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ADB:Hahn, Johann Georg von

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Artikel „Hahn, Johann Georg von“ von Friedrich von Hahn in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 366–369, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hahn,_Johann_Georg_von&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 06:20 Uhr UTC)
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Hahn: Johann Georg von H., geb. am 11. Juli 1811 in Frankfurt a. M., verlebte seine erste Jugend im Hause seines Vaters, des landgräfl. hessischen Geheimraths Dr. von H., besuchte 1823–28 das Gymnasium zu Mainz, studirte 1828–32 in Gießen und Heidelberg die Rechtswissenschaft, promovirte 1832 in Heidelberg (Inauguraldissertation: „De auctoritate pacti de hereditate tertii“). Zu weiterer Ausbildung verbrachte er den folgenden Winter in Paris, unternahm darauf mehrere Reisen und begab sich Anfang 1834 [367] nach Griechenland, um in die Dienste des jungen Königreichs einzutreten. Durch den Staatsrath von Maurer sofort angestellt, war er während der Organisation des Justizwesens im Justizministerium, sodann als Mitglied der Gerichtshöfe von Tripolitza, Nauplia, Chalkis in erfolgreicher Weise thätig. Trotz seiner anerkannten Tüchtigkeit und der allgemeinen Achtung, deren er sich erfreute, mußte H. das durch die Revolution vom September 1843 allen Fremden, welche nicht zu den ältesten Philhellenen gehörten, bereitete Schicksal theilen – er verlor seine Stelle. Bis 1847 privatisirte er in Athen und verwaltete dort vorübergehend das preußische Consulat. Im J. 1847 wurde ihm durch Vermittelung seines Gönners, des Baron Prokesch, das neu creirte österreichische Consulat in Janina übertragen. 1851 wurde er zum österreichischen Consul für das östliche Griechenland mit dem Sitz in Syra ernannt und später zum Generalconsul befördert. – Schon während seiner richterlichen Wirksamkeit hatte H. sich neben der Jurisprudenz (eine Arbeit über die Zwangsvollstreckung ist veröffentlicht unter dem Titel „Συνοπτιϰὸς πίναξ τῆς ἀναγϰαστιϰῆς ἐϰτελέσεως etc.“) mit den volkswirthschaftlichen Verhältnissen Griechenlands und des Orients überhaupt beschäftigt; von 1843 an widmete er denselben ein eingehendes Studium. Den Aufenthalt in Janina benutzte er dazu, Albanien und Albanesisches nach allen Richtungen zu erforschen. Die Resultate seiner Arbeiten sind niedergelegt in den „Albanesischen Studien“ (1854). Die erste Abtheilung dieses umfassenden Werkes, welches nach dem Ausspruch eines competenten Beurtheilers „Albanien uns erschlossen hat“, behandelt Land und Leute in einer Reihe von Darstellungen und Untersuchungen geographischen, ethnographischen, wirthschaftlichen, statistischen, historischen, archäologischen, mythologischen Inhalts. Die zweite Abtheilung enthält eine Grammatik der albanesischen Sprache (speciell des toskischen Dialekts), die dritte ein albanesisch-deutsches und deutsch-albanesisches Lexikon. Das Buch fand in den verschiedenen wissenschaftlichen Kreisen allgemeinste Anerkennung und begründete Hahn’s Ruf. – Während der 18 Jahre seines Aufenthalts in Syra entfaltete H. eine ungemeine Thätigkeit. Von seiner amtlichen Wirksamkeit auf dem Gebiet des Verkehrs gibt eine Anzahl in den Mittheilungen des kaiserl. königl. Handelsministeriums, in der Austria und anderwärts abgedesuckter Berichte Zeugniß. Was er auf dem politischen Gebiet geleistet, entzieht sich der Kenntniß weiterer Kreise: nur soviel ist bekannt geworden, daß H. eifrig bemüht war, die Interessen Oesterreichs und dessen Einfluß im Orient zu fördern, und daß er es nicht verschuldet hat, wenn gar manche seiner Anregungen an maßgebender Stelle keine Beachtung fand. Hahn’s Augenmerk war vor Allem den Verkehrswegen zugewandt. Schon längere Zeit, bevor der Suezcanal in Angriff genommen wurde, hatte er sich mit dem Plane der Durchstechung des Isthmus von Korinth ernstlich beschäftigt und sich bemüht, dessen Ausführung ins Werk zu setzen. Er betrachtete den Canal von Korinth als Vorläufer des Suezcanals auch in dem Sinne, daß die bei der kleineren Arbeit gemachten Erfahrungen bei der größeren verwerthet und daß tüchtige Werkmeister herangebildet werden könnten. War es hier leider beim Project geblieben, so waren die Bemühungen Hahn’s um die Dampfschifffahrt des österreichischen Lloyds erfolgreich. Seinen Vorschlägen und Anträgen ist namentlich die 1855 erfolgte Einrichtung der Schnellfahrten zwischen Triest und Konstantinopel zu verdanken. Insbesondere aber waren es die Eisenbahnen durch die Türkei und Griechenland, welchen er später sein ganzes Interesse zuwandte. Im J. 1858 unternahm er eine Reise von Belgrad nach Salonik. Um die Fahrbarkeit dieser Straße und die Möglichkeit einer Eisenbahn in dieser Richtung praktisch zu beweisen, kaufte er in Belgrad Wagen und Pferde und führte mit denselben die Reise durch. Der Reisebericht erschien zuerst im 11. Band der Denkschriften