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ADB:Gaub, Hieronymus David

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Artikel „Gaub, Hieron. David“ von August Hirsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 416–418, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gaub,_Hieronymus_David&oldid=- (Version vom 16. November 2024, 09:45 Uhr UTC)
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Gaub: Hieron. David G., Arzt, den 24. Februar 1705 in Heidelberg geboren, genoß den ersten Unterricht in einer Jesuitenschule, in welcher sich seine natürlichen Anlagen in glänzender Weise entwickelten; allein die Besorgniß, daß er, der einer protestantischen Familie angehörte und in dem Glauben derselben erzogen war, sich unter dem Einflusse seiner Lehrer dem Katholicismus zuwenden könne, veranlaßte seinen Vater, ihn diesem Collegium zu entziehen und behufs weiterer Ausbildung der Leitung des berühmten Pietisten und Pädagogen Francke in Halle zu übergeben. – Die strenge Zucht in dem Francke’schen Hause, über welche sich G. lebhaft beklagte, und das ungünstige Urtheil, welches der rigorose Lehrer über die geistigen Fähigkeiten seines Schülers fällte, ließen es seinem Vater gerathen erscheinen, ihn zurückzurufen und seinem Bruder, einem renommirten Arzte in Amsterdam, zur Erziehung zu übergeben. Die ärztliche Thätigkeit des Onkels erweckte in dem jungen G. die Neigung, sich dem Studium der Medicin zuzuwenden; mit Bewilligung seines Vaters ging er zunächst nach Harderwyk und ein Jahr später nach Leyden, wo er bei Boerhaave die freundlichste Aufnahme und die vollste Anerkennung seiner geistigen Fähigkeiten fand. [417] Im J. 1725 promovirte er unter Vertheidigung seiner „Dissertatio qua idea generalis solidarum corporis humani partium exhibetur“, in welcher er in gewandter Weise gegen den Stahl’schen Animismus und die prästabilirte Harmonie polemisirte; nach Erlangung der Doctorwürde ging er nach Paris, wo er sich ein Jahr lang mit klinischen Studien beschäftigte, wandte sich von dort nach Straßburg, wo er jedoch nur kurze Zeit verweilte und habilitirte sich sodann, auf Rath seines Onkels, als praktischer Arzt in Deventer, wo er zum Stadtphysikus ernannt wurde. – Der Ausbruch einer mörderischen Epidemie im J. 1727 in Amsterdam veranlaßte die Behörden, G. dahin zu berufen, und hier fand er Gelegenheit, seine praktische und wissenschaftliche Begabung ins vollste Licht zu stellen und das von der städtischen Verwaltung in ihn gesetzte Vertrauen auf’s glänzendste zu rechtfertigen. – Inzwischen hatte Boerhaave seinen von ihm hochgeschätzten Schüler nicht aus den Augen verloren und auf seine Veranlassung wurde G. unter Berücksichtigung der Verdienste, welche er sich in Amsterdam erworben hatte, im J. 1731 auf den Lehrstuhl der Chemie nach Leyden berufen, den bis dahin Boerhaave inne gehabt, gehäufter Beschäftigung wegen aber aufgegeben hatte. Zwei Jahre später wurde er auch zum Professor der Medicin und 1760 zum Leibarzt des Prinzen von Oranien ernannt, und in dieser Stellung verblieb er als hoch geschätzter Lehrer und gesuchter Arzt bis zum J. 1775; die Abnahme der Körperkräfte des hoch betagten Mannes veranlaßten ihn in diesem Jahre seine akademische und praktische Thätigkeit aufzugeben und den Rest seiner Tage in Zurückgezogenheit zu verleben; sein Tod erfolgte am 29. November 1780. – Mit seinen wissenschaftlichen Leistungen nimmt G. unter den ärztlichen Gelehrten seiner Zeit eine ehrenvolle Stellung ein. In der eklektischen Schule Boerhaave’s erzogen und mit umfassenden chemischen, physikalischen und medicinischen Kenntnissen ausgestattet, hielt er sich von den Einseitigkeiten der animistischen, chemiatrischen und physiatrischen Lehren verhältnißmäßig frei und bewahrte sich – als ein „vir cautus et in recipiendis opinionibus difficilis“, wie Haller ihn bezeichnet – ein möglichst unabhängiges und eigenes Urtheil; er war einer der ersten, der die Haller’sche Lehre von der Irritabilität für die Deutung physiologisch-pathologischer Vorgänge verwerthet hat. – Von seinen litterarischen Arbeiten verdienen die Schrift über Receptirkunde („Libellus de methodo concinnandi formulas medicamentorum“, 1739 u. v. A., französisch 1749) und das Lehrbuch über allgemeine Pathologie „Institutiones pathologiae medicinales“, Lugd. 1758, in zahlreichen Auflagen, Nachdrücken und Uebersetzungen erschienen, nach dem Tode des Verfassers von Ackermann 1787 und in deutscher Uebersetzung von Gruner 1784 und 1791 herausgegeben) als die bedeutendsten genannt zu werden. – In der ersten Schrift, welche mit großem Beifalle aufgenommen wurde und den wissenschaftlichen Ruf Gaub’s begründet hat, führte er chemische und pharmakologische Grundsätze in die Lehre von der Zusammensetzung der Arzneimittel ein. In dem zweiten Werke, der ersten selbständigen Bearbeitung der allgemeinen Pathologie, hat G. den Versuch gemacht, eine Darstellung der Lehre von den Lebens- und Krankheitsprocessen auf Grund der damals herrschenden Schulansichten zu entwerfen. – Die Disposition des Stoffes, welche der Verfasser dieser Arbeit zu Grunde gelegt hat, ist vortrefflich und hat allen späteren Bearbeitern dieses Gegenstandes bis auf die neueste Zeit zum Muster gedient, die Ausführung der Aufgabe aber läßt, selbst vom Standpunkte seiner Zeit beurtheilt, vieles zu wünschen übrig. Als Eklektiker vom reinsten Wasser benutzte er zur Erklärung der physiologischen und pathologischen Vorgänge animistische, chemiatrische und iatromathematische Principien und die, von ihm zudem sehr unklar und verschwommen behandelte, Irritabilitätslehre, [418] ohne jedoch zu einer Vermittelung aller dieser Grundsätze zu gelangen; mit seinen Erläuterungen und Erklärungen bewegte er sich zumeist auf der Oberfläche, so daß die inneren Unklarheiten und Widersprüche verdeckt blieben, und somit wußte er dem Ganzen den Schein einer Abrundung und Vollendung zu geben, der um so bestechender auf die Masse wirkte, als der Verfasser allen Schulen und Richtungen Rechnung getragen hatte. So erfreute sich diese Arbeit großen Beifalls und ist für Jahrzehnte das geschätzteste Werk über allgemeine Pathologie geblieben. – Von seinen übrigen Arbeiten (ein vollständiges Verzeichniß derselben findet sich in Biographie médicale IV. p 358) sind eine kleine Abhandlung über den Einfluß körperlicher Leiden auf die Seele („De regimine mentis quod medicorum est.“ Sermo I. II. Leyd. 1747. 1764), chemisch-pharmacologische Untersuchungen über Meerwasser und einige andere Heilmittel (in Adversar. varii argumenti liber, Leyd. 1771. Deutsch Jena 1772) Und eine lateinische Uebersetzung der Bibel der Natur von Swammerdam (Lugd. 1737 in 2 Voll.) erwähnenswerth.

Ueber sein Leben vgl. Jan Bleuland, Oratio qua memoria H. D. Gaubii … commendatur. Harderovici 1792. Deutsch Stendal 1794.