Zum Inhalt springen

ADB:Dula, Kaspar Franz Josef Matthias

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Dula, Kaspar Franz Josef Matthias“ von Otto Hunziker in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 145–149, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Dula,_Kaspar_Franz_Josef_Matthias&oldid=- (Version vom 12. Dezember 2024, 13:33 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Dukes, Leopold
Nächster>>>
Dulk, Albert
Band 48 (1904), S. 145–149 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Franz Dula in der Wikipedia
Franz Dula in Wikidata
GND-Nummer 116243724
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|48|145|149|Dula, Kaspar Franz Josef Matthias|Otto Hunziker|ADB:Dula, Kaspar Franz Josef Matthias}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116243724}}    

Dula: Kaspar Franz Josef Matthias D. von Buttisholz, Kt. Luzern, wurde am 10. März 1814 als Sohn einer Handwerkerfamilie in Luzern geboren. Schon unter seinen Studiengenossen am Gymnasium trat Franz D. als Vertreter freisinniger Idealität hervor. Seine akademischen Studien machte er in Jena, wo er Mitglied der Burschenschaft Arminia wurde; nach seiner Rückkehr ward er 1836 Secundarlehrer in Luzern, nahm aber 1841, als der Sieg der conservativ-clericalen Partei ihm wegen seines Freisinns und Freimuths in politischen und religiösen Dingen die Aussicht auf eine seiner Befähigung als Lehrer entsprechende Beförderung im Heimathkanton verschloß, die Stelle eines Bezirkslehrers in dem aargauischen Dorfe Reinach an. Nach der Niederwerfung des Sonderbundes ward er am 18. December 1847 zum Mttglted der luzernischen Regierung ernannt. Mit der Leitung des Erziehungsdepartements betraut, schuf er durch das von ihm ausgearbeitete Erziehungsgesetz 1848, das die liberalen Ideen des Erziehungsgesetzes von 1831 wieder aufnahm, die Grundlage für eine kraftvolle fortschrittliche Entwicklung des luzernischen Schulwesens. Auch der Ausbau der neuen Einrichtungen ist zum großen Theil sein Verdienst; so ist die 1851 erlassene Vollziehungsverordnung [146] zu jenem Gesetze ausschließlich sein Werk. Er selbst aber war schon im März 1849 aus der Regierung getreten, um die Leitung der von ihm in dem aufgehobenen Kloster Rathhausen bei Luzern reorganisirten kantonalen Lehrerbildungsanstalt, und damit den wichtigsten Theil der Reform, die Heranbildung eines für die Volksbildung befähigten und begeisterten Lehrerstandes zu übernehmen.

Erziehung zu selbstthätigem Denken auf intellectuellem Gebiet statt des bisherigen Mechanismus, Erziehung zum und durch das Ehrgefühl statt durch äußerliche Disciplinarmittel auf dem sittlichen, Pflanzung innerlicher thatkräftiger Religiosität gegenüber dem traditionellen Confessionalismus, das waren die Ideale, von denen die Seminarübung und Convictführung Dula’s getragen waren und welche vor den Zöglingen in einem Manne personificirt erschienen, der mit ebenso gemüthstiefer als freier Religiosität eine humane Durchbildung des Geistes und ein durch rastloses Weiterarbeiten gemehrtes allseitiges Wissen verband, die weit über das Mittelmaß der damaligen Schulmänner hervorragten, einem Manne, der nach seiner innersten Natur jeder Pedanterie und Kleinlichkeit abhold, heiteren Sinnes und schlagfertigen Witzes, des Mißtrauens unfähig, in imponirender äußerer Haltung und innerer Vornehmheit vor ihnen stand und für sie nicht sowol als Herr und Meister denn als Vater für seine Söhne fühlte. Zwei Eigenthümlichkeiten der von ihm ausgehenden Seminarbildung mögen hervorgehoben werden. Geflissentlich führte er seine Zöglinge, die meist aus den dürftigsten Volkskreisen stammten, nicht bloß in die Grundsätze der Sittlichkeit ein, sondern auch in die Regeln des äußeren Anstandes, deren Befolgung die Freiheit, sich in den Kreisen der Gebildeten ohne Verstoß und darum unbefangen zu bewegen, erst ermöglicht; und unter den damaligen Seminardirectoren war es derjenige von Rathhausen, der die Initiative zu gegenseitigen Besuchen der Lehrer- und Schülerschaft der schweizerischen Lehrerbildungsanstalten ergriff, um die kantonale Isolirung und confessionelle Geschiedenheit zu überwinden, den Sinn für Freundschaft und Wetteifer zu beleben und dem nationalen Gedanken in den jugendlichen Lehrern der Zukunft Eingang und Einfluß zu verschaffen.

