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ADB:Jachmann, Eduard von

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Artikel „Jachmann, Eduard Karl“ von Alfred Stenzel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 591–597, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Jachmann,_Eduard_von&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 06:16 Uhr UTC)
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Jachmann: Eduard Karl Emanuel J., erster aus dem Seemannsstande hervorgegangener, einheimischer preußischer Seeofficier, und erster Viceadmiral der deutschen und preußischen Flotte, war am 2. März 1822 in Danzig als jüngstes Kind des Geh. Regierungs- und Provinzialschulraths Dr. R. B. Jachmann geboren. Dieser, in Königsberg, wo er studirte, ein Schüler, dann Freund von Kant, hatte nach mehrjähriger Wirksamkeit als Prediger und Rector einer gelehrten Schule in Marienburg 1801 die Leitung einer neuen höheren Lehranstalt in Jenkau bei Danzig übernommen und sie unter warmer Pflege des Nationalgefühls zur Blüthe gebracht, bis die Belagerung von Danzig der Anstalt Anfang 1814 ein Ende machte. Dann trat J. in den Staatsdienst und leitete bis zu seinem Tode im J. 1843, also fast 30 Jahre lang, unter dem Oberpräsidenten v. Schön zuerst in Gumbinnen, dann in Danzig, seit 1831 in Königsberg das Schulwesen der Provinz Preußen, um das er sich große Verdienste erwarb. Von seinen aus der Ehe mit Minna Schaaff aus Riga entsprossenen sieben Kindern war die eine Tochter mit dem Regierungspräsidenten v. Kries in Gumbinnen, eine andere mit dem Oberpräsidenten Pinder von Schlesien verheirathet. Sein Sohn Eduard erhielt die erste Erziehung im elterlichen Hause, dann besuchte er das Gymnasium in Marienwerder. 1839 ging er, seiner entschiedenen Neigung folgend, gegen den Wunsch seines Vaters zur See und zwar, da eine Kriegsflotte noch nicht existirte, als Schiffsjunge auf einem Danziger Handelsschiffe – für einen gebildeten jungen Mann aus guter Familie damals eine große Seltenheit. Bis zum Jahre 1844 machte er Reisen auf verschiedenen Kauffahrern nach Westindien und sonst nach Amerika. Inzwischen hatte er im Winter 1842/43 die Navigationsschule in Danzig besucht und am 20. März 1843 die Steuermannsprüfung bestanden. 1844 nahm er an der ersten Uebungsfahrt der königlich preußischen Corvette „Amazone“, welche dem Handelsministerium unterstellt und der Navigationsschule in Danzig zur Verfügung gestellt war, unter dem Commando des damaligen Directors der Schule, Capitäns der dänischen Flotte, Baron von Dirkink-Holmfeld theil und blieb von da ab im Dienst der entstehenden preußischen Marine. Am 27. Mai 1847 wurde er zum Secondlieutenant (später Lieutenant zur See 2. Classe) mit Premierlieutenantsrang, am 29. März 1849 zum Premierlieutenant (mit Hauptmannsrang) bezw. zum Lieutenant zur See 1. Classe ernannt. Als Commandant der „Amazone“ und ältester Seeofficier am Orte lag J. 1850 im Hafen von Swinemünde, als das dänische [592] Blockadegeschwader am 15. Juli dicht vor dem Hafen einige preußische Fahrzeuge wegnahm. Daß er nicht in See ging und dies verhinderte, wurde ihm sehr verdacht und hätte ihn beinahe die Carrière gekostet; aber bei den verfügbaren mangelhaften Streitkräften – außer der kleinen, leichten Segelcorvette von nicht mehr als 356 Tonnen Gewicht (unsere jetzigen kleinen Kreuzer haben bis 4292 Tonnen Gewicht) nur einige Remenkanonenboote – wahrscheinlich mit Unrecht. Die seemännischen Kameraden und Vorgesetzten stellten ihm das Zeugniß des Muths und der Entschlossenheit aus, die er auch in den schwierigsten Lagen stets bewährt hat. In den 50er Jahren fand er bei der mehrfach wechselnden Organisation der oberen Marinebehörden verschiedenartige Verwendung theils an Bord, theils am Lande, so als Assistent in der Marineabtheilung des Kriegsministeriums, als 1. Officier der Fregatte „Gefion“, als Commandant