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ADB:Hirsch, Samson Raphael

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Artikel „Hirsch, Samson Raphael“ von Adolf Brüll in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 363–364, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hirsch,_Samson_Raphael&oldid=- (Version vom 28. November 2024, 03:27 Uhr UTC)
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Hirsch: Samson Raphael H., geboren am 20. Juni 1808 zu Hamburg, † am 31. December 1888 in Frankfurt a. M., hervorragender Theologe, Pädagoge und Kanzelredner. Ursprünglich für den Kaufmannsstand bestimmt, verließ er diesen ihm nicht zusagenden Beruf schon nach einigen Jahren und kam, nachdem er anfangs in seiner Vaterstadt bei den durch seine Kämpfe gegen die Reform des Judenthums bekannten Chacham Bernays theologischen Studien oblag, später nach Mannheim, woselbst er ein Schüler Jakob Ettlinger’s wurde, der daselbst Klausrabbiner war. Später bezog er die Universität in Bonn und stand dort in freundschaftlicher Beziehung zu dem gleichfalls die dortige Universität besuchenden Abraham Geiger, dem späteren hervorragenden Wortführer der Reform des Judenthums. Geiger und H. gründeten in Bonn in Gemeinschaft mit anderen jungen jüdischen Theologen einen Rednerverein, in welchem letzterer die erste Predigt hielt und waren sich beide damals noch ihrer Gegensätzlichkeit in der Auffassung des Judenthums nicht recht bewußt. 1830 wurde H. als Landrabbiner nach Oldenburg berufen, woselbst der jüdische Geschichtschreiber Graetz unter seiner Leitung heranwuchs, der später zu ihm eine gegnerische Stellung einnahm. 1841 trat H. die Landrabbinerstelle in Emden an und folgte 1847 einem Rufe als Landrabbiner von Mähren und Schlesien mit dem Sitze in Nicolsburg, woselbst er bis zum Jahre 1851 verblieb, in welchem er die ihm angebotene Rabbinerstelle an der neu gegründeten „Israelitischen Religionsgesellschaft“ in Frankfurt a. M. annahm und wo er bis zu seinem Lebensende mit unermüdlichem Eifer und mit unbeugsamer Festigkeit seine hervorragenden Geisteskräfte in den Dienst des orthodoxen Judenthums stellte, dessen bedeutendster Wortführer er gewesen. Aufsehen erregten seine 1836 pseudonym erschienenen „Neunzehn Briefe“. Er trat in denselben gegen die fortschrittlichen Bestrebungen im Judenthum auf und stellte in seinem 1837 erschienenen „Choreb“ Versuche über Jiszroels Pflichten die historische Entwicklung nicht anerkennend, in sonderbarer Weise die Uebung aller überkommenen religiösen Bräuche für alle Zeiten als Norm des Judenthums auf und versuchte durch eine oft zu weit getriebene Symbolisirung und Allegorisirung den aus der Zeit entstandenen verschiedenen äußeren Gestaltungen des Judenthums unbedingte, immerdauernde Geltung und Anerkennung zu verschaffen, was ihm aber im allgemeinen nur wenig gelang, weil seine dahingehenden Ausführungen, wenn auch geistvoll gehalten, den Stempel des Unnatürlichen an sich tragend, vor dem Forum der Wissenschaft nicht Stand halten konnten. 1855 gründete H. eine Monatsschrift zur Förderung jüdischen Geistes und Lebens „Jeschurun“ (1855–1869), in der neben seinen geistvollen, nach Form und Inhalt gleich bedeutenden Predigten, auch seine heftigen, vom Fanatismus nicht freien Ausfälle gegen die reformistischen Richtungen Platz fanden, was besonders stark hervortrat in den gegen das 1854 ins Leben gerufene erste jüdische theologische Seminar in Breslau gerichteten Angriffen und gegen den, um das Judenthum und seine Wissenschaft hochverdienten Leiter desselben, Dr. Zacharias Frankel. In Frankfurt a. M., wo H. in einer von der Hauptgemeinde getrennten orthodoxen Gemeinde wirkte, fand er ein reiches ergiebiges Feld für seine Thätigkeit und hat sich durch Gründung der ieraelitischen Realschule, der höheren Töchterschule und der jüdischen Volksschule um das Aufblühen seiner Gemeinde bleibende Verdienste [364] erworben, wie er denn auch in Consequenz seiner Richtung an dem Zustandekommen des Austrittsgesetzes thätigen Antheil nahm und jede Verbindung mit einer Gemeinde, die nicht auf seinem Standpunkte stand, für religionsgesetzlich verboten erklärte. Nebst dem entfaltete H. in Frankfurt a. M. eine reiche wissenschaftliche Thätigkeit. 1867 gab er einen Commentar zum Pentateuch heraus, dem 1882 einer zu den Psalmen folgte. Wenn diese Arbeiten auch nicht den Forderungen, die man an eine streng wissenschaftliche Exegese stellt, entsprachen (vgl. Raphael Kirchheim: die neue Exegetenschule, eine kritische Dornenlese aus S. R. Hirsch, Erklärungen der Genesis, Breslau 1867), so haben sie doch durch die hervorragend geistige Begabung des Verfassers vielen Kreisen eine mächtige Anregung gegeben und große Anerkennung und weite Verbreitung gefunden. 1895 wurden aus dem Nachlasse Hirsch’s Israels Gebete übersetzt und erklärt herausgegeben und wurden 1894 die „Neunzehn Briefe“ und 1899 der „Choreb“ neu aufgelegt. Von der Ausgabe von S. R. Hirsch, „Gesammelte Schriften“, sind zwei Bände, herausgegeben von seinem inzwischen verstorbenen Sohne Justizrath Naftali Hirsch, bis jetzt erschienen.