Indessen war die Leitung des Seminars nur ein Theil dessen, wodurch sich D. um die Hebung des Lehrerstandes verdient machte. In seinem Erziehungsgesetz hatte er zur Vertretung der Interessen der Schule und zur Belebung des Solidaritätsgefühls der Lehrer eine kantonale Lehrerconferenz berufen, deren erste Versammlung er 1849 eröffnete und deren Vertrauen ihm auch in der Folgezeit zu wiederholten Malen Präsidium und Generalberichterstattung übertrug. Seine Präsidialreden legten den Lehrern die Grundzüge seiner Auffassung des Erzieherberufs und der Erziehungsaufgaben in klar durchdachter Ausführung und lichtvoller Form dar und dürften zu dem gehaltvollsten zählen, was über pädagogische Grundfragen gesprochen und veröffentlicht worden ist. Im Anschluß an die Conferenzen begründete er 1850 die „Konferenzblätter, Zeitschrift für die Volksschullehrer des Kantons Luzern“, die er acht Jahre lang fortführte und an die sich dann das jetzt noch erscheinende „Jahrbuch der Luzernischen Kantonallehrerkonferenz“ anschloß, das er ebenfalls noch einige Jahre redigirte. Die „Konferenzblätter“ sind das weitaus umfassendste Denkmal von Dula’s litterarischer Thätigkeit; die Erläuterungen, die er in denselben zu den gesetzlichen Vorschriften über die Disciplin, vor allem aber zu den neueingeführten Lehrmitteln für die Volksschule gab, um die Lehrer derselben zu richtigem Gebrauch zu befähigen und anzuhalten, erfüllten ihren Zweck in vorzüglicher Weise; selbst die Gegner erstaunten über das geistige Leben und die Regsamkeit, die er in kurzer Zeit in der Lehrerschaft [147] entzündet hatte. Sein Ansehen als Schulmann und Patriot galt durch die ganze Schweiz. Als Präsident leitete er 1855 in Luzern die Verhandlungen der Schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft, 1858 diejenigen der dritten Versammlung des Schweizerischen Lehrervereins, den er selbst hatte gründen helfen. Das von ihm geschaffene und beseelte luzernische Schulwesen ward als eine hervorragende Erscheinung auch in der zeitgenössischen pädagogischen Litteratur Deutschlands anerkannt und die Universität Jena verlieh ihm beim Jubiläum ihres fünfhundertjährigen[WS 1] Bestandes 1858 den Doctortitel honoris causa. Wol mochte er hoffen, daß es mit der Zeit gelingen werde, auch die bis jetzt noch theilweise oder ganz unerfüllt gebliebenen Postulate seines schulpolitischen Programms, eine die Lehrer vor Nahrungssorgen ausreichend schützende und ihnen zugleich eine geachtete sociale Stellung sichernde Besoldung und die Einrichtung einer fachmännischen Schulinspection, die er schon 1848 aufs eifrigste, aber vergeblich befürwortet hatte, zu verwirklichen.