der „Amazone“, als Commandeur der Matrosen-Stammdivision, als Oberwerftdirector in Danzig, bis er am 3. December 1856 zum Director der technischen Abtheilung in der Admiralität ernannt wurde. Inzwischen war er am 27. Mai 1855 zum Corvettencapitän aufgerückt, am 27. September 1859 wurde er zum Capitän zur See befördert und zum Commandanten der Segelfregatte „Thetis“ für die erste große Expedition unserer Flotte nach Ostasien unter Commodore Sundwall ernannt. Auf dieser dreijährigen Reise besuchte er eine große Anzahl von Häfen Japans, Chinas und des ostindischen Archipels in zum Theil noch wenig bekannten Gewässern und kehrte 1862 glücklich nach der Heimath zurück, wo er am 27. Decbr. 1862 mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Chefs der Marinestation der Ostsee betraut wurde. Nach Ausbruch des Krieges gegen Dänemark am 27. Februar 1864 zum Commandanten der gedeckten Corvette „Arcona“ und Chef des in Swinemünde stationirten Geschwaders ernannt, griff er gleich nach der feindlichen Blockade-Erklärung am 17. März 1864 mit „Arcona“ (28) und der Glattdeckscorvette „Nymphe“ (14), Capitän R. Werner, das ca. 40 Seemeilen entfernt bei Jasmund liegende dänische Blockadegeschwader, obwol dasselbe an Geschützen mehr als 4 mal so stark war, an und kam glücklich nach Swinemünde zurück, nachdem er dem Feinde mehr Schaden zugefügt, als unsere beiden Schiffe erlitten. Daß Capitän zur See Kuhn, der Chef der in den Rügenschen Binnengewässern stationirten Kanonenbootsflottille, mit dem Raddampfer „Loreley“ die beiden Corvetten auf eigene Hand begleitete, hatte keinen Werth fürs Gefecht, sondern setzte nur den leicht verletzlichen Aviso der Gefahr aus, lahmgeschossen und genommen zu werden. Für diesen Angriff wurde J. von König Wilhelm I. am folgenden Tage in „Anerkennung der bewiesenen Umsicht, Entschlossenheit und Kühnheit“ zum Contreadmiral ernannt. Weitere Angriffe auf das Blockadegeschwader waren dadurch ausgeschlossen, daß dasselbe sehr bald durch eine neue Panzerfregatte verstärkt wurde, gegen welche die damaligen preußischen Geschütze wirkungslos waren. Nach dem Friedensschluß ging J. mit „Arcona“ und „Nymphe“ nach Kiel, das von da ab der Kriegshafen unserer Flotte von der Ostsee wurde, obwol die Oesterreicher Holstein und die Stadt Kiel noch bis Mitte 1866 besetzt hielten und Feldmarschalllieutenant v. Gabelentz als Statthalter dort residirte. Danach besuchte J., auf dessen Flaggschiff Prinz Friedrich Karl von Preußen sich eingeschifft hatte, auch noch Flensburg. Im Spätherbst ließ er die Gewässer um Düppel und Sonderburg im Anschluß an die schon ausgeführte Aufnahme des Terrains, durch S. M. Kanonenboot „Cyclop“ vermessen, ebenso ein Jahr später die Schleimündung. Am 24. März 1865 war J. von dem Commando als Geschwaderchef in Schleswig-Holstein entbunden und zum Chef der Marinstation der Ostsee in Kiel ernannt worden; er leitete die [593] Einrichtung der Station und die Ueberführung der Marinetheile am Lande, der Beamten und allen Zubehörs von Danzig dahin; mit dem Bau des Kriegshafens in der Kieler Förde außer Schußweite einer etwa angreifenden feindlichen Flotte, für den General v. Moltke das Hörup Haff, General v. Roon die Holtenauer Bucht ins Auge gefaßt hatte – wurde bei Ellerbek begonnen. Im Herbst 1865 begleitete J. den Marineminister v. Roon auf S. M. Aviso „Loreley“ bei einem Besuch des noch im Bau begriffenen Kriegshafens an der Jade. Im Mai 1866 sandte J. S. M. Kanonenboot „Tiger“ nach der Elbe, um im Kriegsfalle den Uebergang der österreichischen Brigade Kalik, welche Holstein besetzt hielt, zu verhindern; vor Ausbruch des Krieges, am 7. Juni 1866, wurde er zum Chef eines aus allen verfügbaren Schiffen zu bildenden Geschwaders ernannt, das jedoch nicht zur Verwendung gelangte; nur „Arminius“, „Loreley“ und einige Kanonenboote traten in den Elbe-, Weser- und Emsmündungen gegen Hannover in Thätigkeit.

