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ADB:Heine, Wilhelm

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Artikel „Heine, Wilhelm“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 135–141, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heine,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 13:17 Uhr UTC)
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Heine: Peter Bernhard Wilhelm H., Landschaftsmaler und Reiseschriftsteller, wurde am 30. Januar 1827 zu Dresden als Sohn des Schauspielers Ferdinand H. geboren. Da ihn der Vater nicht seinem eigenen Berufe zuzuführen wünschte, ließ er ihn das Maurerhandwerk erlernen. Als aber der Knabe künstlerische Begabung zeigte, wurde er der königl. Kunstakademie seiner Vaterstadt übergeben, um Architektur zu studiren. Bald bemerkte er, daß ihn größere Neigung zur Malerei zog, und er trat deshalb in das Atelier des Professors Julius Hübner ein, wo er sich eine ziemliche technische Fertigkeit, aber auch eine auf das Theatralische und Sentimentale gerichtete Manier aneignete. Da er mit großer Schnelligkeit und Gewandtheit arbeitete, wendete er sich der Decorationsmalerei zu. 1845 erhielt er ein akademisches Stipendium, das ihm einen dreijährigen Studienaufenthalt in Paris ermöglichte. Nach seiner Rückkehr wurde er zum Hoftheatermaler in Dresden ernannt. Da diese Stellung seinen unruhigen Geist nur wenig befriedigte, gab er sie 1849 auf und kehrte nach Paris zurück. Als er auch hier keinen seinen Wünschen entsprechenden Wirkungskreis zu finden vermochte, schloß er sich jenem Strome politischer Flüchtlinge an, der sich damals aus allen Theilen Europas nach Nordamerika ergoß. Im Spätjahr 1849 landete er in New-York. Da seine Mittel beschränkt waren, sah er sich nach einer erfolgverheißenden Beschäftigung um. Die öffentliche Aufmerksamkeit in den Neuenglandstaaten war damals auf den fernen Westen gerichtet, der für die Wissenschaft eben erschlossen wurde. In den Berichten der staatlichen Landmesser und Geologen las man Wunderdinge über die landschaftlichen Schönheiten der Rocky Mountains, des Yellowstonegebietes und der Canonthäler. H. beschloß sofort, diese Gegenden aufzusuchen und ihre malerischen Reize zu studiren. Ehe er aber dieses Vorhaben ausführen konnte, machte er in New-York die Bekanntschaft des Archäologen Ephraim George Squier, der sich bisher mit der Untersuchung der vorgeschichtlichen Denkmäler des Mississippithales beschäftigt hatte. Dieser war zum [136] Geschäftsträger der Vereinigten Staaten in den centralamerikanischen Republiken ernannt worden und beschloß, seinen dortigen Aufenthalt zur Erforschung der alten Bau- und Kunstdenkmäler in Yucatan, Nicaragua und Guatemala auszunützen. Da es ihm vor allem darauf ankam, wissenschaftlich brauchbare Abbildungen für ein später zu veröffentlichendes Werk über diese Alterthümer zu gewinnen, fragte er H., ob er geneigt sei, ihn als Zeichner zu begleiten. H. erklärte sich sofort bereit. Weil sich aber Squier’s Abreise infolge unvorhergesehener Hindernisse lange verzögerte, unternahm H. zunächst eine ergebnißreiche Studienreise nach dem Niagara und den canadischen Seen, wo er mehrere Wochen hindurch das Leben eines Trappers führte. Als nach der Rückkehr Squier immer noch aufgehalten wurde, schickte er H. im Frühjahr 1851 nach Centralamerika voraus, damit er sich in Muße acclimatisiren und über die zu untersuchenden Denkmäler vorläufig orientiren könnte. Um ihn vor den Unannehmlichkeiten zu bewahren, denen ein privater Reisender in jenen kleinen Republiken gelegentlich ausgesetzt ist, übertrug er ihm ein paar unbedeutende diplomatische Geschäfte. Im Juni 1851 traf H. im Hafen S. Juan del Norte an der Mosquitoküste ein. Hier blieb er längere Zeit, um sich an das Klima und an Lebensweise und Sitten der Eingeborenen zu gewöhnen. Er lebte nicht nur seinen künstlerischen Neigungen, sondern sammelte auch Pflanzen, Vögel und Reptilien und beschäftigte sich mit Studien über den