Zum Inhalt springen

ADB:Jühlke, Karl Ludwig

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Jühlke, Karl Ludwig“ von Kurt Hassert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 715–717, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:J%C3%BChlke,_Karl_Ludwig&oldid=- (Version vom 19. Dezember 2024, 19:26 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Jung, Alexander
Band 50 (1905), S. 715–717 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Karl Ludwig Jühlke in der Wikipedia
Karl Ludwig Jühlke in Wikidata
GND-Nummer 117220949
Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|50|715|717|Jühlke, Karl Ludwig|Kurt Hassert|ADB:Jühlke, Karl Ludwig}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117220949}}    

Jühlke: Karl Ludwig J., deutscher Colonialpolitiker, wurde am 6. September 1856 in Eldena bei Greifswald als Sohn des durch eine Reihe einschlägiger Schriften ausgezeichneten Lehrers an der dortigen Landwirthschaftlichen Akademie, späteren Directors der Königlichen Hofgärten Preußens, Ferdinand J., geboren. Er genoß seinen ersten Unterricht in Erfurt, dann im Gymnasium zu Potsdam und seit 1874 im kgl. Pädagogium zu Ilfeld, [716] wo er Ostern 1877 das Abiturientenexamen bestand. In Tübingen, Leipzig, Heidelberg und Berlin studirte er Rechtswissenschaft, promovirte in Heidelberg zum Dr. iur. und bestand im Frühjahr 1881 die Referendarprüfung. Nach beendeter militärischer Dienstzeit bei den Gardejägern wurde er Reserveofficier bei dem brandenburgischen Infanterieregimente Nr. 20. Dann wurde er bei den Gerichten in Werder und Potsdam, später in Potsdam bei der Regierung beschäftigt. 1884 ward seine Laufbahn plötzlich und in entscheidender Weise durch die in jenem Jahre in Berlin erfolgte Gründung der Gesellschaft für deutsche Colonisation unterbrochen. Sie, deren Seele Karl Peters war, wollte durch kühnes Vorgehen dem deutschen Vaterlande Colonien verschaffen. Neben Peters betheiligte sich als Schriftführer jener Vereinigung auch J., sein alter Schulfreund vom Pädagogium zu Ilfeld, eifrigst an seinen Bestrebungen und hat neben Peters das meiste zur Erwerbung Deutsch-Ostafrikas beigetragen.

Am 24. September 1884 traten Peters, J., Graf Pfeil und Kaufmann Otto unter falschem Namen und in größter Heimlichkeit die erste abenteuerliche Expedition nach Ostafrika an. Am 4. November landeten sie in Sansibar, sechs Tage später fuhren sie nach Vollendung ihrer Ausrüstung zum Festland hinüber und brachen am 12. November mit einer von einem indischen Kaufmann gemieteten Karawane nach Saadani landeinwärts auf. Dem Wamifluß folgend, erreichten sie in Eilmärschen die Landschaft Usagara, worauf Peters und J. in mühevoller Wanderung zur Küste zurückkehrten. In der überraschend kurzen Zeit von sechs Wochen wurden trotz geringer Mittel, mangelhafter Ausrüstungen und sonstiger Schwierigkeiten durch zwölf Verträge mit zehn unabhängigen Häuptlingen die küstennahen Festlandslandschaften Useguha, Ukami, Unguru und Usagara, zusammen ein Gebiet von 150 000 qkm, für die Gesellschaft für deutsche Colonisation erworben und später durch Kaiserlichen Schutzbrief unter den Schutz des Reiches gestellt. J., der in Sansibar als Generalvertreter der Gesellschaft zurückgeblieben war, wurde vom Reiche mit der Ausübung der Gerichtsbarkeit in den neu erworbenen Gebieten betraut und dem Kaiserlichen Generalconsulat in Sansibar unterstellt.

