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ADB:Johann Georg III.

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Artikel „Johann Georg III.“ von Heinrich Theodor Flathe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 383–384, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johann_Georg_III.&oldid=- (Version vom 15. November 2024, 21:38 Uhr UTC)
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Johann Georg III., Kurfürst von Sachsen, geb. am 20. Juni 1647. Manche Züge in seinem Charakter erinnern an seinen Vater Johann Georg II.; die Neigung zu sinnlichem Genuß, dem auch er den Vorzug vor den Regierungsgeschäften gab, die Vorliebe für den Verkehr mit Ausländern und für italienische Musik und Theater, zumal seitdem er 1685 in Venedig zum ersten Male Frauen auf der Bühne gesehen und die berühmte Sängerin Margherita Solicola für Dresden gewonnen hatte, wo ihr Erscheinen die italienische Oper ins Leben rief; dagegen unterscheidet er sich sehr bestimmt von ihm durch größere Charakterfestigkeit, kriegerischen Sinn, den er schon als Kurprinz an der Spitze der Sachsen in den Rheinfeldzügen bethätigt hatte, und ein lebendiges Gefühl für seine Pflichten gegen das Reich und den Kaiser. Mit seinem Regierungsantritt begann daher ein anderer Geist zu wehen. Der übermäßige Hofstaat wurde unverzüglich eingeschränkt und dafür nach dem Beispiele Brandenburgs die Hand an die Errichtung eines stehenden Heeres gelegt, welches nunmehr an die Stelle des ganz in Verfall gerathenen alten Defensionswesens und der nur dem Prunk dienenden kurfürstlichen Haustruppe trat. Mit den Ständen vereinbarte er einen stehenden Beitrag für dasselbe, setzte die geheime Kriegskanzlei als oberste Militärbehörde ein, regelte das Verhältniß des Heeres zur Einwohnerschaft und schuf für ersteres einen festen Etat, was aber freilich Alles nicht hinderte, daß das Militärwesen schwer auf den Unterthanen lastete und die Rekrutirung zur förmlichen Menschenjagd ausartete. Die auswärtige Politik Kursachsens nahm durch ihn eine festere Haltung an, die zweideutigen Beziehungen, die sein Vater zu Frankreich unterhalten hatte, wurden sogleich abgebrochen, dagegen gab er sich redliche Mühe, besonders nach dem Ueberfall von Straßburg, den Kurfürsten von Brandenburg und andere Reichsfürsten zu einem energischeren Eintreten für die Ehre und die Interessen des Reichs zu vermögen, allein die schlaffe Haltung des Kaiserhofes selbst vereitelte seine Bemühungen. Erst die drohende Türkengefahr vermochte denselben, sich Kursachsen mehr zu nähern; doch dauerte es lange, ehe man sich über die Modalität der Hilfsleistung verständigte. Denn der Kaiser, der auf die Ruhmbegierde des Kurfürsten rechnete, wollte sich wohl den Zuzug des sächsischen Heeres gefallen lassen, aber keinerlei Zugeständnisse dafür machen; weder bewilligte er ihm den gewünschten Oberbefehl über die ganze kaiserliche Armee, noch auch den Unterhalt für seine Truppen während des Marsches; erst die steigende Noth seiner Hauptstadt machte ihn in letzterem Punkte nachgiebig. In Person führte J. G. sein 10 400 Mann starkes Heer ins Feld trotz der Erschöpfung seiner Finanzen und der wiederholten Gegenvorstellung seiner Stände, daß bei der scharfen Reformation des Kaisers gegen die Religionsverwandten eine solche außerordentliche Hilfe des Kurfürsten und [384] das Preisgeben seiner Person Verwunderung erregen müsse, und sogar ohne den