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ADB:Kempter, Karl

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Artikel „Kempter, Karl“ von Josef Lautenbacher in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 112–114, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kempter,_Karl&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 00:21 Uhr UTC)
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Kempter: Karl K., der fruchtbarere, weiterwirkende und offenbar bedeutendere, wenn auch nicht immer eben so harmonische und durchweg erfreuliche Bruder Friedrich’s (s. o), wurde als siebentes Kind seiner Eltern am 17. Januar 1819 ebenfalls zu Limpach geboren. Er scheint von früh ab sich ganz der Musik zu widmen entschlossen gewesen oder bestimmt worden zu sein. Denn schon mit zwölf Jahren kam der für seine jungen Jahre hervorragende Clavier- und Orgelspieler zu dem damaligen Musiklehrer und Kirchenorganisten Mich. Keller in Augsburg, um unter dessen Leitung seine weitere musikalische Ausbildung zu erhalten. Er ist denn auch sein bedeutendster Schüler geworden, der freilich, im Wesen anders geartet, später andere, seine eigenen Wege ging. Die strenge Zucht der Keller’schen Schule hat ihm aber nicht nur nichts geschadet, sondern oft ganz merklich Halt und Festigkeit verliehen. 18 Jahre alt wurde er Organist bei St. Ulrich in Augsburg, zwei Jahre später an der Domkirche, an welche eben sein Lehrer als Capellmeister berufen worden war. 25 Jahre, bis zum Tode Keller’s bekleidete er das Amt, um dann dessen Nachfolger zu werden. Nur wenige Jahre wirkte er als Domcapellmeister, denn schon am 11. März 1871 starb er, seit geraumer Zeit durch [113] ein schweres Nervenleiden in der Erfüllung seiner Amtspflichten und in der vollen Entfaltung seiner Kunst mannichfach gehemmt.

Die Augsburger Domcapellmeister des 19. Jahrhunderts, von den Bühler und Witzka bis zu Kempter’s Nachfolger, Karl Kammerlander, sind alle fleißige Componisten gewesen, aber doch wol zumeist erst, nachdem sie Domcapellmeister geworden waren. Karl K. hat als Domcapellmeister nicht mehr viel componirt. Fast alle seine, bei Böhm in Augsburg erschienenen Werke, wol an die 200, sind vor seiner Capellmeisterzeit entstanden. Von Wenigem abgesehen – der eine oder andere Männerchor, der in der alten Sammlung der Augsburger Liedertafel versteckt ist, verdiente es wol, heute noch oder heute wieder gesungen zu werden, und zwar nicht in Augsburg allein – sind es fast ausschließlich ganz der Kirche und ihren verschiedenen Veranstaltungen dienende, meist figurirte Compositionen: Messen, Vespern, Litaneien, Gradualien, Offertorien u. s. w. Sie alle sind mit Vorliebe viele Jahre lang auf den größten wie auf den kleinsten Kirchenchören wol ganz Deutschlands und darüber hinaus aufgeführt worden. Waren sie doch nicht allzu schwierig aufzuführen, waren sie doch gefällig und dankbar. Nicht alle stehen sie auf gleicher Höhe, und manche muthen uns wol etwas unausgereift und flüchtig gemacht, andere etwas seicht und breit an. Zwang doch, wie man sagt, die äußere Noth des Lebens den braven und schaffensfreudigen Mann öfters, das Brett da zu bohren, wo es am dünnsten ist. Wie vieles aber ist reif und echt, durchaus erfreulich und von stets anmuthiger Eigenart! Es ist schwer zu sagen, welches die besten und beliebtesten Kirchenwerke Kempter’s sind. Außer dem Salve Regina, op. 10, das als eines der schönsten überhaupt gilt, dürfte wol neben einigen Messen das kindlich andächtige Adoro Te den Preis verdienen.

Als tüchtiger Meister erwies er sich auch in seinen Oratorien „Johannes der Täufer“, „Maria“, „Die Hirten von Bethlehem“. Der Text der beiden erstgenannten Werke stammt von dem trefflichen Benedictiner Gall Morel. „Die Hirten von Bethlehem“ hat Ponholzer weniger glücklich gedichtet. Es ist mir nicht gelungen, zu erfahren, wann und wo seine beiden Hauptoratorien zuerst aufgeführt wurden. Heute ist das Benedictinerstift St. Stephan in Augsburg im Besitze der Partituren derselben. Die in seiner Hut stehenden Gymnasialschüler haben den „Johannes“ einmal aufgeführt bei Gelegenheit eines Abt-Jubiläums am 2. Februar 1885. Einzelne Theile der „Maria“ wurden von ihnen aufgeführt an ihren Maifesten zwischen 1882 und 1886. Eine zweimalige Aufführung des ganzen Oratoriums geschah durch sie bei Gelegenheit des Bischofsjubiläums des † Bischofs Pancratius v. Dinkel im November 1883. Einzelne Stücke daraus wurden auch ab und zu während der Schulmesse aufgeführt.

In den letzten Jahren seines Lebens begann der Kampf der Cäcilianischen Richtung in der Kirchenmusik gegen die wirkliche und angebliche Unkirchlichkeit vieler zeitgenössischer Kirchencomponisten. Auch Karl K. glaubte man unter die unkirchlichen Kirchencomponisten rechnen zu müssen, ja der Bannerträger der Cäcilianer Franz Witt hat gerade ihn herausgegriffen, um ihn als Sudler und Sünder zu zeichnen. Zu dem kranken K. wird wol nur wenig von solchen ungerechten Worten und von dem ganzen Streit gedrungen sein. Aber je mehr der Einfluß dieser Richtung stieg, je mehr sie zur schwach bestrittenen Herrschaft kam, desto mehr verschwanden die Compositionen Kempter’s von den Kirchenchören, deren Repertoire er so lange beherrscht hatte. Zwar ist er noch nicht völlig gestürzt. Ja in Oesterreich, namentlich in Wien, scheint er mit besonderer Vorliebe gepflegt zu werden, und auch in der eigenen Heimath will man sich seiner wieder mehr annehmen.

[114] Von gedruckten Würdigungen Kempter’s ist mir außer sehr kurzen Nekrologen nichts bekannt, außer dem, was in J. B. Heindl’s Galerie berühmter Pädagogen, verdienter Schulmänner, Jugend- u. Volksschriftsteller und Componisten aus der Gegenwart, 1859, zu lesen steht.