Da Peters und die andern Leiter der inzwischen aus der Gesellschaft für deutsche Colonisation hervorgegangenen Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft erkannten, daß man es bei den bisherigen Erwerbungen nicht bewenden lassen dürfe, wurden zahlreiche neue Expeditionen ausgesandt, deren eine infolge telegraphischen Auftrages J. zum Kilimandscharo führen sollte. Mit Premierlieutenant Weiß brach er am 10. Mai 1885 von Pangani auf, um einer dasselbe Ziel aufsuchenden Expedition des Sultans von Sansibar unter Leitung des englischen Generals Matthews zuvorzukommen. Beide Expeditionen trafen am Kilimandscharo zusammen, zogen aber schweigend aneinander vorüber. Längs des Panganiflusses ging es rasch durch das fruchtbare Usambara und die öde Steppe nach Taveta im Vorland des Kilimandscharogebietes und schließlich nach Moschi, dem Hauptorte Mandaras, des mächtigsten und völlig unabhängigen Sultans in dem am Südhange des Kilimandscharo gelegenen Dschaggaland. Mit Mandara ward feierlich Blutsfreundschaft geschlossen. Nach viertägigem Aufenthalt wurde der Rückweg angetreten, der in Eilmärschen längs der Südseite des Paregebirges, durch Usambara und schließlich in rascher Bootfahrt den Pangani abwärts nach Pangani führte, wo J. am 5. Juli ankam, um am nächsten Tage in Sansibar einzutreffen. Die auf dieser Expedition geschlossenen Verträge führten zur Anerkennung der Oberhoheit der D. O. A. G. und später zur Erwerbung des gesammten Landes von Pangani bis zum Kilimandscharo einschließlich an Deutschland.

Abgesehen von einer Reise nach Usagara vertrat J. die Interessen der [717] D. O. A. G. in Sansibar. Im März 1886 zu einer längeren Erholungsreise nach Deutschland zurückgekehrt, trat er schon im August desselben Jahres eine neue Expedition in das wegen seiner fanatischen Bewohner berüchtigte Somaliland an, wo kurz zuvor Hörnecke und v. Anderten für die D. O. A. G. thätig gewesen waren. Er sollte durch Erwerbung der Benadirküste eine Verbindung zwischen den Besitzungen der D. O. A. G. an der Suaheli- und Somaliküste herstellen. Doch wurden die hier erworbenen Besitztitel von der Reichsregierung nicht anerkannt und im Sansibarvertrage 1890 sämmtlich wieder aufgegeben.

Auf dem Dampfer „Isolde“ fuhr J. mit Lieutenant Güntter und Kaufmann Janke am 6. August von Hamburg ab und landete zunächst in Halule im nördlichen Somaliland. Da die Einfahrt in den Djubfluß wegen der starken Küstenbrandung unmöglich war, so wurde in Sansibar erst ein tüchtiges Walboot beschafft, das aber in der wüthenden Brandung vor der Djub-Mündung umschlug. Lieutenant Güntter und zwei Matrosen fanden hierbei den Tod. Dennoch gelang es J., bis zum 29. October mit den unabhängigen Häuptlingen längs der Benadirküste von Warschekh und Makadischu bis nach Witu Verträge abzuschließen und an der Wubuschimündung die Station Hohenzollernhafen (Port Durnford) anzulegen. Eine größere Sendung von Ausrüstungsgegenständen war dorthin bereits unterwegs, als J. in Kismaju, einem dem Sultan von Sansibar gehörenden Küstenplatze, wo er seit Anfang November weilte, nach anfangs freundlicher Aufnahme am 1. December 1886 von den Somalis, wie es scheint, im Auftrage des Sultans von Sansibar, erst 30 Jahre alt, heimtückisch ermordet wurde, nachdem er inzwischen zum Generalbevollmächtigten der D. O. A. G. für die Somaliküste ernannt worden war. Die Gesellschaft verlor in dem verdienstvollen, mit seltener Energie ausgestatteten Manne einen ihrer bedeutendsten Pioniere, die deutsche coloniale Sache einen ihrer begeistertsten Verfechter.

K. Jühlke, Die Erwerbung des Kilimandscharogebietes. Kölnische Ztg. 1886, auch selbständig, Berlin 1886. – K. Jühlke, Meine Wanderung nach dem Kilimandscharo. Ebd. 1886, Nr. 152–160. – Weiß, Meine Reise nach dem Kilimandscharogebiet. Berlin 1886.