten in Straßburg Aufnahme erzwang, wurde die Sprache des französischen Residenten immer drohender. Schon während des Jahres 1678 lief Straßburg große Gefahr. Die Festung Kehl, woselbst die Straßburger Bürgermiliz und schweizerische Söldner Standquartier hielten, wurde von Baron Monclar angegriffen und fiel in die Hände dieses französischen Feldherrn. D. hatte bei der Gegenwehr seine persönliche Tapferkeit bethätigt. Der Friede von Nymwegen zog Straßburg noch für drei Jahre aus der Klemme. Der Resident Fleischmann der jüngere nahm sich unterdeß heraus, eine katholische Capelle in seinem Hotel einzusetzen. Die Reunionskammern gingen rücksichtslos vorwärts. Die Straßburger Landvogteien wurden von französischen Truppen besetzt; immer enger und näher schloß sich der eiserne Zirkel um Straßburg. Am 27. Septbr. 1681 hatte Monclar 30000 Mann Kerntruppen in der Umgebung der Stadt aufgestellt. Unter Dietrich’s Führung begab sich eine Deputation des Straßburger Magistrats zu Monclar, der aber die Abgesandten an Louvois hinwies. Es war dieser Staatsminister den 29. September zu Illkirch, eine Stunde südlich von Straßburg, angekommen; keine weitere Zögerung war möglich. Am 30. Septbr. wurde das Instrument der Uebergabe unterzeichnet. In dieser merkwürdigen Urkunde steht Dietrich’s Name zwischen den Namen v. Zedlitz und Fröreisen. Immer schwieriger wurde Dietrich’s Lage. Sein bisheriges Ansehn war und blieb vernichtet; der Syndicus Güntzer und der gelehrte Ulrich Obrecht – Georg Obrecht’s Sohn – hatten sich zum katholischen Glauben bekehrt, den Dominicus D. nicht nur in den Hintergrund gedrängt; durch ihre Einflüsterungen ward der allmächtige Louvois immer mehr gegen den unglücklichen Ammeister eingenommen; er glaubte – wol nicht ganz mit Unrecht – durch Dietrich’s festes Beharren im lutherischen Glauben würden Straßburgs Einwohner vom Uebertritt in die Mutterkirche abgehalten. Im Monat Februar 1685 wurde D. nach Paris beschieden und vielfach bearbeitet; allein er blieb unerschüttert in seiner Glaubenstreue. Erzürnt, auf solchen Widerstand zu stoßen, verbannte Louvois den unterdeß seines Amtes enthobenen Ammeister in das Städtchen Guéret (Juli 1685). In Straßburg selber wurden die Mitglieder der Familie D. mit Bitten und Drohungen und Versprechen bestürmt. Ein näherer Verwandter ward abtrünnig. D., altersschwach und krank, hielt fest. Im J. 1688 erhielt er auf zwei Monate lang die Erlaubniß, seine Geschäfte in Straßburg zu ordnen, und kam zuletzt ins Exil nach Vesoul in der Freigrafschaft. Den 3. Oct. 1689 ward ihm die Rückkehr in seine Vaterstadt zugestanden; doch hatte er sich in seiner Wohnung verborgen zu halten; der Besuch des öffentlichen Gottesdienstes war ihm untersagt. Er starb 9. März 1692, am Leibe zerrüttet, im Geiste ungebeugt. Seinen Feinden vergab er als Christ und empfahl seiner Familie eine gleiche Gesinnung.

Strobel, Vaterländische Geschichte des Elsasses. Bd. V. S. 131 u. ff. Piton, Strasbourg illustré, T. II. p. 59. Coste, Réunion de l’Alsace à la France (passim). Van Huffel, Documents inédits sur l’histoire de France (passim). Scherer, Der Verrath Straßburgs an Frankreich in Raumer’s historischem Taschenbuch von 1843. Louis Spach, Biographies alsaciennes Tom. I. p. 81 ss.