Im Juli 1867 wohnte J. mit zwei jüngeren Seeofficieren der zu Ehren des türkischen Sultans auf der Rheede von Spithead stattfindenden großen englischen Flottenparade bei, führte dann für kurze Zeit das Commando des Geschwaders in der Ostsee und wurde am 22. August 1867 bei der Verabschiedung des Präses im Marineministerium, Generals v. Rieben, zur Wahrnehmung der Geschäfte des Directors im Marineministerium unter General v. Roon als Marineminister commandirt, wenige Tage später zum Bevollmächtigten zum Bundesrath und Mitglied des Ausschusses für Seewesen ernannt. Im December d. J. wurde er mit der Vertretung des Ministers für drei Monate beauftragt und am 22. März 1868 zum Viceadmiral befördert. Im Marineministerium war J. Gelegenheit zu reicher organisatorischer Thätigkeit geboten; als Vorbedingung für den Erfolg unterhielt er stets ein gutes Einvernehmen mit dem Obercommando der Marine, an dem es früher zum Nachtheil der Sache nicht selten gefehlt hatte. Und da nach ertheilter Indemnität und dem Uebergange der königlich preußischen Flotte auf den Norddeutschen Bund die bisher sehr spärlichen Geldmittel reichlicher flossen, so kam er in die Lage, durch Bestellung der Panzerfregatten „Friedrich Carl“ (in La Seyne bei Toulon) und „Kronprinz“ (in London) Hand in Hand mit dem General v. Roon und dem Prinzen Adalbert den Grund zu der deutschen Schlachtflotte zu legen, zu der im nächsten Jahre der an der Themse im Bau befindliche mächtige „König Wilhelm“ hinzukam. Zum Zweck der weiteren Verstärkung der Schlachtflotte und zwar durch die einheimische Industrie, wurde im Marineministerium eine Panzerfregatte nach Art des auf hoher See und auch unter Segel bestens bewährten hochbordigen englischen Thurmschiffs „Monarch“ entworfen und im J. 1870 an drei Stellen in Kiel, Wilhelmshaven und beim Vulkan in Stettin in Bau gegeben; andere einheimische Werften konnten derzeit noch nicht in Betracht kommen. Das entschiedene Vorgehen hat der privaten deutschen Schiffbauindustrie einen starken Anstoß zur Weiterentwicklung gegeben.

Inzwischen war im Sommer 1869 aus den drei genannten Panzerfregatten unser erstes Panzergeschwader gebildet worden, das wiederum J. commandirte, und bei dem vielfache Erfahrungen gewonnen wurden. Nach Schluß desselben wurde dem Admiral von hoher Stelle der Wunsch nahegelegt, auf S. M. S. „König Wilhelm“ mit Seiner Königlichen Hoheit dem Kronprinzen an Bord zur Einweihung des Suezcanals nach dem Mittelmeer zu gehen, was für ihn persönlich sehr verlockend war und ihm Vortheile für die Zukunft versprach; aber J. lehnte das mit der ihn auszeichnenden Selbstlosigkeit [594] und Sachlichkeit ab, weil eine so lange Indiensthaltung des mächtigen Schiffes mit 750 Mann Besatzung große Kosten beansprucht haben würde, die im Etat nicht vorgesehen waren, weil das große Officiercorps ohne Schaden für den Dienst in der Heimath so lange nicht entbehrt werden konnte und weil an dem Schiff selbst zur Herstellung der vollen Kriegsbereitschaft noch mancherlei Arbeiten erforderlich waren. Diese lediglich aus sachlichen Gründen erfolgte Ablehnung ist dem Admiral sehr verdacht worden und hat üble Folgen für ihn gehabt. Im Winter 1869/70 verursachte dann die Neubewaffnung der Flotte und der Küstenbefestigungen große Arbeit. Im Mai 1870 wurden auf