der philologisch-historischen Classe [368] der Wiener Akademie und in besonderem Abdruck („Von Belgrad nach Salonik“, 1861), in zweiter Auflage 1867 (in 8.). In der auch besonders abgedruckten diese zweite Auflage einleitenden Abhandlung „Ueber die europäische Bedeutung des ungarisch-österreichischen Eisenbahnnetzes, sind die Pläne zu verschiedenen, die Balkanhalbinsel durchschneidenden Eisenbahnen entworfen und wird deren Bedeutung für den europäischen Handel und insbesondere für die Interessen Oesterreich-Ungarns durch Wort und Bild erörtert. Noch in seiner letzten Krankheit beschäftigte sich H. mit diesem Gegenstand: seine letzte Arbeit war eine Denkschrift über denselben und sein größter Kummer bestand darin, daß es ihm wohl versagt sein werde, zur Förderung dieses Werkes weiter beitragen zu können. – Im J. 1863 unternahm H. abermals eine größere Reise durch die Türkei. Zur Untersuchung der Schiffbarkeit des bis dahin unbekannten Drin fuhr er von Skodra aus diesen Fluß mit zwei Barken unter großen Anstrengungen aufwärts, durchzog die meist noch unbesuchten zwischen Drin und Wardar gelegenen Landstriche und fuhr dann den letzteren in seinem Lauf noch nicht untersuchten Fluß auf einem Boot, welches er in Köprülü hatte bauen lassen, bis zur Mündung ins Mittelmeer hinab. Der Bericht über diese „Reise durch daß Gebiet des Drin und Wardar“ erschien im 16. Band der Denkschriften der Wiener Akademie und in besonderem Abdruck 1867 (1869). Beide Reisewerke enthalten außer dem rein Geographischen eine Reihe geschichtlicher und sonstiger Mittheilungen, insbesondere über die Via Egnatia und über die Grenzen der Volksstämme. – H. war als einer der gründlichsten Kenner des europäischen Orients, nach manchen Richtungen als erste Autorität anerkannt; aber die jetzige und die zukünftige Gestaltung jener Länder bildete nicht ausschließlich den Gegenstand seiner Studien. Mit Vorliebe beschäftigte er sich daneben mit Mythologie. Es war ihm gelungen, in Griechenland und in Albanien aus erster Quelle, dem Volksmunde, Märchen zu sammeln, welche er in deutscher Uebersetzung mit einer wissenschaftlichen Einleitung und mit Anmerkungen, Varianten und Vergleichungen mit Märchen anderer Völker enthaltend, herausgab („Griechische und Albanesische Märchen“, 1864. 2 Bde.). Die Aushängebogen dieses Buches waren das Letzte, was Jacob Grimm auf seinem Sterbebette las. Der Urtext der Märchen in verschiedenen griechischen Volksdialecten geschrieben, sieht der Herausgabe noch entgegen *). Mehreren Abhandlungen in Zeitschriften und den „Mythologischen Parallelen“ (1859) folgten die erst nach dem Tode des Verfassers gedruckten „Sagwissenschaftlichen Studien“ (1871–1876). In diesem Werk sucht H. die Grundzüge einer eigentlichen Sagwissenschaft festzustellen und gibt sodann eine eingehende Untersuchung und Vergleichung der griechischen und germanischen Mythen. Er geht von dem Satze aus, daß die Sage sich nur aus gläubiger Naturanschauung entwickelt, daß sie mit der Sprache entstanden ist, sich mit ihr ausgebildet und in verschiedene Zweige gespalten hat. Mit den mythologischen Arbeiten in Zusammenhang stehen zwei Arbeiten über Homer: „Aphorismen über den Bau der auf uns gekommenen Ausgaben der Ilias und Odyssee“, 1856 und „Proben Homerischer Arithmetik“, 1858, sowie die im J. 1864 von H. veranstalteten Ausgrabungen in der Troade („Die Ausgrabungen auf der Homerischen Pergamos“, 1865). Von den sonstigen kleineren Arbeiten Hahn’s seien nur, um die Vielseitigkeit seiner Interessen zu documentiren, die Abhandlung über „Die Motive der jonischen Säule“, 1862 und die „Berichte über die Ausgrabungen auf Therasia“, 1866, beides in den Schriften der Wiener Akademie, erwähnt. Die Lage Syra’s, des Mittelpunkts des Verkehrs auf dem ägäischen Meer, der als Knotenpunkt [369] der Dampfschifffahrtslinien von sehr vielen Orientreisenden besucht wird, bot wie keine andere dem dort Wohnenden die Möglichkeit von allen Seiten Belehrung einzuziehen und sich in naher Verbindung mit der deutschen und fremden wissenschaftlichen Welt zu erhalten. Auch war H. im Stand von dort aus vielfach anregend auf andere Forscher zu wirken. Es gewährte ihm besondere Befriedigung, wenn er den bei ihm Belehrung Suchenden behülflich sein oder ihnen neue Aufgaben stellen konnte. Darum lehnte H. wiederholt angebotene Versetzung, wenngleich dieselbe als Beförderung erschien, ab. Im Frühjahr 1869 wurde ihm durch die Ernennung zum Generalconsul für Albanien ein neuer versprechender Wirkungskreis eröffnet, aber es war ihm nicht vergönnt, in denselben einzutreten. Seine Gesundheit war, insbesondere durch übermäßige geistige Anstrengung, untergraben. Vergeblich suchte er in Deutschland Genesung. Nach mehrmonatlichem schwerem Leiden starb er bei seinen Angehörigen in Jena am 23. Septbr. 1869.


[368] *) Ein Theil derselben ist herausgegeben von Professor Jean Pio in Kopenhagen unter dem Titel: νεοελληνιϰὰ παραμυϑιά, contes populaires grecs. 1879.