geplanten Nicaraguacanal, der hier beginnen sollte. Nachdem er sich mit den Verhältnissen des Landes wohl vertraut gemacht hatte, fuhr er den Rio S. Juan hinauf, segelte über den Nicaraguasee und ließ sich wiederum für längere Zeit an dessen nordwestlichem Ufer in dem kleinen Städtchen Granada, dem damaligen Regierungssitze nieder. Hier traf er mit dem aus Deutschland ausgewanderten Politiker Julius Fröbel zusammen. Er entledigte sich zunächst seiner diplomatischen Aufträge und unternahm dann zu wissenschaftlichen und künstlerischen Zwecken zahlreiche Ausflüge in die Cordillere von Nicaragua und Honduras, nach dem Managuasee, nach den Schwefelquellen von Tipitapa und in die zukunftsreichen Minendistricte von Dipilto und Yuscaran. Als aber eine Revolution ausbrach und Squier ihm brieflich mittheilte, daß er eingetretener Hindernisse halber in absehbarer Zeit nicht nachkommen könnte, kehrte er nach der Mosquitoküste zurück, schiffte sich im Sommer 1852 wieder nach den Vereinigten Staaten ein und überreichte in Washington dem Präsidenten zwei durch ihn ratificirte Handelsverträge zwischen der Union und den Republiken Guatemala und S. Salvador. Während dieser Reise hatte H. seine Erlebnisse und Eindrücke für seine Angehörigen in Dresden in Briefform niedergeschrieben. Nach der Rückkehr überarbeitete er diese Aufzeichnungen und ließ sie unter dem Titel „Wanderbilder aus Centralamerika. Skizzen eines deutschen Malers“, 1853 in Leipzig erscheinen. Sie fanden wegen ihrer anregenden Schilderungen des Volkslebens und der landschaftlichen Schönheiten jener Gegenden manche Anerkennung und erlebten 1857 eine zweite Auflage. Dieses Erstlingswerk Heine’s vermag gleich den später von ihm herausgegebenen Büchern streng wissenschaftlichen Anforderungen nicht zu genügen. Doch zeichnet es sich wie diese durch eine lebendige und ungezwungene Darstellung aus. Die Naturschönheiten sind mit dem Auge des Künstlers geschaut und demgemäß geschildert. Ueber das Ganze ist ein Hauch liebenswürdiger Herzlichkeit und echt deutscher Gemüthlichkeit ausgegossen. Die künstlerische und wissenschaftliche Ausbeute seiner Reise übergab H. seinem Freunde Squier, der sie in seinen beiden großen Werken: Travels in Central America: Nicaragua, its people, scenery and monuments (New York 1852), und The states of Central America (New York 1857) theilweise verwerthete.

[137] Als H. nach New-York zurückkehrte, traf er mit dem Commodore Matthew Calbraith Perry, einem alten erfahrenen Seemanne zusammen, der eben im Begriff war, im Auftrage der Unionsregierung an der Spitze eines Kriegsgeschwaders nach Ostasien abzusegeln, wo er versuchen sollte, das bis dahin nahezu völlig verschlossene Japan dem Handel zu eröffnen und zu einem Freundschaftsvertrage zu bewegen. H. bat ihn, sich als Zeichner der Expedition anschließen zu dürfen. Da sie aber wegen ihres möglicher Weise kriegerischen Ausgangs eine rein militärische sein und deshalb nur Militärpersonen umfassen sollte, wurde sein Gesuch abgelehnt. Rasch entschlossen trat er deshalb sogleich in die Marine der Vereinigten Staaten ein. Auf Empfehlung Squier’s erhielt er den Rang eines Mastersmate und wurde zum Stabe Perry’s commandirt. Dieser befreite ihn von allen Dienstverpflichtungen, so daß er während der ganzen Reise seinen künstlerischen und wissenschaftlichen Neigungen nachgehen konnte. Im October 1852 verließ das Geschwader den Hafen von New-York und segelte um das Cap nach Ceylon, wo es den ersten längeren Aufenthalt nahm. Von hier aus setzte es seine Reise über Singapore und Hongkong nach Schanghai fort. Nachdem es die kleinen Inselgruppen südlich von Japan besucht hatte, ging es auf der Rhede von Yeddo vor Anker. Das imposante Geschwader, die bis dahin nie gesehenen Dampfschiffe und vor allem das entschlossene Auftreten Perry’s, der seinen Zweck am besten durch eine drohende Haltung zu erreichen hoffte, machte großen Eindruck auf die Japaner. Sie glaubten an die Möglichkeit eines