ADB:Johannes von Jandun

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Artikel „Johann von Jandun“ von Sigmund Ritter von Riezler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 458–460, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johannes_von_Jandun&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 22:50 Uhr UTC)
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Johann von Jandun, ein Champagner aus dem kleinen Flecken Jandun zwischen Rethel und Mezières, gehört der deutschen Geschichte an in Folge der einflußreichen Stellung, die er, freilich nur ein paar Jahre lang, im Rathe Kaiser Ludwig des Baiern behauptet hat. Die Angaben, daß er aus Gent oder Genua war, haben nur in schlechter Ueberlieferung oder Mißverständniß des Namens Jandunum, Gendunum ihren Ursprung. 1315 wird J., der Geistlicher, aber nicht, wie man zuweilen liest, Minorit war, an der Universität Paris als magister artistarum erwähnt. Seine „Quaestiones in 12 libros metaphysicae“ (ed. Venet. 1505 u. 1560) zeigen ihn in der Metaphysik als Averroisten, in der Logik als Vertreter eines halb-thomistischen Standpunktes. Der Streit der Minoriten mit Papst Johann XXII. über die Armuth Christi verursachte damals auch in den Hörsälen der Universität Paris stürmische Aufregung, und wie sich aus dem Defensor pacis ergiebt, verfocht J. eifrig die Anschauung der Minoriten. Mehr als seine philosophische Schriftstellerei ist es seine Mitarbeiterschaft [459] an diesem von reformatorischem Geiste erfüllten Werke, an diesem kühnen und scharfsinnigen Versuche eines neuen politischen und kirchenpolitischen Systems, was Johanns Namen den Nachruhm sichert. Sein Antheil am Defensor pacis steht ebenso fest, wie Grad und Umfang desselben im Unklaren bleiben; sicher ist nur, daß der Löwenantheil an dem Buche dem anderen Mitarbeiter, Johanns Collegen Marsiglio von Padua gebührt, auf dessen Biographie daher für eine Charakteristik des Werkes verwiesen werden muß. Hier sei nur erwähnt, daß das System der beiden Verfasser vor allem beeinflußt war einerseits durch die Lehre des Aristoteles vom Staat, andererseits durch die vor ihren Augen unter Philipp dem Schönen in Frankreich durchgefochtenen Kämpfe zwischen Staat und Kirche und durch die reiche polemische Litteratur, der diese das Leben gegeben hatten. Mit Marsiglio ging J. aus Paris im J. 1325 oder 1326 an das Hoflager König Ludwigs nach Deutschland, um diesem das eben vollendete Werk zu überreichen und seine Dienste im Kampfe gegen Papst Johann anzubieten. Mit Marsiglio, mit dem er überhaupt fast stets zusammengenannt wird, trafen J. dann auch die päpstlichen Verurtheilungen. Die Bulle vom 3. April 1327 bezeichnete die beiden Gelehrten als Söhne des Verderbens und Zöglinge der Verdammniß, die schon an der Universität Paris Jahre lang ihre Hörer vom Wege der Wahrheit abgeführt hätten, bis sie es endlich nicht mehr gewagt, dort das Gift ihres Wahnsinns weiter zu verbreiten. Sechs Tage später erging gegen beide das Urtheil der Excommunication und der Entsetzung von allen kirchlichen Pfründen und Würden und nachdem die ihnen zu persönlicher Rechtfertigung gesetzte Frist von vier Monaten verstrichen war, ward am 23. Octbr. gegen sie eine besondere Bulle erlassen, die sie als Ketzer erklärte und sich mit eingehender Widerlegung ihrer Irrthümer befaßte. Darin werden folgende ihrer Sätze als häretisch erklärt: daß Petrus keinen Vorrang vor den übrigen Aposteln gehabt; daß der Kaiser Päpste ein- und absetzen könne; daß nach der Einsetzung Christi alle Priester gleiche Autorität besäßen und das Mehr oder Minder ihrer Gewalt nur auf widerruflicher Uebertragung durch den Kaiser beruhe; daß Papst und Kirche ohne Ermächtigung des Kaisers keine Strafgewalt besäßen, und daß Christus nicht aus Herablassung oder Liberalität, sondern nach nothwendiger Verpflichtung dem Kaiser Tribut gezahlt habe. Am 26. Febr. 1328 ließ dann Papst Johann das römische Volk zur Gefangennahme der beiden Professoren auffordern, „dieser Bestien, hervorgegangen aus den Abgründen des Satans und dem Schwefelpfuhl der Hölle“.

Beide hatten mittlerweile ihren königlichen Schutzherrn nach Italien begleitet und neben Marsiglio wird auch J. Einfluß auf die radicalen Maßregeln gehabt haben, in denen Ludwig damals in Rom ein gutes Theil von dem kirchenpolitischen Systeme des Defensor pacis verwirklichte. Am 1. Mai 1328 ward J. in Rom vom Kaiser zum Bischofe von Ferrara ernannt und auch hiebei wurden, wie das kaiserliche Bestallungsdecret zeigt, die Grundsätze des Defensor pacis gewahrt, indem die Ernennung in Uebereinstimmung mit Klerus und Volk von Ferrara erfolgte und die Besetzung der Aemter und geistlichen Behörden im Sprengel der Wahl des Klerus und Volkes, nur die Bestätigung der Gewählten dem Bischofe vorbehalten blieb. Als Mitglied der kaiserlichen Gegenhierarchie hätte wol auch J. wie fast alle anderen eine kurze und klägliche Rolle gespielt; sie ward ihm erspart durch den Tod, der den Bischof auf dem Wege nach seinem neuen Bestimmungsorte im Mai oder Juni 1328 zu Todi ereilte. Die nur aus einem Pariser Repertorium bekannte Urkunde, angeblich vom 14. Juli 1328, wo ein Johannes „de Gelduno“ unter des Kaisers Hofgesinde aufgenommen wird, kann daher wol nur dann auf J. bezogen werden, wenn das Datum ungenau überliefert ist. Der bei Goldast, Monarchia I, 18 gedruckte [460] Tractatus seu informatio de nullitate processuum etc. wird in der Ueberschrift dieser Ausgabe irrig dem J. v. J. zugeschrieben.

Prantl, Geschichte der Logik im Abendlande III, 278; Renan, Averroes et l'Averroisme, p. 269; Riezler, Die literar. Widersacher der Päpste zur Zeit K. Ludwig des Baiern, S. 36 ff., 55 ff., 195 ff.; C. Müller, der Kampf Ludwig des Baiern mit der röm. Curie, bes. I. 163, 199.