Aber bald nach Beginn der sechziger Jahre verdüsterte sich der politische Horizont seines Heimathlandes; die durch den Ausgang des Sonderbundkrieges niedergeworfene conservativ-clericale Partei gewann aufs neue im Volke bestimmenden Einfluß. Den Wendepunkt bildete die Volksabstimmung, die im November 1865 das neue Steuergesetz zu Fall brachte. D. sah nicht nur jeden weiteren Fortschritt in unabsehbare Ferne gerückt, sondern die Zukunft des Seminars und seine eigene Lebensexistenz ernstlich in Frage gestellt, mehr noch durch das ängstliche Verhalten der ins Wanken gerathenen liberalen Regierung als durch directe Angriffe der Gegner; so entschloß er sich, der vorher mehrfach ehrenvolle Berufungen in andere Kantone abgelehnt hatte, dem 1867 an ihn ergangenen Ruf der aargauischen Regierung als Director des Seminars Wettingen zu folgen und nahm tiefbewegten Herzens von der am 15. October d. J. in der Kantonalconferenz ungewöhnlich zahlreich versammelten luzernischen Lehrerschaft Abschied.

Genau so lange wie in Rathhausen, etwas zu 18 Jahren, hat nun D. in Wettingen seines Amtes als Seminardirector gewaltet (1867–1886). Aber bald trat doch zu Tage, wie schwer es ist, in den Jahren, wo die physische Kraft nachzulassen beginnt, das Lebenswerk der Jugend mit Erfolg aufs neue zu beginnen und, als vollausgewachsener Baum in fremdes Erdreich versetzt, die frühere Triebkraft zu bewähren. Der äußern Schwierigkeiten, die die neue Stelle in reicher Fülle darbot, wäre eine elastische, rücksichtslos durchgreifende Persönlichkeit ohne Zweifel Herr geworden; jenes war D. nicht mehr und dieses ist er nie gewesen. Seine Individualität wies ihn mehr nach innen als nach außen; die ruhige philosophische Gelassenheit, die er sich durch stets eifrig fortgesetzte Vertiefung in die Werke der größten Geister aller Zeit erwarb, wappnete ihn den Widerwärtigkeiten und Enttäuschungen in seiner Umgebung gegenüber mit einer Kraft der Geduld, die dem im Alter wohlbeleibt gewordenen Manne leicht als Indolenz und Schwäche gedeutet werden konnte. Selbst auf erzieherischem Gebiete blieb ihm, so manche auch seiner Wettinger Zöglinge das Seminar mit dem Eindruck verließen, daß sie seiner geistigen Anregung und erzieherischen Führung Großes verdankten und ihm daher nach ihrem Austritte noch mit Liebe und Hochachtung, einige mit begeisterter Verehrung vergalten, doch ein allgemein durchschlagender Erfolg, wie er ihn auf heimischem Boden erzielt, in Wettingen versagt. So fiel denn, als Anfangs der achtziger Jahre durch die Motion Heuberger im Großen Rath und in der Presse ein mit größter politischer wie persönlicher Leidenschaft entfachter Ansturm gegen das Seminar sich erhob, der durch nahezu zwei Jahre die Gemüther allgemein erregte (1880–82), die Hauptwucht des Angriffs [148] naturgemäß auf D.; dessen greises Haupt für alles verantwortlich gemacht wurde, was seit Jahren im und am Seminar gesündigt worden. Aufs tiefste in seiner Ehre gekränkt, ließ er alles schweigend über sich ergehen; auf die Vorstellungen der Freunde, gegen die unerhörten Verunglimpfungen sich doch zu wehren, hatte er nur die Antwort: „Sie kennen mich nicht; was würde es nützen, sie belehren zu wollen!“ Erst nachdem der Kampf im Großen Rath zum Austrag gekommen, wies er in einer maß- und würdevoll gehaltenen Zuschrift an die Regierung, Punkt für Punkt die ihm gemachten Vorwürfe durchgehend, die Unbegründetheit derselben überzeugend nach; waren doch gerade die Eigenschaften, die ihn als Mensch und Erzieher hochstellten, hauptsächlich Gegenstand der Anklagen gegen seine Seminarleitung gewesen. Er kämpfte nicht um den Sieg, nur um die Vertheidigung seiner Ehre; mochten wenigstens nachträglich Mit- und Nachwelt auf Grund des in seiner Rechtfertigungsschrift dargebotenen Materials sich selbst ein richtiges Urtheil bilden!