Krieges, für den sie nicht gerüstet waren, nahmen deshalb Perry’s Angebot eines Freundschafts- und Handelsvertrages höflich entgegen und baten nur um eine längere Bedenkzeit. Perry gewährte sie ihnen, verließ die Rhede, nachdem er angekündigt hatte, daß er im nächsten Frühjahr wiederkommen würde, um sich die Antwort zu holen, und begab sich nach der chinsischen Küste. Im Februar 1854 erschien er wieder vor Yeddo und eröffnete die Verhandlungen von neuem. Da die japanischen Minister ihn hinzuhalten suchten und nur unbedeutende Zugeständnisse machen wollten, nahm er eine noch drohendere Stellung ein. Diese verfehlte ihre Wirkung nicht; die Japaner gaben aus Furcht ihren zähen Widerstand auf, und am 31. März kam der Vertrag von Kanagawa zu stande, durch welchen den Amerikanern die bis dahin verschlossenen Häfen Simoda und Hakodade eröffnet wurden. H. benutzte die Zeit während der Verhandlungen, um Yeddo kennen zu lernen und Ausflüge in die Umgebung zu unternehmen. Dann begab er sich mit Perry wiederum nach China. Da aber das Geschwader um das Cap zurückkehren wollte, nahm er Urlaub, segelte zum dritten Male nach Japan, landete dann auf den Sandwichinseln, durchquerte den Stillen Ocean, besuchte S. Francisco, Panama und Valparaiso, fuhr durch die Magelhaenstraße und kehrte nach einem Aufenthalte in Rio de Janeiro wieder nach New-York zurück, wo er 1855 eintraf. Die folgenden Jahre verwendete er dazu, die von ihm auf der Reise gesammelten Skizzen und Tagebuchblätter zu bearbeiten und für die Veröffentlichung vorzubereiten. Von seinen Zeichnungen erschienen gegen 400 theils auf lithographischem Wege, theils durch den Holzschnitt vervielfältigt, allerdings fast durchgängig schlecht reproducirt in dem großen dreibändigen Reisewerke, das der Expeditionstheilnehmer Francis L. Hawks im Auftrage der Regierung unter dem Titel: „Narrative of the Expedition of an American Squadron to the China Seas and Japan, performed in the years 1852, 1853, and 1854, under the command of Commodore M. C. Perry“ (Washington 1856) herausgab. Ein Theil der Abbildungen findet sich auch in dem von Hawks in demselben Jahre und unter gleichem Titel veröffentlichten einbändigen Auszuge aus dem großen Reisewerke, [138] sowie in einem von H. selbst publicirten Bilderhefte: „Graphic Scenes in the Japan Expedition“ (New York and London 1856). Sie entbehren auch heute noch nicht eines beträchtlichen geographischen und culturhistorischen Interesses, wenn sie auch als Kunstwerke nicht sehr hoch eingeschätzt werden können. Als Dank für seine Bemühungen bewilligte ihm der Congreß eine Belohnung von 5000 Dollars. Aus seinen Tagebüchern hatte H. schon während der Reise ausführliche, wenn auch zum Theil ziemlich flüchtige und nur dem augenblicklichen Interesse genügende Mittheilungen über seine Erlebnisse und Beobachtungen in verschiedenen angesehenen deutschen Zeitungen, namentlich in der Augsburger Allgemeinen, in der Leipziger Illustrirten und in der Kölnischen Zeitung, sowie im Ausland publicirt. Nach der Rückkehr entschloß er sich, den gesammten Stoff zu einem umfangreichen Werke zu verarbeiten. Da er ein ungemein rascher Arbeiter war, erschien es bereits 1856 in Leipzig und New-York als „Reise um die Erde nach Japan an Bord der Expeditions-Escadre unter Commodore M. C. Perry in den Jahren 1853, 1854 und 1855, unternommen im Auftrage der Vereinigten Staaten“. Es umfaßt zwei Bände und ist mit lithographirten Abbildungen von mäßigem Kunstwerth ausgestattet. Die Widmung nahm Alexander v. Humboldt mit Dank entgegen. Das Buch fand in Deutschland viel Beifall und wurde deshalb auch ins Holländische (Reis om de wereld naar Japan, aan boord van het expeditie eskader onder commodore M. C. Perry. Rotterdam 1856) und später ins Französische übersetzt (Voyage autor du monde. Le Japon. Expédition du commodore Perry, pendant les années 1853–1855, faite d’après les ordres du governement des Etats-Unis, trad. de l’allemand par A. Rolland. Bruxelles 1859).

