ADB:Henhöfer, Aloysius
Hug, huldigten hier der freien Wessenbergischen Richtung. Im Seminar zu Meersburg am Bodensee erhielt er die vier unteren Weihen vom Fürstprimas von Dalberg und im Mai 1818 die drei höheren von dem Fürsten von Hohenlohe. Von Meersburg, wo er seine erste Messe gelesen hatte, kam er als Hauslehrer in die Familie des Baron Julius von Gemmingen-Steinegg, er verrichtete aber nebenher auch geistliche Functionen. Nach drei Jahren ernannte ihn Ostern 1818 Baron Gemmingen zum Pfarrer von Mühlhausen. H. suchte diese verdorbene Gemeinde zu heben, auf dem von ihm eingeschlagenen Wege des Gesetzes und der strengen Zucht wollte es ihm jedoch nicht glücken. Erst durch einen Schüler Seiler’s, seinen Nachfolger Fink im Gemmingen’schen Hause ging auch ihm selbst der wahre evangelische Geist auf. Seiner mächtig ergreifenden Bußpredigt strömten jetzt alsbald Katholiken wie Evangelische von allen Seiten zu. Aber die Hauptsache fehlte ihm doch noch. Sie lernte er aus dem Schriftchen des Martin Boos: „Christus für uns und in uns“ kennen. Er selbst sagt in seinem Lebensabrisse: „Von jetzt an predigte ich mit eben so viel Eifer das Wort von der Versöhnung und freien Gnade Gottes in Christo“. Es entstand eine auffallende Erweckung unter Katholiken und Protestanten. H. hatte die große Gabe ächter Popularität. Eindringlich, deutlich, reich mit Bildern aus dem gewöhnlichen Leben geschmückt war seine lebendige, mit prächtiger Baßstimme vorgetragene [748] Rede. Aber es erwuchsen ihm auch bald Gegner: strengeren Katholiken erschien seine Predigt nicht mehr katholisch. Es gelangten Klagen an die geistliche Behörde in Bruchsal, und diese dachte ihm anfangs durch Ernennung auf eine fette Pfründe den Mund zu schließen, aber Mühlhausen mit dem Patron Gemmingen verwandten sich bei dem Großherzog Ludwig für ihn, und so unterblieb die Versetzung. Dagegen mußte er im März 1822 zum Verhöre nach Bruchsal. In einer Abhandlung sprach er seine Zweifel in Betreff des Abendmahles und der Messe offen aus. Darauf hin schloß ihn das bischöfliche Vicariat aus der katholischen Kirche aus. Jetzt gab er sein Glaubensbekenntniß heraus, in der Erwartung widerlegt zu werden, denn er trennte sich ungern von seiner Kirche. Die Folge aber war, daß wie H. selbst, so auch Herr von Gemmingen mit einem Theil der Gemeinde Mühlhausen am 6. April 1823 zur evangelischen Kirche übertrat. Die rationalistisch gesinnte evangelische Kirchenbehörde hatte Bedenken, H. unter die evangelischen Geistlichen aufzunehmen, aber der Großherzog sah tiefer und ernannte ihn schon am 1. Juli zum Pfarrer von Graben bei Karlsruhe. Auch hier erregte der gewaltige Prediger der Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, eine große Bewegung. An den Sonn- und Feiertagen kamen von allen Seiten Züge von Menschen, die den Zeugen der Wahrheit zu hören begehrten. Das setzte Neid ab bei denen, welche die Leute in ihre Kirche gebannt wissen wollten. Es kam zu Klagen. Da entschloß sich der Großherzog ihn selber zu hören, und war von der Predigt so ergriffen, daß er von da an seine schützende Hand über H. hielt. Ja er hätte ihn am liebsten zum Pfarrer und Decan in Karlsruhe gemacht, aber H. wollte bei seinen Bauersleuten bleiben, unter ihnen war es ihm am wohlsten. In Graben gab er sein „Christliches Glaubensbekenntniß“ zum zweiten Male heraus. Es wurde in tausenden von Exemplaren von dem Volke gelesen und wird noch immer geschätzt wegen der deutlichen, biblischen Auseinandersetzung der Hauptlehren der evangelischen Kirche im Unterschiede von der katholischen. Im Frühjahr 1827 wurde ihm durch Kabinetsbefehl auf Bitten gut gesinnter Gemeindeglieder die benachbarte Pfarrei Spöck mit dem Filial Stafforth übertragen. Auch hier wich der nüchterne Geist des Rationalismus vor Henhöfer’s feuriger evangelischer Predigt. Seine Kirche war von Einheimischen und Fremden belagert. Aber drei Mal am Sonntage Gottesdienst auf solche Weise zu halten (seine Predigten dauerten oft 2 Stunden), war zu viel, er mußte sich entschließen, einen Vicar zu halten. Die meisten seiner Vicare wußte er in seine Bahnen zu ziehen und es sind bedeutende Männer aus seinem Dienste hervorgegangen. Auch gelang es ihm mehrere Geistliche, darunter wir nur Käß und Dietz nennen wollen, auf seine Seite zu ziehen, reichbegabte muthige Mitkämpfer in dem Streite, der bald wegen eines Katechismus ausbrach, welcher in Kirche und Schule eingeführt werden sollte, und doch H. und seinen Gesinnungsgenossen im Widerspruch mit der Lehre der evangelischen Kirche zu stehen schien. An die drei Kämpfer schlossen sich noch vier jüngere Geistliche an. H. verfaßte eine Gegenschrift unter dem Titel: „Der neue Landeskatechismus der evangelischen Kirche des Großherzogthums Baden geprüft nach der h. Schrift und den symbolischen Büchern“. Dieses Zeugniß fand reißenden Absatz, so daß bald eine zweite Auflage nöthig wurde, welche Käß verfaßte. Derselbe schrieb auch die Streitschriften gegen die Broschüren, die zu Gunsten des Katechismus erschienen waren. Nur eine Abfertigung behielt sich H. selber vor. Ein katholischer Pfarrer hatte sich in den Streit gemischt. Gegen denselben gab H. eine seiner besten Schriften heraus: „Die biblische Lehre vom Heilswege und von der Kirche“. Eigentlich war H. ein Mann des Friedens; nur die Gewissensnoth drückte ihm das Schwert in die Hand und auch dann spürte man in ihm den Friedenssinn.