Jachmann’s Veranlassung die drei ältesten Obermaschinisten zu Maschinen-Unteringenieuren ernannt, wodurch der Grund zu dem heutigen Maschineningenieurcorps gelegt wurde. Im Sommer 1870 waren die Befestigungen des Kieler Hafens gerade im Umbau, in dem noch unfertigen Wilhelmshaven stand noch kein Geschütz auf den Wällen, das in diesem Jahre dem Prinzen Adalbert auf seinen Wunsch unterstellte Panzergeschwader hatte eben eine längere Reise in den atlantischen Ocean angetreten, als Frankreich den Krieg ganz plötzlich vom Zaun brach. Am Abend der Rückkehr König Wilhelm’s von Ems nach Berlin, der unterwegs die allgemeine Mobilmachung angeordnet hatte, gab J., dem während der Abwesenheit des Prinzen Adalbert der Oberbefehl übertragen war, zusammen mit Roon und Moltke die Mobilmachungsbefehle aus. Mit größter Schnelligkeit wurden im Marineministerium alle nöthigen Maßnahmen getroffen, die Decernenten arbeiteten alle an einem Tische. Alle kriegsbrauchbaren Schiffe etc. wurden in Dienst gestellt und besetzt und angemessen auf Nord- und Ostsee vertheilt. Die zum Sperren der Fahrwasser nöthigen Minen – das Seeminenwesen befand sich erst im Versuchsstadium – wurden beschafft, die Vorstände der betreffenden Behörden an der Küste wurden zu kurzer Besprechung nach Berlin berufen und alle Kräfte zur Arbeit aufgeboten, auch die Bildung einer freiwilligen Seewehr wurde in die Wege geleitet; so gelang es noch zu rechter Zeit, Alles gefechtsbereit herzustellen und die wichtigen Fahrwasser zu sperren. Das Geschwader war durch die drohenden Nachrichten noch rechtzeitig erreicht worden und traf am 16. Juli vor Wilhelmshaven ein. Prinz Adalbert, der den Krieg bei der Armee am Lande mitmachen sollte, gab das Commando ab; J. wurde zum Oberbefehlshader der Seestreitkräfte in der Nordsee ernannt, welche außer den 3 Panzerfregatten 2 Panzerfahrzeuge und eine Anzahl kleiner Kanonenboote umfaßten. Mit ihnen nahm J. Station auf der Rheede von Schillig, 4 deutsche Meilen unterhalb Wilhelmshaven, dem gegebenen Platze für den Angriff auf eine Blockadeflotte und für die Bedrohung der Verbindung zwischen dem Canal und der Ostsee, wie für die Vertheidigung der deutschen Nordseeküste. Die Schwierigkeiten der Lage waren groß und mannichfach, da Wilhelmshaven noch nicht die geringsten Hülfsmittel, nicht einmal Trinkwasser bot; selbst die Eröffnung des fertigen Hafens mußte J. erst erzwingen, sodaß derselbe mit seinen Trockendocks den Schiffen zugänglich wurde. Sehr erschwerend wirkte ferner, daß das Marineministerium nach Roon’s und Jachmann’s Abreise jede Initiative ablehnte und dem Oberbefehlshaber Alles auf seine Verantwortung zuschob. J. war aber nicht der Mann, Verantwortung zu scheuen, wo es galt, und durch sein thatkräftiges Eingreifen wurden alle Schwierigkeiten überwunden. Es wurden Dampfer für den Post etc.-Verkehr, für den Schleppdienst, zur Beschaffung von Vorräthen aller Art einschließlich Trinkwasser, zu Signalzwecken, zum Kundschaften etc. gemiethet, ein schneller Dampfer („Falke“) wurde in England angekauft und zum Gebrauch von Harvey-Torpeden[1] eingerichtet, für die Instandhaltung und ev. Ausbesserung der Schiffskörper und Maschinen wurde gesorgt, [595] kurz Alles gethan, um das zahlreiche, sehr verschiedenartig zusammengesetzte Geschwader schlagfertig zu halten.

