Zum Inhalt springen

ADB:Horn, Johannes

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Horn, Johannes“ von Rudolf Wolkan in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 466–469, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Horn,_Johannes&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 05:44 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Horn, August von
Band 50 (1905), S. 466–469 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Horn (Theologe) in der Wikipedia
Johann Horn in Wikidata
GND-Nummer 10086645X
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|50|466|469|Horn, Johannes|Rudolf Wolkan|ADB:Horn, Johannes}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=10086645X}}    

Horn: Johannes H. (tschechisch Roh), einer der Führer der böhmischen Brüder im 16. Jahrhundert, Bearbeiter und Herausgeber der 2. Auflage des deutschen Gesangbuchs der böhmischen Brüder vom Jahre 1544. Er war [467] zu Taus in Böhmen geboren und besaß, wie viele der Brüder keine eigentlich gelehrte Bildung, eignete sich aber durch Privatstudium eine tüchtige Kenntniß der heiligen Schrift an und studirte namentlich mit Vorliebe theologische Werke der deutschen Litteratur. Im J. 1518 erhielt er die Priesterweihe und wurde Leiter der Gemeinde in Weißwasser. Anfangs der zwanziger treffen wir ihn in Leitomischl, wo er in freundschaftliche Beziehungen zu Laurenz Kraßnicky, dem Vorstand der dortigen Gemeinde tritt. Um diese Zeit kam auch Michael Weiße, der sich der Lehre Luther’s zuneigte und deshalb sein Kloster in Breslau verlassen hatte, nach Leitomischl und gewann auf H. einen tiefgehenden Einfluß; denn seiner Einwirkung wird es zuzuschreiben sein, daß H. sich eingehender mit der Lehre Luther’s beschäftigte und Luther’s Schrift vom Anbeten des Sacraments ins Tschechische übertrug. Es ist wahrscheinlich, daß H. zu Beginn des Jahres 1522 doch ohne officiellen Auftrag zu Luther nach Wittenberg ging, der kurz vorher von unbekannter Seite angebliche „Artikel der Böhmen“ erhalten hatte, die H. mit in die Heimath brachte, wo der Führer der böhmischen Brüder Lukas erklärte, sie seien nicht von den Brüdern ausgegangen; es seien darin, schreibt er in einem Briefe an Kraßnicky, Ideen der Brüder verwoben mit eigenen des Erdichters, wer dies auch sein möge. Um gegen diese Artikel zu protestiren, wurde H. mit Anderen nach Wittenberg abgesandt, wo Luther ihn entschieden stark beeinflußte. Nach des Bruders Lukas Tode (1528) sehen wir ihn im Verein mit Johann Augusta und Benedikt Baworynsky energisch für den Anschluß an die deutsche Reformation eintreten. Der eine Zeitlang unterbrochene Verkehr mit Luther wird wieder aufgenommen und dieser schreibt im J. 1533 die bekannte Vorrede zur Confession der böhmischen Brüder. Zwei Jahre zuvor war in Jungbunzlau das erste deutsche Gesangbuch der böhmischen Brüder erschienen, herausgegeben von Michael Weiße. Auch H. gebührt ein gewisser Antheil an der Herausgabe, ihm oblag gewissermaßen die letzte Redaction, er war die oberste Instanz, die über die Aufnahme der Lieder zu entscheiden hatte. Weiße nun sagt zwar in der Vorrede zu seinem Gesangbuche, es seien die Lieder „nach fleißigem vberlesen, corrigiren vnd bessern von den eltesten brüdern“ in Druck gelegt worden, aber H. klagt sich im Vorworte zur 2. Auflage dieses Gesangbuches (1544) selbst einer Versäumniß bei seiner Redaction an, indem er sagt, er habe nur jene (20) Lieder, die Weiße aus dem Tschechischen ins Deutsche übersetzte, übersehen und corrigirt, nicht aber die andern (d. h. die Originallieder Weiße’s ), was er „billich“ gleichfalls hätte thun sollen. Aber er habe dies ganz Weiße überlassen, der in deutscher Sprache viel „geschickter“ gewesen sei, als er. Dadurch sei es möglich gewesen, daß sich in das Gesangbuch Lieder einschlichen, die den Lehren der Brüder widersprachen; namentlich in den Liedern vom Abendmahl fand er „einn sonderlichen sihn, dem vnseren fast vngleych, Nemlich das das Brodt vnd der Wein, der Leyb vnd das Blut Christi sey Testamentsweyß, vnd dergleichen Wort mehr, (welches er auch in vnser Appologien, so zu Zürich gedruckt, die er denn Verteutschete, gethan) darob jch sambt andern Eltisten gar sehr erschracken. Darumb wir auch obgedachten Michel Weysen gar ernstlich straffeten vnd hart zuredeten, jn auch dazu hielten, zu bessern, welchs er denn von vns allen willig aufnam vnd solchs zu bessern war gesinnet, ja auch zum teyl nu anfieng. Inn dem fordert jn Gott von hynnen, das also sein fürnemen nicht fort gieng“.

