ADB:Dornum, Ulrich von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Ulrich von Dornum“ von Paul Wagner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 246–248, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dornum,_Ulrich_von&oldid=- (Version vom 18. April 2024, 15:41 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Ulrich der Wilde
Band 39 (1895), S. 246–248 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Ulrich von Dornum in der Wikipedia
Ulrich von Dornum in Wikidata
GND-Nummer 119656620
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|39|246|248|Ulrich von Dornum|Paul Wagner|ADB:Dornum, Ulrich von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=119656620}}    

Ulrich von Dornum, ein ostfriesischer Häuptling, Herr zu Oldersum, hat sich als Söldnerführer, als Rathgeber der Grafen Edzard I. und Enno I. von Ostfriesland und als eifriger Anhänger und thatkräftiger Beförderer der Reformation in seiner Heimath einen Namen gemacht. Er war der Sohn des Häuptlings Sibet Attena von Esens und Dornum aus dessen Ehe mit Margarethe von Westerwolde. Sein Geburtsjahr ist unbekannt, mag aber in das 6. oder 7. Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts fallen. Auch über seinen Bildungsgang weiß man nichts näheres, doch muß er sich Kenntnisse angeeignet haben, die er später erweiterte. Während ihm sein väterliches Erbtheil durch seinen [247] Stiefbruder, den Häuptling Hero Omken, andauernd vorenthalten wurde, erhielt er durch seine Heirath mit Essa, der Tochter des Häuptlings Haiko, die Hälfte der Herrlichkeit Oldersum an der Ems und erlangte damit einen für ostfriesische Verhältnisse ansehnlichen Besitz. Doch die Zeiten am Ende des 15. Jahrhunderts und wol auch sein in der Jugend rauflustiger Charakter waren nicht darnach angethan, daß er sich dessen in Ruhe erfreute. Er gerieth mit seinem Landesherrn, dem Grafen Edzard, in arge Feindschaft, verlor dabei zeitweise seine Güter und griff nun zum Kriegshandwerk. In den heftigen Kämpfen, die um die Wende des 15. Jahrhunderts die Länder westlich und östlich der Ems durchtobten und unter dem Namen der sächsischen Fehde bekannt sind, trat er – eine echte Landsknechtsnatur – an die Spitze eines zusammengelaufenen Haufens, der sogenannten schwarzen Garde, bekämpfte im Dienste der Stadt Groningen seinen Landesherrn (1499), der es mit dem sächsischen Herzog Albrecht, dem Gubernator Frieslands, hielt, ließ sich hierauf vom Grafen Johann von Oldenburg zum Kampfe gegen die Butjadinger und Stadtländer anwerben –(1500), um dann in die Dienste des Herzogs Magnus von Lauenburg zu treten. Ein Verwundung am Bein, die er hier bei einer Unternehmung gegen die Wurstfriesen erhielt, hinderte ihn, seinen Heerhaufen dem Könige Johann von Dänemark zuzuführen, der ihn zum Kampfe gegen die Ditmarschen angeworben hatte. Einige Jahre darauf (1503) söhnte er sich mit dem Grafen Edzard vollständig aus, erhielt seinen Besitz zurück und stand fortan fast ein Menschenalter hindurch dem Grafen in unverbrüchlicher Treue und Freundschaft als Kriegsmann, wie als Rathgeber zur Seite. Man müßte die Geschichte Ostfrieslands erzählen, wollte man über sein Leben genauer berichten. Es mag genügen, zu erwähnen, daß er von Edzard ausersehen wurde, 1506 dem Rathe und der Bürgerschaft von Groningen den Huldigungseid abzunehmen, als die Stadt den Grafen als ihren Schutzherrn annahm, und daß er in den bald darnach ausbrechenden Kämpfen mit dem Herzog Georg von Sachsen, dem Sohne und Nachfolger Albrecht’s, sowie mit dessen Bundesgenossen, namentlich im J. 1514, Edzard erhebliche militärische Dienste leistete. – Nach wiederhergestelltem Frieden mag er sich auf seine Burg in Oldersum zurückgezogen haben, wo er dem Grafen nahe war, sobald dieser in Emden seiner bedurfte. Hier fand er jetzt auch Muße, seine Bildung zu vermehren und sich jene ausgebreiteten Kenntnisse in den biblischen Schriften, wie im weltlichen Rechte anzueignen, die sein Schwager, der ostfriesische Chronist Beninga, an ihm rühmt; denn mit dessen Schwester Hyma war U. 1519 eine zweite Ehe eingegangen. Als die Wellen der großen kirchlichen Bewegung, die Deutschland damals ergriffen hatte, auch nach dem fernen Ostfriesland hinüberschlugen, war er einer der ersten, bei dem die reformatorischen Gedanken Anklang und Unterstützung