Die Franzosen hatten den Krieg mit so blinder Ueberstürzung begonnen, daß das für die Nordsee bestimmte Blockadegeschwader – 8 Panzerfregatten etc. – unter Admiral Fourichon erst am 11. August bei Helgoland eintraf. Auf die Nachricht davon wollte J. dasselbe trotz der fast dreifachen Ueberlegenheit und obgleich „Friedrich Carl“ und „König Wilhelm“ durch erlittene Schäden in ihrer Fahrgeschwindigkeit stark beeinträchtigt waren, sofort angreifen, aber die Commandanten erklärten sich dagegen und so mußte J., da volle Einmüthigkeit die Grundbedingung für das Gelingen des Wagnisses war, schweren Herzens auf den Angriff verzichten. Fourichon hielt sich in der Nähe von Helgoland und unternahm nichts. Am 11. September nach einiger Zeit unruhigen Wetters, das den Feind ermüdet haben mußte, vielleicht ihm einige Havarien zugefügt hatte, lief J. mit den 3 Panzerfregatten zum Angriff des Feindes nach Helgoland, aber er fand die französische Flotte nicht mehr vor, sie hatte wenige Stunden vorher die Heimreise angetreten.

Trotz alledem konnte ein Angriff der übermächtigen feindlichen Flotte auf Wilhelmshaven jeden Tag erfolgen, daher blieb J. nur übrig, des Weiteren in der Außen-Jade unter den beschwerlichsten Verhältnissen die Wacht zu halten, was mit Beharrlichkeit bis Weihnachten, wo starker Eisgang einsetzte, geschah; vorher hatte er deshalb einen harten Zusammenstoß mit dem Generalgouverneur der Küstenlande, General Vogel von Falkenstein, welcher an Bord kam und die Verfügung über das Geschwader beanspruchte, die ihm nicht zustand. Zu Weihnachten lief der Admiral mit den 3 Panzerfregatten und einem Panzerfahrzeug in einer Fluth in den Wilhelmshafen ein, was Niemand zu wiederholen unternommen hat.

Seit der Abfahrt des Blockadegeschwaders hatte J. es sich angelegen sein lassen, die zum Kreuzen im Ocean gegen die feindliche Waffenzufuhr geeigneten Schiffe hinauszusenden, obgleich das eigentlich ganz außerhalb seines Befehlsbereiches lag. Mit vieler Mühe gelang es, erst die gedeckte Corvette „Elisabeth“ aus Kiel zu dem Zwecke heranzuziehen; doch erlitt sie unterwegs wiederholt Havarie, sodaß sie erst bei Eintritt des Waffenstillstandes dienstbereit wurde. Anders die Glattdeckscorvette „Augusta“, Kapitän Weickhmann, die freilich nur mit den Officieren und Mannschaften der zu dem Zweck in Danzig außer Dienst gestellten „Nymphe“ besetzt werden konnte; erst im December war sie seeklar und ging nördlich um Schottland herum, nahm zu Weihnachten in Bantry Bai, Irland, aus einem dahin bestellten Dampfer Kohlen, kreuzte darauf einige Zeit ohne Ergebniß vor Brest, Anfang Januar 1871 lief sie nach der Gironde, wo sie drei Prisen machte. Das Erscheinen eines deutschen Kriegsschiffes in einer französischen Flußmündung machte das größte Aufsehen, zumal nahebei in Bordeaux die französische Nationalversammlung tagte, und es wurde eine große Zahl von Panzerschiffen zur Verfolgung aufgeboten, von denen ein Geschwader die nach Vigo zum Kohlennehmen eingelaufene „Augusta“ ohne Rücksicht auf Neutralitätsbedenken bis zum Waffenstillstande fest blockirt hielt.

