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ADB:Gercken, Philipp Wilhelm

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Artikel „Gercken, Philipp Wilhelm“ von Rudolf Schwarze in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 1–3, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gercken,_Philipp_Wilhelm&oldid=- (Version vom 25. November 2024, 15:55 Uhr UTC)
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Gercken: Phil. Wilh. G., Historiker, geb. am 5. Jan. 1722 zu Salzwedel, † am 26. Juni 1791 zu Worms. Seine Vorfahren, die sich früher Gericke schrieben, werden schon im 16. Jahrhundert als Rathsverwandte seiner Vaterstadt genannt und mehrere derselben, sowie auch sein Vater, der Kaufmann Georg G. († am 25. October 1726), haben sich durch ansehnliche Stiftungen zum Besten ihrer Familie oder der Armen verdient gemacht. Unser G., das jüngste von zehn Geschwistern und seit dem fünften Jahre vater- und mutterlos, zeigte schon auf den Schulen zu Salzwedel und Lüneburg eine außerordentliche Vorliebe für das Quellenstudium der vaterländischen Geschichte. Mit diesem verband er seit 1741 auf den Universitäten zu Halle und Leipzig das Studium der Rechte. Früh jedoch reifte in ihm der Entschluß kein öffentliches Amt anzunehmen; der Wunsch, ungestört seinen wissenschaftlichen Forschungen obzuliegen, eine schwächliche Gesundheit, sowie ein stark ausgeprägter Sinn für Unabhängigkeit, der ihn auch von der Schließung einer Ehe abhielt, ließen ihn bei demselben beharren. Der Titel Justizrath, den er später führte, ist ihm vom Fürsten von [2] Waldeck nur als Anerkennung für eine juristische Deduction verliehen worden. Im Besitz eines nicht unbeträchtlichen Vermögens erwarb G. die Güter Schwarzholz und Wollenrade in der Altmark, 1761 auch die Burg Salzwedel, den einstigen Stammsitz der Markgrafen von Brandenburg, doch unternahm er von dort häufige Reisen zur Durchforschung der Archive und Bibliotheken, oder wählte, aus hypochondrischer Verstimmung, für längere Zeit andere Orte zu seinem Aufenthalt. Nachdem er 1781 die Burg Salzwedel verkauft hatte, siedelte er ganz nach Frankfurt a./M., endlich nach Worms über, wo er auch gestorben ist. Seine reichhaltige Bibliothek hatte er zum Theil schon früher veräußert; der Rest wurde 1792 zu Worms verkauft. — Mit seltener Consequenz hat G. ein langes Leben der Aufgabe gewidmet, das urkundliche Material zur Geschichte der Mark Brandenburg an das Licht zu ziehen; auf den weiteren Ruhm, dasselbe auch sofort selbst in zusammenhängender Darstellung zu verarbeiten, hat er, abgesehen von seiner Stiftshistorie von Brandenburg, verzichtet. Nur kürzere Abhandlungen verleibte er seinen Urkundensammlungen ein und gelegentlich hat er in einzelnen Monographien andere Gebiete gestreift. Dagegen bietet er für sein specielles Forschungsgebiet eine viel größere Fülle des Stoffes als seine Vorgänger; während Lenz, einst Gercken’s Lehrer in Halle, 1754 in seiner Sammlung nur 419 Urkunden zur brandenburgischen Geschichte publicirte, enthalten Gercken’s vier diplomatische Hauptwerke: die „Fragmenta Marchica“ (6 Bde. 1755—63, 8°), die „Stiftshistorie von Brandenburg“ (1766, 4°), die „Diplomataria veteris Marchiae Brandenburgicae“ (2 Bde. 1765—67, 8°), der „Codex diplomaticus Brandenburgensis“ (8 Thle. in 4 Bden., 1769—85, 4°) deren 2500. In den beiden ersten der genannten Werke sind noch eine Reihe von Urkunden den früheren handschriftlichen Sammlungen Gundling’s und Des Vignoles’[WS 1] entnommen; außerdem aber war G. bemüht unmittelbar auf die Originalien oder wenigstens alte Copialbücher zurückzugehen, die er von allen Seiten her sich zu verschaffen suchte. Dabei darf der Förderung nicht vergessen werden, welche G. dem mit ähnlichen Forschungen beschäftigten Staatsminister Ew. Fdr. v. Herzberg verdankte. Aus dessen noch vorhandenen, von Danneil a. a. O. herausgegebenen Briefen an G. ersieht man, daß der Minister ihm nicht blos den Zugang zu den Archiven eröffnete, sondern ihm auch Materialien überließ, die er selbst gesammelt hatte, da er, wie er schreibt, in seinen jüngeren Jahren sich vorgenommen habe, „einen vollständigen Codicem diplomaticum Brandenburgicum ordine chronologico zu compiliren“. Auch ist dem dritten Theile des Gercken’schen „Cod. dipl. Brandenb.“ die Abhandlung Herzberg’s: Von den alten Siegeln der Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg (zuerst französisch erschienen im 8. Theil der Mémoires der königl. Akademie der Wissenschaften zu Berlin) in deutscher Uebersetzung einverleibt. — Neuerdings sind die meisten der von G. publicirten Urkunden, zum Theil nach nochmaliger Collation mit den Originalien, in Riedel’s Codex diplomaticus Brandenburgensis (1838—65, 36 Bde., 4°) übergegangen, welcher mit seinen ca. 19,000 Urkunden der Forschung nunmehr ein ungleich vollständigeres Material bietet. Aber dadurch wird Gercken’s Verdienst für seine Zeit nicht geschmälert und für Einzelheiten, wie z. B. die Beschreibung der den Urkunden anhängenden, von Riedel nicht berücksichtigten Siegel, sind seine Sammlungen noch heute nicht ganz entbehrlich geworden. — Gercken’s übrige Schriften kommen den so eben besprochenen an Bedeutung nicht gleich. Es sind: „Vermischte Abhandlungen aus dem Lehn- und Teutschen Rechte“ (3 Thle. 1771—81, 8°), „Versuch in der ältesten Geschichte der Slaven, besonders in Deutschland“ (1771, 8°), „Nachricht von den Herzögen von Pommern Danziger Linie“ (1774, 4°, veranlaßt durch [3] die erste Theilung Polens), „Anmerkungen über die Siegel und den Nutzen der Diplomatik“ (2 Thle. 1781—86, 8°), sowie die Beschreibung seiner „Reisen durch Schwaben, Baiern, die Schweiz, Franken und die rheinischen Provinzen in den Jahren 1779—82“ (4 Thle. 1783—88, 8°). Außerdem war G. seit 1778 Mitarbeiter an der bei Varrentrapp in Frankfurt a./M. erschienenen „Deutschen Encyklopädie“ und seit 1780 schrieb er eine Reihe von Recensionen (mit der Chiffre Hk. oder H. K., oder Gr. und Gm., oder Fg. und Gm.) für die Allgemeine deutsche Bibliothek.

Danneil, Jahresber. des Altmärk. Vereins für vaterländ. Geschichte III, 1840, S. 39—74 und IV, 1841, S. 56—94. — C. Kletke, Urkunden-Repertorium für d. Gesch. des preuß. Staats, S. 158—70, 224, 270.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Alphonse des Vignoles (1649-1744), Glaubensflüchtling aus Frankreich, seit 1721 Direktor der preußischen Akademie der Wissenschaften.