Während H. noch in Ostasien verweilte, war eine zweite amerikanische Expedition unter Colin Ringgold und John Rodgers in jene Gegenden entsandt worden. Sie hatte den Auftrag, den besten und gefahrlosesten Seeweg von Californien aus durch den Stillen Ocean nach Japan und China zu ermitteln, sodann in Japan mit Perry’s Geschwader zusammenzutreffen, die von diesem bis dahin vielleicht schon errungenen Vortheile weiter zu verfolgen, die Küsten Japans möglichst genau auf ihre Schiffbarkeit hin zu untersuchen und endlich die See von Ochotsk und das Beringsmeer, diese wichtigen Schauplätze des amerikanischen Walfischfanges zu vermessen. Sie kehrte 1856 nach der Heimath zurück, und ihre Theilnehmer veröffentlichten bedeutsame Werke über ihre Forschungen. H. wünschte diese Arbeiten in Deutschland bekannt zu machen. Er übersetzte deshalb die wichtigsten Ergebnisse und vereinigte sie in einem dreibändigen Werke: „Die Expedition in die Seen von China, Japan und Ochotsk unter Commando von Commodore Colin Ringgold und Commodore John Rodgers, im Auftrage der Regierung der Vereinigten Staaten, unternommen in den Jahren 1853–1856“. Dasselbe erschien in Leipzig 1858 bis 1859 und ist dem Prinzen Adalbert von Preußen gewidmet. H. betont darin, trotzdem er amerikanischer Bürger war, seine unverminderte Liebe zum alten Vaterlande und weist auf die Nothwendigkeit einer achtunggebietenden deutschen Seemacht im Interesse der vielen schutzlosen Deutschen hin, die er überall im Auslande angetroffen hatte. Auch legt er dar, wie nützlich es sein würde, wenn Preußen entweder allein oder in Verbindung mit den übrigen deutschen Staaten sich zur Aussendung einer Expedition nach Ostasien ähnlich derjenigen Perry’s entschließen könnte.

Nachdem H. diese beiden umfangreichen Werke vollendet hatte, erhielt er von der Regierung der Vereinigten Staaten den Auftrag, für das neue Capitol in Washington einige Gemälde zu entwerfen, welche Scenen aus dem siegreichen [139] Seekriege der Union gegen die nordafrikanischen Barbareskenstaaten in den Jahren 1801–1805 darstellen sollten. Da er vor der Ausführung Studien an Ort und Stelle vorzunehmen wünschte, begab er sich im Frühjahr 1859 zunächst nach Deutschland. In Berlin wollte er seinen alten Gönner Alexander v. Humboldt besuchen, traf ihn aber auf dem Sterbebette und konnte ihn nur zu Grabe geleiten. Dann fuhr er durch Süddeutschland, die Schweiz und Südfrankreich nach Malta, segelte nach der afrikanischen Küste und ließ sich längere Zeit in Tripolis nieder. Hier zog er umfassende, wenn auch ergebnißlose Erkundigungen über das Schicksal des verschollenen Reisenden Eduard Vogel ein. Nachdem er die nöthigen Skizzen für seine geplanten Gemälde gesammelt hatte, kehrte er durch Italien, das überall die Spuren des österreichisch-französischen Krieges zeigte, nach Deutschland zurück. Als Ergebniß dieser Reise ließ er im folgenden Jahre ein Büchlein mit anmuthigen Schilderungen der landschaftlichen Schönheiten und des Volkslebens in Malta und Tripolitanien unter dem Titel: „Eine Sommerreise nach Tripolis“ (Berlin 1860) erscheinen. In demselben Jahre veröffentlichte er als dritte Frucht seiner japanischen Studien ein einbändiges Werk über: „Japan und seine Bewohner. Geschichtliche Rückblicke und ethnographische Schilderungen von Land und Leuten“ (Leipzig 1860). Dasselbe enthält eine populäre und nicht immer einwandfreie Geschichte der Beziehungen Japans zu den fremden Mächten vom Mittelalter an bis auf die Gegenwart. Die älteren Berichte europäischer Reisender, eines Marco Polo, Pinto, Kämpfer, Thunberg und anderer über Japan werden auszugsweise wiedergegeben. Einen wissenschaftlichen Werth beansprucht das Buch nicht.

