Zum Inhalt springen

ADB:Herr, Michael

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Herr, Michael“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 204–205, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Herr,_Michael&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 15:09 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Herquet, Franz
Band 12 (1880), S. 204–205 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Michael Herr (Übersetzer) in der Wikipedia
Michael Herr in Wikidata
GND-Nummer 121864235
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|12|204|205|Herr, Michael|Jakob Franck|ADB:Herr, Michael}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=121864235}}    

Herr: Michael H., Arzt und Schriftsteller in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Von seinen äußeren Lebensumständen wissen wir blos, daß er, vermuthlich der Colmar’schen Familie dieses Namens angehörig, zu Basel Medicin studirte, Doctor wurde und dann theils in letzterer Stadt, theils zu Straßburg, wo er das Amt eines Stadtphysikus bekleidete, den Wissenschaften und der Ausübung seines Berufes lebte. Auf den Titeln seiner Schriften nennt er sich in der Regel „Der Artzney vnd Freyer Künsten lyebhaber“. Seinen Tod setzt man gewöhnlich in die Zeit kurz nach 1550. H. war nicht nur selbstständiger Schriftsteller, sondern auch und vor allem ein unermüdlicher Uebersetzer älterer classischer Schriften, die sich auf Naturgeschichte, Gesundheitslehre, Ackerbau und Erdkunde beziehen. Da er jedoch in der letzteren Thätigkeit bemüht [205] war, den antiken Charakter aus falsch verstandenem Eifer für das Christenthum möglichst zu verwischen, so entbehren seine Verdeutschungen der Treue, obgleich er durchaus nicht ungeschickt in der Behandlung der Sprache war. Ueberdies kam es bei den Uebersetzungen jener Zeit fast ohne Ausnahme nur auf verständliche Umschreibung des Inhalts, durchaus nicht auf Nachbildung der Form an, und es ward die alte Zeit auf so naive Weise aus den Anschauungen der unmittelbaren Gegenwart heraus aufgefaßt, daß z. B. H. in seiner Uebersetzung des Seneca dem sterbenden Seneca das strömende Blut seiner Adern „Gott, seinem Erlöser“ opfern läßt oder daß auf den Bildern, mit denen die Werke der Zeit geziert waren, die neueren Kriegsmaschinen und Geschütze bei niemand Anstoß gaben; so stellt beispielsweise eine Ausgabe der Aeneide des Virgil vom Jahre 1590, Francof. ap. Joh. Wechelium, S. 174 b auf das anschaulichste dar, wie Troja von Kanonen beschossen wird, die durch Landsknechte bedient werden. Herr’s Arbeiten, die im Interesse des älteren Sprachstudiums noch jetzt verdienen gelesen zu werden, sind ziemlich zahlreich; wir nennen die bedeutendsten derselben. Bereits im J. 1515 übersetzte er „Die ritterlich reyß Herren Ludovico Vartomanno von Bolonia“ (Straßb. Knobloch), 1533 erschienen unter dem Namen „Hero“ (wenn dies nicht etwa ein Druckfehler) seine „Schlachtopfer der Gesundheit“ (das. Hans Schott im Thiergarten), eine populäre Anleitung, sich vor Krankheiten zu hüten und dieselben los zu werden, ähnlich dem späteren größeren Werke seines Zunftgenossen Guarinonius (s. Bd. X. S. 83). Der Verfasser entschuldigt sich in dieser selbständigen Schrift, daß er den Canzleistil nicht verstehe und ihn deshalb auch nicht habe anwenden können, seine fließende und deutliche Art aber beweist, daß er denselben wohl entbehren konnte; auch giebt er gelegentlich zu verstehen, daß er im Griechischen, Hebräischen und Chaldäischen nicht unbewandert sei. Hierauf folgte im J. 1534 seine Uebersetzung von des Simon Grynaeus „Novus orbis“ etc. (s. Bd. X. S. 73): „Die neue Welt der Landschafften vnd Insulen …“ (das. bei Ulricher von Andla). Im nächsten Jahre druckte Hans Schott des unermüdlichen Uebersetzers „Plutarchi guter Sitten einvndzwentzig Bücher“, in deren Vorrede er auch seines Vorgängers Heinrich v. Eppendorf, des Uebersetzers von Plutarchs Sprüchen (Straßburg, H. Schott, 1534) mit den Worten erwähnt „daß er dißer verteutschung ein anfänger vnd vrsacher ist“. Noch in demselben Jahre erschienen „Senecä sittliche Zuchtbücher“ (das. R. Beck; auch 1540 und 1545). Zwei Jahre später gab er heraus „Columellae vnd Palladii Ackerwerck“, im J. 1545 „Der Feldtbaw von K. Constantin“ (auch 1551, 1563 und 1566 von Melchior Rabus aus Memmingen verbessert) und noch im J. 1546 eine Sammlung naturgeschichtlicher Angaben unter dem Titel „Gründtlicher vnterricht … allen vierfüßigen Thier wild vnd zam“ (Straßb., H. Schott), ein höchst seltenes Werk in Folio mit Originalholzschnitten. Alle diese Schriften sind auch heute noch beachtenswerth als die vorzüglichsten Quellen, aus welchen damals das gebildete, nicht gelehrte Publicum seine Kenntnisse und Ansichten schöpfte, die eben daher nicht ohne große Wirkung auf die Zeitgenossen bleiben konnten.

Adelung, II. 1956–57. Dunkel, Ergänzungen zu Jöcher, III. 1002–3. Degen, Uebersetzungen der Römer, II. 46, der Griechen, II. 306 ff. Strobel, Geschichte des Elsasses, IV. 145.