Nach Beendigung des Krieges kehrte J. am 17. März 1871 nach Berlin in seine frühere Stellung zurück, wo eine Fülle von Arbeit seiner harrte. Im Laufe des Jahres wurde die im Kriege vorläufig eingerichtete Nordseestation endgültig organisirt und für sie eine Matrosen- und eine Werftdivision geschaffen; ebenso eine Inspection des Torpedowesens mit einer Versuchscommission zur Förderung der Torpedos und Seeminen; die Schiffe und das Personal wurden auf beide Stationen vertheilt. Die Werft in Wilhelmshaven wurde eingefriedigt [596] und der Bau großartiger Werkstätten und Magazine für sie begonnen, zur Unterbringung von Arbeitern wurden Straßen von Häusern gebaut, sodaß ein geregelter Betrieb schnell in Gang kam; ähnliches geschah für die Einrichtung der Kieler Werft, die bis dahin nur aus einem Depot auf der Stadtseite bestand, bei Ellerbek. Die durch die Werften entbehrlich werdenden Marinedepots in Geestemünde und Stralsund wurden aufgelöst. Die „Allgemeinen Marine-Befehle“ wurden durch das „Marine-Verordnungs-Blatt“ ersetzt. Für die Einrichtung der Marine-Akademie wurde ein Entwurf fertig ausgearbeitet, ein solcher für die Vertheidigung der Küste im Zusammenwirken mit der Armee – die für Nord- und Ostsee je ein Küstenartillerieregiment aufzustellen übernehmen sollte, die Minensperren sollten der Marine verbleiben – vereinbart und bearbeitet; Beides jedoch blieb Entwurf. Zur schnellen Vermehrung der Schlachtflotte zwecks angriffsweisen Auftretens endlich wurden zwei Panzerfregatten „Kaiser“ und „Deutschland“ in England bestellt, weil der Revanchekrieg damals für nahe bevorstehend gehalten wurde und die einheimischen Werften solche Schiffe noch nicht schnell bauen konnten; „Großer Kurfürst“ z. B. wurde erst im achten Jahre nach Beginn dienstbereit. Anläßlich dieser Bestellung wurde hauptsächlich gegen J. ein boshafter Pressefeldzug eingeleitet, auch im Reichstage wurde er boshaft angegriffen, doch er ließ sich dadurch nicht beirren.

Es war eine Zeit rüstigsten Schaffens für J. in der Entwicklung der Marine und zwar in steter voller Uebereinstimmung mit dem Marineminister v. Roon und in dauernd gutem Einvernehmen mit dem Obercommando, woran es früher zum Nachtheil der Sache nicht selten gefehlt hatte. Die aus der zehnjährigen Dauer der alten Organisation gewonnene Erkenntniß der fast unvermeidlichen störenden Friction bewog den Prinzen Adalbert, nach dem Kriege hochherzig aus eigenem Antriebe auf den Oberbefehl über die Flotte und die Wiederherstellung des Obercommandos zu verzichten, woraus die Nothwendigkeit sich ergab, das Marineministerium unter Vereinigung mit dem Obercommando in eine Centralbehörde für die Flotte umzuwandeln; dies geschah nach Jachmann’s Vorschlag durch das Allerhöchste, von Bismarck und Roon gegengezeichnete Regulativ vom 15. Juni 1871. Vor dessen Vollziehung machte Roon J. darauf aufmerksam, daß darin für ihn selbst keine Stelle vorgesehen sei, aber J. lehnte es ab, die für richtig erkannte Organisation im persönlichen Interesse umzuändern.

J. wäre unter den vorliegenden Umständen der gegebene Chef der Admiralität – welche Bezeichnung die Centralbehörde am 1. Januar 1872 erhielt – gewesen, aber noch ehe er Kenntniß von dem bevorstehenden Personalwechsel erhielt, war Generallieutenant v. Stosch schon Mitte October in Nancy von Höchster Stelle benachrichtigt worden, daß dieser Posten ihm sicher wäre. (Denkwürdigkeiten des Generals von Stosch, 1904, S. 269). Dadurch war Jachmann’s Laufbahn abgeschlossen, denn er war dem Patent nach der ältere. Am 4. December 1871 wurde er von der Stellung als Präses im Marineministerium entbunden und zwar dabei zum Oberbefehlshaber sämmtlicher in Dienst gestellter Seestreitkräfte, sowie zum ständigen Mitgliede des Admiralitätsraths ernannt, aber Beides hatte keine praktische Bedeutung. Die Indienststellung eines Geschwaders, welches J. ins Ausland führen sollte, wurde sehr bald rückgängig gemacht, und der Admiralitätsrath, obwol nach dem qu. Regulativ eine organische Einrichtung der oberen Marinebehörde, ist von dem General v. Stosch niemals einberufen worden.