Während H. nach der Rückkehr aus Afrika in Berlin verweilte, erhielt er von der preußischen Regierung die Einladung, sich der von ihr ausgerüsteten Expedition nach Ostasien als Zeichner anzuschließen. Er leistete diesem ehrenvollen Rufe willig Folge, da er glaubte, seinem Vaterlande dadurch einen Dienst zu erweisen. Preußen und die übrigen Zollvereinsstaaten hatten schon längst die Nothwendigkeit einer gemeinsamen diplomatischen Vertretung in den Ländern des fernen Ostens erkannt, da die tractatlosen Mächte in China und Japan in einer sehr unvortheilhaften Lage waren, die bei dem schnell wachsenden Verkehr unhaltbar zu werden drohte. Mit Japan hatten die Seemächte seit 1854, mit China seit 1858 Freundschafts- und Schiffahrtsverträge geschlossen und die Oeffnung mehrerer Häfen für ihren Handelsverkehr durchgesetzt. Da die Deutschen nur eine geduldete Stellung einnahmen und vielen Belästigungen ausgesetzt waren, glaubte die preußische Regierung mit der Anbahnung vertragsmäßiger Beziehungen zu den ostasiatischen Reichen nicht länger zögern zu dürfen. Sie beschloß deshalb, eine Gesandtschaft auszurüsten, deren Zweck es war, von den Regierungen jener Länder ähnliche Zugeständnisse zu erlangen, wie sie die übrigen Seemächte erhalten hatten. An die Spitze der Expedition wurde der Legationsrath Graf Friedrich v. Eulenburg unter Ernennung zum außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei den Höfen von China, Japan und Siam gestellt. Zur Aufnahme der Theilnehmer dienten vier Kriegsfahrzeuge: die Dampfcorvette Arcona, die Segelfregatte Thetis, der Schoner Frauenlob und das Klipperfregattschiff Elbe. Nachdem der Landtag die erforderlichen Mittel bewilligt hatte, traten die Schiffe im Frühjahr 1860 ihre Ausreise um das Cap an. Der Gesandte, in dessen Gefolge sich H. befand, reiste dagegen über Suez und Ceylon und traf erst in Singapore mit dem Geschwader zusammen. H. wurde nun auf der Arcona untergebracht, die ihren Curs zunächst nach Japan richtete. In der Nähe der Liukiu-Inseln hatte sie einen schweren Teifun zu überstehen, der [140] den Schoner Frauenlob zum Sinken brachte. Am 4. September ging sie auf der Rhede von Yeddo vor Anker. Die japanische Regierung wies dem Gesandten und seinen Begleitern ein Haus in der Stadt an und behandelte sie mit aller Höflichkeit, war jedoch wenig geneigt, irgend welche handelspolitische Zugeständnisse zu machen, so daß erst nach langwierigen Unterhandlungen ein Vertrag zu stande kam, der Preußen die Rechte einer meistbegünstigten Nation gewährte und seinen Schiffen und Unterthanen die Häfen von Nangasaki, Yokohama und Hakodade öffnete. Da H. an den Verhandlungen nicht betheiligt war, benutzte er die fünf Monate des Aufenthaltes in Japan zu zahlreichen Ausflügen in das Innere des Landes und zu eingehendem Studium des Volkslebens. Seiner Instruction gemäß fertigte er zahlreiche Zeichnungen und Photographien merkwürdiger Landschaften, Gebäude und Volkstypen an. Im Februar 1861 verließ die Gesandtschaft Japan und begab sich nach Schanghai, um hier zunächst im allgemeinen die politischen Verhältnisse zu studiren. Da der Gesandte erfuhr, daß die Regierung ihre während des Taipingaufstandes überall zu Tage tretende Schwäche einsah und mit den fremden Mächten in gutem Einvernehmen zu leben wünschte, glaubte er, daß sie zum Abschluß eines Handelsvertrages geneigt sein würde und begab sich deshalb mit seinem Gefolge nach Tientsin. Hier verweilte er vom April bis in den September. H. benutzte die reichliche Muße dieses Aufenthaltes zu Excursionen in die Umgegend. Als amerikanischer Bürger erhielt er zweimal die Erlaubniß, Peking zu besuchen, doch stieß sein lebhafter Wunsch, durch die Mongolei und Sibirien nach Europa zu reisen, auf unüberwindliche