Zum Inhalt springen

ADB:Ganz, Abraham

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Ganz, Abraham“ von Franz Maria Feldhaus in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 676–678, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ganz,_Abraham&oldid=- (Version vom 24. Dezember 2024, 05:26 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Gätke, Heinrich
Band 49 (1904), S. 676–678 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Ábrahám Ganz in der Wikipedia
Ábrahám Ganz in Wikidata
GND-Nummer 129585769
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|49|676|678|Ganz, Abraham|Franz Maria Feldhaus|ADB:Ganz, Abraham}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=129585769}}    

Ganz *): Abraham G., der Begründer der ungarischen Maschinengroßindustrie. Er wurde am 24. November 1815 als ältester Sohn eines armen, aber mit Kindern reich gesegneten Dorfschullehrers der reformirten Gemeinde Embach im Kanton Zürich geboren. G. starb zu Budapest am 15. December 1867.

G. kam zunächst zu einem Zimmermann seiner Heimath, dann, mit 15 Jahren in die Eisengießerei des Herrn Escher (jetzt Escher, Wyß & Co.) in Zürich in die Lehre. Doch das Bestreben nach Ausbildung und die Wißbegierde nach der großen Welt arbeiteten in seinem Innern derart, daß er nach kurzer Lehrzeit den Wanderstab ergriff und in die weite Welt zog. So kam G. nach zehnjähriger Wanderschaft Anfangs der vierziger Jahre nach Budapest. Die neuerrichtete Walzmühle, eine der wenigen europäischen Mühlen, die damals mit Walzen arbeiteten, brauchte für die Reparaturen eine eigene kleine Maschinenfabrik, da zu dieser Zeit die Maschinenindustrie in Ungarn gleich Null war. In die Gießerei dieser Fabrik trat nun G. als Meister ein. Hier verlor er nach kurzer Zeit bei einem schwierigen Gusse durch einen glühenden Eisenfunken sein rechtes Auge. Er hatte sich seinem Fache stets mit der vollsten Hingebung gewidmet, was auch jener Ausspruch: „Das Auge ist weg, doch der Guß ist gelungen“, den er anläßlich des Verlustes seines Auges that, genügend beweist.

Durch die damals günstigen Lohnverhältnisse und durch seine äußerst sparsame und bescheidene Lebensweise hatte sich G. nach kaum zwei Jahren so viel Geld erspart, daß er sich an der Stelle der heutigen Stammfabrik zu Budapest und zwar in der Spitalgasse zu Ofen – jetzt Ganz-Gasse – ein kleines Häuschen baute und mit sieben Arbeitern eine Gießerei errichtete.

Am 24. October 1849 verheirathete sich G. mit der 16jährigen Josefine Heiß und lebte mit ihr in äußerst glücklicher, doch kinderloser Ehe 18 Jahre. Am 28. October 1849, also vier Tage nach seinem Hochzeitstag, und gerade beim Einsteigen in den Wagen zur ersten Ausfahrt mit seiner jungen Frau, bekam G. eine Vorladung zu dem Kriegsgericht, weil er für die Honvéds (ungarische Landwehr) Kanonen gegossen hatte. In den damaligen strengen Verhältnissen wurde Jeder auf das schärfste bestraft, der die Honvéds in irgend einer Weise unterstützte und gar mancher kehrte von den im „Neugebäude“ abgehaltenen Kriegsgericht nicht mehr zurück. G. konnte jedoch seine Aussagen, die dahin lauteten, von den Honvéds zum Kanonengießen gezwungen worden zu sein, mit dem durch den damaligen Honvédcommandanten Major Lukács eigenhändig unterfertigten „Befehle“ documentiren und wurde nach allerdings mehrmaligem Verhöre freigesprochen.