fanden, und zweifellos hat er in diesem Sinne auch auf seinen Landesherrn bestimmend eingewirkt. Mit Eifer las er die Schriften Luther’s, dessen mannhaftes Auftreten gegen den Papst in der Brust des alten Kriegers mächtigen Widerhall gefunden haben wird. Von der Ueberzeugung durchdrungen, daß die Lehren der Reformatoren auf Gottes Wort beruhten, und des Papstes Gesetze nur Menschenwerk seien, gestattete er schon früh seinem Caplan Heinrich zu Oldersum im Sinne der Reformation zu predigen, und als der immer weiter um sich greifenden Bewegung von jenseits der Ems aus Widerstand geleistet wurde, ließ er in der Kirche zu Oldersum 1526 zwischen den Anhängern der neuen Lehre und dem Jacobitenmönche Dr. Laurenz von Groningen ein Religionsgespräch abhalten. Er betheiligte sich selbst daran und stellte hierauf dessen Verlauf in einer zu Wittenberg noch im selben Jahre erschienenen Schrift ausführlich dar. Eindrucksvoll, siegesfreudig, nicht ohne Humor, aber in dem etwas groben Tone des 16. Jahrhunderts [248] geschrieben spiegelt diese Schrift den streitbaren Charakter und die Ueberzeugungstreue ihres Verfassers deutlich wieder. Sie machte im ganzen Lande, und wol auch darüber hinaus, großes Aufsehen und ließ erkennen, welche Stütze die neue Lehre in dem angesehenen Manne hatte. – Zwei Jahre darauf (1528) starb Graf Edzard. Sein Sohn und Nachfolger Enno I. wußte Ulrich’s Verdienste um den Vater wohl zu schätzen. Er behielt ihn daher als Berather bei und war während seiner an inneren und äußeren Wirren reichen Regierung nicht selten in der Lage, sich seine Erfahrungen und seinen Rath nutzbar zu machen, namentlich wenn es sich um die kirchlichen Angelegenheiten handelte, die damals Ostfriesland beschäftigten, die Herstellung einer kirchlichen Ordnung, den Abendmahlstreit und die Beseitigung der eingedrungenen wiedertäuferischen Lehren. U. war es, der 1529 dem jungen Grafen rieth, zu diesem Zweck Bugenhagen nach Ostfriesland zu berufen. Der Rath, der freilich infolge der Weigerung Bugenhagen’s nicht zur Ausführung gelangen konnte, zeigt schon, wie U. im Kampfe der damals um die Herrschaft ringenden Bekenntnisse eine vermittelnde, versöhnliche Haltung einnahm, da er für seine Person sich zur Lehre der reformirten Kirche gehalten zu haben scheint, mit deren Vertretern in der Schweiz und in Straßburg er in freundlichem Verkehr stand. Merkwürdig, welche Entwicklung dieser Mann genommen hat! Während er in seiner Jugend einem wüsten, heimathlosen Landsknechtthum verfallen zu sein schien, drängte ihn seine gesunde Natur von dieser Verirrung zurück auf den Weg praktischer, politischer und militärischer Thätigkeit zum Besten seines Landesherrn und seiner engeren Heimath. Nicht unberührt von der damaligen Bildung und mit einem lebhaften religiösen Empfinden ausgestattet, ergriffen ihn dann die großen kirchlichen Umwälzungen des 16. Jahrhunderts auf das tiefste. Die kühle, nüchterne Denkweise, die seinem Volksstamm eignet, sein heller Verstand, seine reichen Lebenserfahrungen und seine eifrige Beschäftigung mit den biblischen und reformatorischen Schriften brachten ihn sofort auf die Seite der neuen Lehre, und sein thatkräftiger, energischer Charakter ließ ihn bald zu einer Hauptstütze der evangelischen Kirche seiner Heimath werden. Wohl bäumte sich seine alte Kriegernatur leidenschaftlich auf im Streite gegen Papstthum und das ihm verhaßte Mönchthum, aber wo es sich um das Austragen von Gegensätzen innerhalb der neuen Bekenntnisse handelte, war er versöhnlich und zu Vermittlung bereit. So bildet er eine hervorragende und erfreuliche Erscheinung in der Geschichte seines Landes. – Gegen Ende seines Lebens zogen kriegerische Ereignisse ihn noch einmal in ihren Strudel. Infolge alter Familienfeindschaft, dies Mal mit dem Sohne seines Stiefbruders, dem Junker Balthasar von Esens, der, wie sein Vater, ihm sein Erbtheil noch immer vorenthielt, mußte er es erleben, daß seine Burg 1533 erstürmt und ausgebrannt wurde. Sie mag bald wieder hergestellt worden sein, aber sie beherbergte Junker U. nicht lange mehr. Am 12. März 1536 starb er zu Oldersum, wo er in der dortigen Kirche beigesetzt wurde.

Beninga, Chronyk van Oostfrieslant. – Emmius, Rerum Frisicarum historia. – Wiarda, Ostfriesische Geschichte II. – Cornelius, Der Antheil Ostfrieslands an der Reformation.