Schwierigkeiten. Als er wieder in Tientsin angelangt war, erfuhr er von den schweren politischen Verwicklungen, welche in den Vereinigten Staaten ausgebrochen waren. Unter diesen Verhältnissen hielt er es für seine Pflicht, in sein Adoptivvaterland zurückzukehren. Er trennte sich deshalb von der Gesandtschaft, fuhr auf einem englischen Schiffe nach Nangasaki, dann über den Stillen Ocean nach S. Francisco und von hier auf beschwerlichen Wegen mit der Ueberlandpost nach St. Louis. Unterwegs stattete er den Mormonen und ihrem Präsidenten Brigham Young in der Salzseestadt einen interessanten Besuch ab. Auf der Weiterfahrt von St. Louis nach New-York bemerkte er überall deutliche Spuren des ausgebrochenen Bürgerkrieges. Nachdem er in New-York nur einen Tag gerastet hatte, stellte er sich der Unionsregierung zur Verfügung, erhielt ein Capitänspatent und wurde der Armee am Potomac als Ingenieur für das Telegraphenwesen zugetheilt. Er nahm an verschiedenen Schlachten theil und geriet am 30. Juni 1862 vor Richmond in die Gefangenschaft der Secessionisten, die ihn hart und schmählich behandelten. Nachdem er am 15. August ausgewechselt worden war, betheiligte er sich sogleich wieder am Kampfe und erlitt am 1. December desselben Jahres eine schwere Verletzung der rechten Schulter, wodurch er dienstunfähig wurde. Um nicht in den überfüllten Militärlazarethen vernachlässigt und mißhandelt zu werden, nahm er seinen Abschied, fuhr nach Deutschland und wurde hier glücklich wiederhergestellt. Im Frühjahr 1863 begab er sich nach Amerika zurück und trat wieder in die Armee der Nordstaaten ein, wo er allmählich bis zum Brigadegeneral emporstieg. Mitten unter dem Kriegslärm fand er noch Muße, ein zweibändiges Werk über seine letzte große Reise auszuarbeiten. Es erschien 1864 in Leipzig unter dem Titel: „Eine Weltreise um die nördliche Hemisphäre in Verbindung mit der ostasiatischen Expedition in den Jahren 1860 und 1861“. Dasselbe enthält keine zusammenhängende Darstellung des Verlaufs der Expedition, um dem amtlichen Berichte über dieselbe nicht vorzugreifen, der von 1864–1873 in Berlin in vier Bänden erschien, auch keine Abbildungen, [141] da solche der Maler Karl Berg im Auftrage der preußischen Regierung in einem großen Tafelwerke: „Ansichten aus Japan, China und Siam“ herausgab. Nach Beendigung des Bürgerkrieges wurde H. zum Consul der Vereinigten Staaten in Paris, später in Liverpool ernannt. Als 1871 durch die Gründung des Deutschen Reiches der innigste Wunsch seines Lebens erfüllt war, zog er sich nach seiner Vaterstadt Dresden zurück und lebte hier in künstlerischer und litterarischer Muße. Besonders lag es ihm am Herzen, seine zahlreichen, auf seinen verschiedenen Reisen gesammelten japanischen Skizzen zu verwerthen. Mit Hülfe seiner Freunde, der Maler Menno und Bernhard Mühlig, Albrecht Ludwig Schuster und Guido Hammer stellte er deshalb 50 Gemälde her, von denen je 10 Darstellungen aus der Geschichte, der Religion und dem Volksleben der Japaner, Abbildungen japanischer Thiere und Ansichten japanischer Landschaften enthielten. Diese Bilder ließ er in photographischer Reproduction als Prachtwerk größten Formats unter dem Titel: „Japan, Beiträge zur Kenntniß des Landes und seiner Bewohner“ von 1873 bis 1880 in Berlin erscheinen. Mit diesem Werke schloß H. seine litterarische und künstlerische Laufbahn ab. Seine letzten Lebensjahre waren durch mannichfache körperliche Beschwerden getrübt. Am 5. October 1885 starb er in seinem Landhause in der Lößnitz bei Dresden. Außer seinen Büchern hat er noch eine große Zahl von Reisebriefen und anderen Aufsätzen in deutschen und ausländischen Tagesblättern und Zeitschriften veröffentlicht, die aber auf dauernden Werth keinen Anspruch erheben.