J. blieb zunächst unbeschäftigt in Berlin als seiner Garnison; als aber nach dem am 6. Juni 1873 erfolgten Ableben des Prinzen Adalbert die [597] dadurch offen gewordene Stelle des Generalinspecteurs der Marine, obwol ebenfalls gemäß dem qu. Regulativ eine organische Einrichtung der oberen Marinebehörde, nicht wieder besetzt wurde, erbat er seinen Abschied und erhielt denselben unter Verleihung des Rothen Adlerordens 1. Classe mit Schwertern am 17. Februar 1874; danach zog er sich nach Oldenburg i. Gr. zurück, wo er ganz abgeschlossen in seiner Familie lebte. Selbst nach dem nahen Wilhelmshaven, das er mit hatte schaffen helfen und das sich auf dem gelegten Grunde großartig entwickelte, kam er erst nach vielen Jahren auf Stunden, als sein jüngster Sohn in die Marine eintreten wollte. An den zum Theil sehr lebhaften Erörterungen in der Presse über Marineangelegenheiten hat er sich nie betheiligt. Nur einmal noch trat er in die Oeffentlichkeit, als S. M. der Kaiser ihn im Mai 1885 mit der Taufe des neuen Kreuzers „Arcona“ beauftragt hatte, die in Danzig stattfand. In Oldenburg ist er am 21. October 1887 gestorben und auf dem dortigen Friedhofe beerdigt.

J. war ein königstreuer Preuße von idealem Sinn und vornehmer Gesinnung und nur zu geneigt, Andere ebenso zu beurtheilen. Er hatte nie seinen eigenen Vortheil, geschweige denn materiellen Nutzen, sondern immer die große Sache, der er diente, im Auge. Er hat niemals etwas nachgetragen oder einem Widersacher zu schaden gesucht, auch wenn er die Macht dazu in Händen hatte. Bei hoher Begabung, scharfem Blick und richtigem Urtheil hielt er an dem einmal als richtig Erkannten stetig, ja mit Starrheit fest, ohne Rücksicht auf die Folgen für ihn selbst. Sein leitendes Ziel von Jugend auf war die Wehrhaftmachung Preußens bezw. Deutschlands zur See; dies nationale und ideale Ziel hielt er unverrückt mit völliger Selbstlosigkeit fest. Das rauhe Leben des ersten Jahrzehnts seiner Laufbahn auf Handelsschiffen etc. hatte ihn gründlich zum tüchtigen Seemann ausgebildet, aber vom rauhen oder handwerksmäßigen Seemann haftete ihm keine Spur an; er bewegte sich in der Gesellschaft oder bei Hofe ebenso sicher und ruhig, wie an Bord. Durchaus natürlich, einfach und wahr in seinem ganzen Thun und Auftreten, war er ein Feind alles Gemachten und jeder Reclame, durch die Mancher sich zu fördern sucht. Die schwere Schule auf See aber hatte ihn, der wol von Natur schon wortkarg und zurückhaltend war, noch stiller und merkwürdig verschlossen gemacht, sodaß er niemals von seinen Angelegenheiten oder Erlebnissen sprach und auffällig dazu neigte, sich abzusondern; bei jedem gebotenen Anlaß jedoch zeigte er sich als unterhaltender Erzähler oder auch als trefflicher Redner.

Seine gewöhnliche Kürze jedoch erschien leicht schroff und wirkte abweisend; auch war ihm die seltene Gabe Nelson’s, seine Commandanten zu einer Schar von Brüdern zusammenzuschweißen, nicht verliehen. Als Seemann war er auch kein Freund von der Feder, obwol er sie trefflich zu führen wußte, und auf seinem Quarterdeck fühlte er sich heimischer, als in der Schreibstube; schriftliche Arbeiten überließ er daher gern Anderen. Militärisch zeichnete ihn Unempfindlichkeit gegen Gefahr und hervorragende Ruhe und Kaltblütigkeit selbst in bedenklichster Lage aus; er war von dem Geist kühner Offensive beseelt, doch ließ er denselben nur in der Stunde des Bedarfs hervortreten. In diesem Sinne die Flotte zu entwickeln, war in voller Uebereinstimmung mit General v. Roon und Prinz Adalbert sein Streben.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 594 Z. 2 v. u. lies: Harvey-Torpedos. [Bd. 50, S. 780]