[677] G. beschäftigte sich von Anfang an mit der Herstellung von Hartguß (Schalenguß), der in Amerika schon stark verwendet, in Europa dagegen bis dahin fast unbekannt war, und er warf sich im J. 1854 – dem Rathe einsichtiger Eisenbahntechniker folgend – auf die Herstellung von Schalengußrädern. Seiner Geschicklichkeit, Willenskraft und Energie gelang es bald, diese Räder zu einer hohen Vollkommenheit zu bringen, wobei ihm allerdings das vorzügliche ungarische Holzkohlen-Roheisen, das er zu diesem Zwecke verwendete, sehr zu statten kam. Wie richtig sein Verfahren sowol, als das verwendete Material gewesen, erhellt daraus, daß bis in die neueste Zeit die Ganz’sche Fabrik in ganz Europa die einzige geblieben, welche diese wichtige, in Anschaffung und im Betriebe ökonomische Rädergattung mit voller Sicherheit herzustellen in der Lage war. Die ersten Probeaufträge erhielt G. von der österreichischen Staatsbahn und von der österreichischen Südbahn, denen im J. 1857 eine bedeutende Bestellung der Theißbahn-Gesellschaft folgte. – Von da ab hob sich dann die Fabrikation und Verbreitung dieser Räder immer mehr, und G. hatte noch die Freude, zu erleben, daß seine ursprünglich auf Handbetrieb eingerichtete Werkstätte eine der leistungsfähigsten, mit großen Maschinenwerkstätten verbundene Eisengießereien Oesterreich-Ungarns wurde.

Die Bestellungen auf Schalengußräder vermehrten sich, das Werk blühte, sodaß am 23. November 1867 das hunderttausendste Rad, mit großer Feierlichkeit verbunden, verfertigt wurde. Am gleichen Tage wurde G. das ihm vom König Franz Joseph verliehene goldene Verdienstkreuz mit der Krone übergeben.

In Anbetracht seiner besonderen Verdienste, welche er sich um die Hebung der vaterländischen Kunst, der Industrie und hiemit des materiellen Wohles der Hauptstadt Budapest erworben hat, wurde G. durch die am 3. August 1863 abgehaltene Generalversammlung des Central-Bürgerausschusses zum Ehrenbürger der Stadt Ofen ernannt. Schon im J. 1847 erhielt er die silberne Medaille der ungarischen Ausstellung, dieses Diplom, gezeichnet von dem 1848er ungarischen Minister Batthyányi und Ludwig Kossuth, schmückt noch heute das Directionszimmer der Firma Ganz & Comp. Auch im Auslande wurde G. gelegentlich der Ausstellungen mehrfach ausgezeichnet. So wurde er im J. 1855 mit der Bronzemedaille in Paris, 1857 mit der silbernen Medaille in Bern, 1862 mit der Bronzemedaille in London, ferner noch mit mehreren kleineren Auszeichnungen geehrt. Das Schaffen des großen Mannes wurde durch den plötzlichen Tod, welcher G. am 15. December 1867, 52 Jahre alt, dahinraffte, gehindert. Der weitere Aufschwung seiner Unternehmungen wurde jedoch nicht gehindert, denn die Erben konnten unter der Leitung von Anton Eichleiter, Ulrich Keller und des jetzigen Vicepräsidenten Andres Mechwart das Geschäft unter der Firma Ganz & Co. ungeschmälert fortsetzen. Es war gerade das Jahr, wo der Ausgleich ein frisch pulsirendes Leben in die wirthschaftlichen Verhältnisse des Landes brachte. Die Industrie begann sich von dem Drucke zu befreien, der bis dahin lähmend auf alle Unternehmungen wirkte; es brach die Aera eines gar nicht geahnten wirthschaftlichen Aufschwunges herein. Diesem Aufschwunge Rechnung tragend, haben sich die leitenden Männer der Firma Ganz & Comp. entschlossen, das Werk zu vergrößern, weshalb im J. 1869 das Geschäft in eine Actiengesellschaft umgewandelt wurde; aus Pietät für den Gründer behielt man jedoch die alte Firma bei. Heute zählt das von G. begründete Unternehmen zu den Weltfirmen seiner Branche. Es gliedert sich in die Stammfabrik, die Waggonfabrik und die elektrotechnische Fabrik zu Budapest, die Filialfabriken in Leobersdorf und Ratibor und den Hochofen in Petravagona (Kroatien). Die [678] Werke zählen jetzt 6500 Arbeiter und 500 Beamte. Das Actiencapital beträgt 2 400 000 Gulden.

Ganz & Comp., Fabrikbeschreibung, 4°, 32 S., Budapest 1897, Kunstanstalt „Kosmos“. – Mittheilungen der Wittwe und des Großneffen des Abraham Ganz, Herrn Heinr. Fuszek in Budapest. – L. Beck, Geschichte des Eisens, Bd. V, 1901, S. 85, 535, 543, 1147.

[676] *) Zu S. 252.