Als 1885 der Aargau nach einer Periode der Stagnation, die den zersetzenden Elementen freien Spielraum gegeben und in der Leidenschaftlichkeit jenes Seminarsturmes gezeigt, daß es so nicht weiter gehen könne, durch Annahme einer neuen Verfassung sich die Bahn zu ruhiger Weiterentwicklung aufs neue öffnete, lag ohne weiteres klar, daß auch im Seminar eine völlige Neuordnung ohne Rücksicht auf die bisherigen Persönlichkeiten Platz greifen müsse; so reichte denn im Juni 1886 der 72jähr. D. sein Gesuch um Entlassung aus der Seminarleitung ein. Noch hat er fünf Jahre lang mit Aufbietung seiner Kräfte von Baden aus, wo er nach Räumung der Amtswohnung seinen Wohnsitz aufschlug, als Seminarlehrer der Anstalt gedient, bis ihm eine Pension den völligen Rücktritt ermöglichte. Nur wenige Monate nachher starb er mitten im Gespräch mit seiner Gattin, die 48 Jahre lang Freud und Leid mit ihm getragen, ruhig und schmerzlos an einem Schlagfluß, in der Abenddämmerung des 30. Januar 1892.

In ungewöhnlicher Weise ist Dula’s Stern in den letzten Decennien seines Lebens von trüben Wolken verdunkelt worden, und wenn Einer schien D. zu den Männern zu gehören, die sich und ihren Ruhm überlebt haben. Und doch: wie Wenige ist D. innerlich jung und frisch geblieben. Gerade dadurch bewährte sich sein innerer Werth und die Reinheit und Tiefe seines Gemüths, daß selbst die schlimmste Mißstimmung ihn nicht zu erbittern vermochte; liebenswürdiger Humor und Worte urwüchsiger Weisheit standen ihm noch bis in sein letztes Lebensjahr ebenso zu Gebot wie in den Zeiten, „da er noch nicht Seminarlehrer sondern nur Seminardirector titulirt wurde. Darum die merkwürdige Erscheinung, daß die Anhänglichkeit und Verehrung, die er im Kreise seiner Freunde und ehemaligen Schüler genoß, nie heller aufleuchtete als in den Epochen, in denen sein Lebenswerk und seine persönliche Ehre am schwersten bedroht erschienen; so 1875 im Kanton Luzern, als beim endgültigen Sieg der Conservativen die kantonale Lehrerschaft zu Emmenbaum sich zu dankbarer Erinnerung an die Vergangenheit und zur Ermuthigung für die Zukunft um ihn schaarte; so 1881 mitten im Sturm, den die Motion Heuberger über D. heraufbeschworen; und als D. von der Seminardirection sich zurückgezogen, gestaltete sich die Feier seiner 50jährigen Lehrthätigkeit in Baden, wo außer den Schaaren der Luzerner und Aargauer im Januar 1897 zahlreiche Verehrer auch aus andern Kantonen sich einfanden, zu einer wahrhaft großartigen und überwältigenden Feier durch die herzliche Beweise der Hochachtung und Verehrung, die von allen Seiten D. in einer Fülle dargebracht wurden, wie noch selten einem Lehrer. Wahrlich D. hat in vollem Maße an [149] sich selbst erfahren, was er einst in der Schweiz. Gemeinnützigen Gesellschaft 1885 gesprochen und dann vorahnend unter sein Bild geschrieben: Rasch eilt dahin das flüchtige, wechselvolle Leben; was gibt ihm Werth noch über das Grab hinaus, wenn nicht die Liebe, die wir Andern erweisen und die Liebe, die wir von ihnen empfangen haben?“

Fritz Marti, Lebensbild des Seminardirektors Franz Dula; mit Vorwort von C. Küttel. Zürich 1898. Das Buch enthält auch ein vollzähl. Verzeichniß d. Druckschriften u. Manuscript gebliebenen Arbeiten aus Dula’s Feder. – J. Keller, Das Aargauische Lehrerseminar. Denkschrift. Baden 1897.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. richtig wäre allerdings: dreihundert