Henhöfer: Dr. Aloys H., evangelischer Pfarrer, † am 5. Decbr. 1862, hat auf die evangelische Kirche Badens großen Einfluß geübt. Am 11. Juli 1789 wurde er einige Stunden von Karlsruhe in dem katholischen Dorfe Völkersbach als Sohn eines einfachen Bauern geboren. Die Mutter war eine strenge Katholikin, so daß die Jesuiten bei einer Mission in Völkersbach ihr den Ehrennamen „die Königin“ ertheilten. Sie wäre am liebsten Nonne geworden. Zu drei Kindern ihrer Ehe kam Aloys als das jüngste, ihr Liebling. Sie nahm ihn schon frühe mit zur Messe und auf Wallfahrten und faßte den Entschluß, ihn Priester werden zu lassen. Anfangs von einem jungen Geistlichen, der für den aufgeweckten Knaben Interesse faßte unterrichtet, kam er 1802 aufs Lyceum zu Rastatt. Seine Eltern konnten ihn zwar nicht unterstützen, er half sich aber mit Kosttagen und Stundengeben durch. Im J. 1811 bezog er die Universität Freiburg. Die meisten Professoren, darunter der berühmte[749] Die gesegnete Wirkung seiner großen Predigtgabe, sowie seiner milden seelsorgerischen Arbeit blieb nicht aus. Es entstand in seinen beiden Gemeinden eine gesunde christliche Bewegung, die auf tiefem Untergrunde gefestet bis jetzt fortdauert. Dazu nahm er eifrigen Antheil an der Herausgabe einer Zeitschrift: „Christliche Mittheilungen“, die nicht blos den Feind angriff, sondern auch gern und mit Vorliebe aufbaute. Das Blatt fand zahlreichen Absatz. Darin erschienen die Predigtarbeiten von H. Das positiv-evangelische Christenthum griff in Baden immer weiter um sich, so daß man sich endlich genöthigt sah, die Generalsynode einzuberufen, aber in derselben herrschte ein Geist der Halbheit, der sich auch in den von ihr ausgegangenen kirchlichen Büchern abspiegelt. Es kam jedoch eine bessere Zeit, wie die Bücher ausweisen, die von der Generalsynode des Jahres 1855 ausgingen. Doch sah H. in die kommende Zeit nur mit schwerem Herzen, die Jahre 48 und 49 hatten ihm manches Leid gebracht. Er griff aber noch immer frisch in das kirchliche Leben ein. Bei Festen der äußeren und inneren Mission war er der beliebteste Redner. Sogar die theologische Facultät der Universität Heidelberg hielt es endlich an der Zeit, ihn mit ihrem Doctorhut zu zieren und hat sich damit selber geehrt. Noch einmal stand er auf, als die katholische Kirche nach Besiegung der badischen Revolution ihre Ansprüche geltend machte. Gegen Alban Stolz’s aggressives Schriftchen: „Diamant oder Glas?“ schrieb er etwas ausführlich: „Das Abendmahl des Herrn oder die Messe, Christenthum und Papstthum, Diamant oder Glas“. Eine andere Schrift von ihm heißt: „Die christliche Kirche und die Konkordate“. Mit Trauer erfüllte ihn die Einführung der Kirchenverfassung Badens, er tröstete sich aber damit, daß man noch immer die Freiheit habe, das Evangelium zu verkündigen. Es kamen noch verschiedene kleinere Schriften von ihm heraus, z. B. sein „Konfirmanden-Unterricht“ und „Das Abendmahl des Herrn und sein Endzweck nebst den Unterscheidungslehren der verschiedenen Kirchen“, der Schwanengesang des unermüdlichen Mannes. Er seufzte manchmal nach Erlösung; sie sollte ihm im J. 1862 zu Theil werden. Obwol leidend, predigte er mit tiefem Ernste am allgemeinen Bußtage über den unfruchtbaren Feigenbaum. Bald darauf mußte er sich niederlegen. In den Fieberphantasien beschäftigte er sich mit den großen Gedanken des Bußtages. Auf die Fragen seiner Gattin: „Ist es helle in Deiner Seele?“ antwortete er: „Ja, helle!“ Am 5. December 1862 verschied er zum Schmerze seiner Gemeinden nicht blos, sondern aller, welche wußten, was mit ihm geschieden war.
- Emil Frommel, Aus dem Leben des Dr. Aloys Henhöfer, 1865. Von dem Heilswege, Predigten v. Henhöfer nebst dessen Lebenslauf, von dem Unterzeichneten, Heidelberg 1863.