Dies die Darstellung Horn’s. Ob sich die Sache wirklich so verhielt, wie er sie darstellt, ist schwer zu sagen. Thatsache ist, daß die Brüder in der Abendmahlslehre vielfach von einander abwichen, daß selbst die sonst als [468] autoritativ betrachteten Lehren des Bruders Lukas in dieser Beziehung nicht überall Anerkennung fanden und daß Weiße entschieden zur Ansicht Zwingli’s hinneigte, die damals in Böhmen viele Anhänger zählte und gegen deren Ausbreitung König Ferdinand noch 1543 einen Erlaß an die Stände richtete. Wie groß die Zahl derer unter den Brüdern war, die an Weiße’s Seite standen, ob er aus eigenem Antriebe seine Anschauungen in Liedern zu verbreiten suchte, die er dann heimlich eingeschmuggelt hätte, oder ob er im Einverständnisse mit den Aeltesten handelte, die nur später die Aenderung ihrer Auffassung von der Abendmahlslehre vor der Oeffentlichkeit verbergen wollten, bleibt heute, wo noch so viele Quellen zur Geschichte der böhmischen Brüder ungedruckt sind, noch dunkel; auffallend ist es jedoch, daß Weiße noch ein Jahr nach der Herausgabe seines Gesangbuches (1532) in den engeren Rath der Brüder gewählt wurde, daß nicht nur seine Ausgabe, sondern auch zwei Ulmer Nachdrucke aus den Jahren 1538 und 1539 fortgesetzt und unbeanstandet von den Brüdern benützt wurden und das auch im tschechischen Gesangbuche der böhmischen Brüder sich zur selben Zeit Lieder fanden, die erst später als irrig und den Ansichten der Brüder nicht entsprechend erkannt wurden. Bekannt ist andererseits die in diese Zeit fallende stärkere Anlehnung der Brüder an Luther, die natürlich auch in ihren Liedern zum Ausdruck kommen mußte. Im J. 1532 war H. zum Senior der Brüder erwählt worden; auf seinen Antrag wurde 1534 die Abschaffung der Wiedertaufe beschlossen, auch die umgestaltete Ausgabe der Brüderconfession, die in der Rechtfertigungslehre Luther entgegenkommt, geht auf seinen Einfluß zurück. Im J. 1541 unternahm H. eine neue Redaction des tschechischen, vier Jahre später des deutschen Gesangbuchs der Brüder, eine Arbeit, die früher zu unternehmen ihn andere Berufspflichten und eine langwierige Krankheit gehindert hatten. Mit Hülfe zweier ungenannter Brüder unterzog er sich der Arbeit, der er den Ulmer Nachdruck von 1539 zu Grunde legte; 4 Lieder Weiße’s wurden gänzlich ausgeschieden, 5 andere nur stellenweise geändert; beides geschah aus den angeführten dogmatischen Gründen. Neu aufgenommen wurden 32 Lieder, von denen 9 auf tschechische Orginale zurückgehen. Es entsteht die Frage, von wem diese neuen Lieder herrühren. Das Gesangbuch vom J. 1639 nennt sie insgesammt Uebersetzungen Horn’s; aber alle Angaben dieses Gesangbuchs sind mit großer Vorsicht aufzunehmen. Halten wir uns vor Augen, daß H. selbst gesteht, er sei der deutschen Sprache nicht so mächtig gewesen wie Weiße, und daß er auch in tschechischer Sprache sich nicht als Liederdichter bethätigte, so haben wir keinen Anlaß, in ihm den Dichter dieser neuen Lieder zu sehen, die in Form und Inhalt aufs engste sich an Weiße’s Lieder anschließen. Und da wir durch H. selbst wissen, daß Weiße anfing, an seinem Liederbuche zu bessern, so liegt die Vermuthung nahe, daß die neuen Lieder gleichfalls sein Eigenthum seien, wenn wir nicht annehmen wollen, daß einer der ungenannten Mitarbeiter Horn’s sie verfaßt habe. – H. selbst machte in dieser Zeit eine Wandlung seiner Gesinnung durch, die ihn der Reformation und dem Deutschthum wieder entfremdete; auf der Bunzlauer Synode vom J. 1546 gestand er unter Thränen, er sei durch die Lectüre deutscher Bücher verhindert gewesen, zu erkennen, welche Schätze die Unität in sich berge; jetzt erst wisse er, daß er das, was er in den Büchern der Brüder finde, in keinem andern Buche gefunden habe. Die Brüder hätten es nicht nöthig, nach anderen Dingen sich umzusehen, da sie daheim genug hätten. Das Jahr darauf starb H. in Jungbunzlau.

Joseph Müller, Die deutschen Katechismen der böhmischen Brüder. Berlin 1887. – Wolkan, Das deutsche Kirchenlied der böhmischen Brüder. [469] Prag 1891. – Wolkan, Geschichte der deutschen Litteratur in Böhmen. Prag 1894, S. 247-54.