vollständigen Abschluß des Bündnisses mit dem Kaiser abzuwarten. Bei Tulln stieß er zu dem kaiserlichen Heere und zog mit diesem zum Entsatz von Wien. In der Schlacht am 12. Sept. befehligte er den linken Flügel; ritterlich kämpfte er mit persönlicher Tapferkeit, mußte sogar durch die Seinen aus einem feindlichen Haufen herausgehauen werden. J. G. begleitete den Kaiser bei dem Einzuge in Wien, aber schon am 15. Sept. trat er plötzlich und ohne sich beim Kaiser und den übrigen Fürsten zu verabschieden, den Rückmarsch an, wahrscheinlich aufgebracht über die rücksichtslose Behandlung, die der Kaiser ihm, dem Protestanten, zu Theil werden ließ; indeß hielt ihn dies nicht ab, im J. 1685 demselben gegen 300 000 Thaler Subsidien wider die aufs Neue vordringenden Türken 5000 Mann zu Hilfe zu schicken. Bereits das Jahr vorher hatte er auf einer Reise, die er incognito nach Venedig unternahm, auch der Republik für den Krieg in Morea 3000 Mann vermiethet. Dem großen Augsburger Bund gegen Frankreich von 1686 trat er nicht bei, wohl aber reiste er im März 1688 nach dem Haag, um mit Wilhelm von Oranien, den Lüneburgern und Brandenburg Rücksprache über gemeinschaftlich zu treffende Maßregeln zu nehmen, jedoch ohne sich zur thätigen Unterstützung von Wilhelms Unternehmen gegen England bestimmen zu lassen. Dafür war, als Ludwig XIV. von Neuem das Reich anfiel, der sächsische Mars, wie man ihn nannte, der Erste, der an der Spitze seines Heeres zur Vertheidigung desselben herbeieilte; er wies Ludwigs Anerbietungen fest zurück, mußte sich aber bei der Langsamkeit des Reichsheeres mit der Deckung Frankens begnügen, vereinigte sich dann Febr. 1689 mit der großen Armee unter Karl von Lothringen und nahm an der Belagerung von Mainz hervorragenden Antheil. Durch Kränklichkeit zur Heimkehr nach Sachsen genöthigt, erschien er im Mai 1690 wieder auf dem Kriegsschauplatz, und obgleich seine Aerzte und Räthe ihm die fernere Theilnahme am Feldzug dringend widerriethen, so zog ihn doch ein neues Bündniß mit dem Kaiser und die Uebertragung des Oberbefehls über die Reichsarmee auch im folgenden Jahre unwiderstehlich ins Feld; aber die Mißhelligkeiten zwischen dem kaiserlichen Feldherrn Caprara und dem sächsischen Feldmarschall v. Schöning, denen der kränkliche Kurfürst nicht zu steuern vermochte, hinderten jede energische Kriegführung, doch gehört wenigstens die einzige nennenswerthe, freilich resultatlose Waffenthat dieses Feldzugs, der im Angesicht des Feindes bewerkstelligte Uebergang über den Rhein bei Sendhofen J. G. und Schöning an. Von der Pest ergriffen, starb J. G., erst 45 Jahre alt, am 12./22. Sept. 1691 in Tübingen, wohin er sich hatte bringen lassen. Fast ausschließlich von militärischen Dingen in Anspruch genommen, hat er für das Innere seines Landes nur wenig gethan. Durch ihn wurde J. Ph. Spener als Oberhofprediger nach Dresden berufen. Die Oberhoheit über die Nebenlinien wußte er mit Nachdruck zu behaupten. Von seiner Gemahlin Anna Sophia, Tochter Friedrichs III. von Dänemark, vermählt 9. Oct. 1666, gest. 1. Juli 1717, hatte er zwei Söhne, Johann Georg (IV.) und Friedrich August, die ihm beide nach einander in der Regierung folgten.

Helbig, Johann Georgs III. Beziehungen zu Kaiser und Reich in v. Weber’s Archiv f. sächs. Gesch. IX, 79 ff. – Kurfürst Johann Georg III. b. d. Entsatze von Wien in Raumer’s Histor. Taschenbuch 1848 u. Wissensch. Beilage z. Leipz. Zeitung, 1864, Nr. 6–8.