ADB:Häfeli, Johann Kaspar
[315] Sohn eines Geistlichen aus der zürcherischen Familie H., Pfarrers zu Basadingen im Thurgau, bildete sich in Zürich zum Theologen, wurde 1774 ordinirt, als Mitglied des Zürcherischen Ministeriums im Kirchen- und Schuldienste thätig, 1784 aber, auf J. C. Lavater’s Empfehlung, vom Fürsten Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau als Hofcaplan nach Wörlitz berufen. In dem begabten jungen Manne, der sich eine umfassende Bildung in Philologie, Geschichte und Philosophie als Grundlage seines theologischen Studiums erwarb und fortdauernd zu erweitern bemüht war, der mit überlegenem Geiste einen Charakter von seltener Festigkeit verband, erkannte Lavater schon frühe den künftigen ausgezeichneten Kanzelredner. Bei Gelegenheitt eines von Lips 1778 gezeichneten Bildnisses von H. sprach Lavater in seiner Physiognomik (Th. 3, S. 38) mit großem Lobe von H., wiederholte ähnliches mit Bezug auf ein früheres Porträt von H. in der kleineren von Armbruster herausgegebenen Physiognomik (Th. 3, S. 282) und erging sich 1786 in noch überschwenglicheren Ausdrücken über H. in seiner französischen Physiognomik, für welche Lips das Bild von 1778 in Kupferstich ausführte. H. erfüllte auch vollständig die von ihm gehegten Erwartungen. Durch Geist und Gedankenfülle, psychologische Tiefe und Wärme, durch die Würde seines ganzen Wesens machten seine Predigten und seine Amtsführung großen Eindruck. Nach achtjähriger Wirksamkeit in Wörlitz folgte H. einem Ruf an die Ansgariuskirche in Bremen. Von 1793 an stand er daselbst als ein von Zuhörern aller Stände mit gleicher Vorliebe aufgesuchter Prediger und Seelsorger in segensreicher Thätigkeit; erhielt auch 1799 die Würde eines Doctor theologiae. 1805 ließ Fürst Alexander Friedrich von Anhalt-Bernberg an H. die Einladung ergehen, als Superintendent, Consistorialrath und Oberprediger in seine Dienste überzutreten. H. entsprach der Einladung und entfaltete nun in Bernburg als Prediger, Seelsorger und als Vorsteher der Geistlichkeit des Fürstenthums eine ähnliche Wirksamkeit bis zu seinem im 57. Lebensjahre erfolgten Tode. Von Häfelin’s Kanzelreden erschienen von 1777 an bis 1810 theils einzelne Gelegenheitspredigten, theils kleine Sammlungen zusammenhängender Vorträge im Drucke. Nachgelassene Schriften von H., darunter Vorlesungen über Kirchengeschichte, gab J. J. Stolz in drei Bänden heraus, 1813/15. – Ein gleichnamiger Sohn Häfelin’s, nach guten Studien in Bremen und Göttingen 1804 erster Lehrer an der Stadtschule in Frauenfeld, schrieb neben Theologischem ein seiner Zeit geschätztes „Lehrbuch der Geometrie“, das zwei Auflagen erlebte, Zürich 1806 und 1820. –
Häfelin: Joh. Caspar H., Dr. theol., Consistorialrath und Oberprediger in Bernburg, geb. am 1. Mai 1754, gest. am 4. April 1811 – war derAus einem andern Zweige der Familie H. stammte Friedrich H., Pfarrer und Decan in Wädenswil am Zürichsee; geb. am 17. Jan. 1808, gest. am 15. Nov. 1878. Als Studirender in Berlin einst Schüler und Hausfreund Schleiermacher’s, nachmals 43 Jahre lang (1834 Vicar, 1839 Pfarrer) Prediger und Seelsorger seiner volkreichen Gemeinde, entfaltete H. in dieser und andern amtlichen Stellungen, die er gleichzeitig bekleidete, insbesondere auch als Mitglied der schweizerischen gemeinnützigen Gesellschaft, eine weitreichende und verdienstvolle Thätigkeit für das religiöse geistige Leben seiner Gemeinde, für das Schulwesen, für die schweizerischen Armenerziehungsanstalten, die Mission und den protestantischen Hülfsverein. Seinem Impulse verdankt Wädenswil die Gründung eines Waisenhauses und eines Pestalozzi-Hülfsvereins für arme Schulkinder; seine Anregung vermochte die schweizerische gemeinnützige Gesellschaft das Rütli zu schweizerischem Nationaleigenthum zu erwerben; unter Häfelin’s Initiative gründete die zürcherische Section der Gesellschaft die Rettungsanstalt „Pestalozzistiftung für verwahrloste Knaben“ unweit Zürich. H. endlich war es, welcher die unter einer katholischen Landesbevölkerung in Diaspora lebenden Protestanten von Baar, Kantons Zug und Siebnen, Kantons Schwyz sammelte, [316] zu Kirchgemeinden organisirte und ihnen zum Besitze eigener Gotteshäuser und Schulen verhalf. Am 18. Novbr. 1877 zwang überhand nehmende Kränklichkeit den Greisen zum Rücktritte aus seinem Wirkungskreise; nach einem Jahre schwerer Leiden erlosch sein Leben. Geist und Witz, ein seltenes Rednertalent, organisatorische Begabung, unermüdliche Berufstreue zeichneten den bedeutenden auch durch seine äußerliche Erscheinung imponirenden Mann aus. Manche seiner amtlichen Reden und Berichte und seiner Predigten sind im Drucke erschienen.
- Neujahrsbericht der Gesellschaft der Chorherrnstube in Zürich, auf das Jahr 1814. – M. Lutz, Nekrolog denkw. Schweizer, Aarau 1812. – R. Wolf, Biographien zur Culturgeschichte der Schweiz, 4. Bd., Zürich 1862. – Schweizerische Zeitschrift für Gemeinnützigkeit, 18. Jahrgang, 2. Heft. Zürich 1879.