ADB:Kleutgen, Joseph

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Artikel „Kleutgen, Joseph“ von Friedrich Lauchert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 216–218, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kleutgen,_Joseph&oldid=- (Version vom 24. April 2024, 22:38 Uhr UTC)
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Kleutgen: Joseph Wilhelm Karl K., Jesuit, Dogmatiker und Philosoph, geboren am 9. April 1811 (nicht am 9. oder 11. September, wie auch angegeben wird) zu Dortmund, † am 13. Januar 1883 zu St. Anton in Tirol. K. absolvirte das Gymnasium in seiner Vaterstadt, studirte dann von Ostern 1830 an zunächst zwei Semester Philologie, Philosophie und Aesthetik an der Universität München, entschloß sich dann nach einer Unterbrechung von einem Jahre zum Studium der Theologie, das er Ostern 1832–1833 an der Akademie in Münster begann, wo insbesondere Kellermann und Katerkamp und der Philosoph Schlüter Einfluß auf ihn hatten, und Ostern 1833–1834 an der philosophisch-theologischen Lehranstalt und im Priesterseminar zu Paderborn fortsetzte. Nachdem er am letzteren Orte die niederen Weihen und die Subdiakonatsweihe empfangen hatte, trat er am 28. April 1834 zu Brig im Kanton Wallis in das Noviziat der Gesellschaft Jesu ein. In den nächsten Jahren lebte er im Orden unter dem Namen Peters, um den Nachforschungen der preußischen Regierung wegen Theilnahme an einer Burschenschaft während seines Münchener Studienjahres zu entgehen. Nach Beendigung des Noviziats wurde er Professor der Rhetorik am Jesuiten-Gymnasium zu Brig. 1837 empfing er die Priesterweihe. Einige Zeit lehrte er auch Naturrecht zu Freiburg in der Schweiz. 1843 wurde er nach Rom berufen, als Professor der Rhetorik im Collegium Germanicum. Daneben wurde er Consultor der Congregation des Index. Seine letzten Lebensjahre verlebte er in stiller Muße meist zu Gries und zu St. Anton bei Kaltern in Tirol, zuletzt durch wiederholte Schlaganfälle gelähmt.

K. war einer der bedeutendsten Vertreter der erneuerten scholastischen Theologie und Philosophie. Sein berühmtes Hauptwerk: „Die Theologie der Vorzeit vertheidigt von J. K.“ (4 Bde., Münster 1853–1870; 2. Aufl., 5 Bde., 1867–1874) ist eine Vertheidigung der Theologie der Scholastik besonders gegen die Vorwürfe von Hermes, Hirscher und Günther (der letztere wird in der 1. Aufl. erst in den beiden letzten Bänden, in der 2. Aufl. aber durch das ganze Werk berücksichtigt), und Auseinandersetzung mit den Principien dieser Gegner der Scholastik. In den drei ersten Bänden werden die einzelnen dogmatischen Hauptstücke durchgegangen, in denen die Vertreter moderner Richtungen die Speculation der Scholastik angreifen; im 4. Bande der ersten Auflage (vor dem 3. Bd. mit der Bezeichnung „Letzter Band“ 1860 erschienen), oder im 4. und 5. Bde. der 2. Auflage werden die Principienfragen über den Gebrauch der Philosophie in der Theologie, den Glauben, dessen Verhältniß zum Wissen, die Wissenschaft des Glaubens (Theologie) und den Fortschritt der religiösen Erkenntniß erörtert. Als eine „Zugabe“ zu diesem Werke bezeichnet sich in der ersten Auflage das zweite bedeutende Hauptwerk Kleutgen’s: „Die Philosophie der Vorzeit vertheidigt von J. K.“ (2 Bde., [217] Münster 1860–1863; 2. Aufl. Innsbruck 1878; italienische Uebersetzung: „La filosofia antica esposta e difesa“, Rom 1867; französische Uebersetzung von Const. Sierp: „La philosophie scolastique, exposée et défendue“, 4 Bde., Paris 1868–1870), das im 1. Bd. Principien und Methode der scholastischen Philosophie, im 2. Bd. die speculative Behandlung der einzelnen Hauptstücke der Metaphysik gegen Hermes und Günther vertheidigt. Daran schließen sich noch die: „Beilagen zu den Werken über die Theologie und Philosophie der Vorzeit“ (1.–3. Heft, Münster 1868–1875), und zwar: 1. Heft: „Ueber die Verurtheilung des Ontologismus durch den h. Stuhl“ (1868; vorher im Katholik 1867 veröffentlicht; französische Uebersetzung von Sierp, Besançon 1867; italienische Uebersetzung Rom 1868); 2. Heft: „Zu meiner Rechtfertigung“ (1868; hauptsächlich gegen die Kritik seiner „Theologie der Vorzeit“ durch Dieringer, die zuerst im Bonner Theologischen Literaturblatt 1868, Nr. 6–9, dann als besondere Broschüre: „Die Theologie der Vor- und Jetztzeit. Ein Beitrag zur Verständigung“, Bonn 1868, erschienen war); 3. Heft: „I. Vom intellectus agens, und den angebornen Ideen. II. Zur Lehre vom Glauben“ (1875). Solide Gelehrsamkeit, großer Scharfsinn, besonnene Ruhe und Mäßigung des Urtheils, große Klarheit und Geschmack der Darstellung wurden als Vorzüge der beiden großen Werke auch von solchen katholischen Kritikern anerkannt, die denselben vom Standpunkte einer andern wissenschaftlichen Richtung kritisch gegenübertraten. Nur der erste Band erschien von dem von K. in seinen letzten Lebensjahren unternommenen Lehrbuch der Dogmatik: „Institutiones theologicae in usum scholarum“ (Vol. I, praeter Introductionem continens Partem primam, que est de ipso Deo; Regensburg 1881). Von seinen kleineren Schriften sind zu nennen: „Ueber die alten und die neuen Schulen“ (Mainz 1846, unter dem Pseudonym J. W. Karl; 2. Aufl. 1869 als 3. Bd. der „Kleineren Werke“); „Ueber den Glauben an das Wunderbare“ (Münster 1846, unter demselben Pseudonym); „Ars dicendi priscorum potissimum praeceptis et exemplis illustrata. In usum scholarum“ (Rom 1847 und öfter); „Ueber die Verfolgung der Kirche. Drei Reden, gehalten zu Rom“ (Münster 1851; 2. Aufl. Freiburg i. Br. 1866); „Leben der Heiligen Gottes aus der neueren Zeit“ (Münster 1854; 2. Aufl. 1869 als 1. Bd. der „Kleineren Werke“); „Die Ideale und ihre wahre Verwirklichung. Ein Wort zum Verständniß der deutschen Klassiker“ (Frankfurt a.M. 1868); „Ueber die Wünsche, Befürchtungen und Hoffnungen in Betreff der bevorstehenden Kirchenversammlung“ (Münster 1869); „De Romani Pontificis suprema protestate docendi“ (Neapel 1870, anonym; davon die deutsche Uebersetzung:) „Die oberste Lehrgewalt des Römischen Bischofs. Von einem Römischen Theologen“ (Trier 1870); „Das Evangelium des heil. Matthäus nach seinem innern Zusammenhang, auch für gebildete Laien zur andächtigen Betrachtung des Lebens unseres Heilandes in Kürze erklärt“ (Freiburg i. Br. 1882). Als „Kleinere Werke“ (Bd. I–X) erschienen: I. „Leben frommer Diener und Dienerinnen Gottes“ (2. Aufl. Münster 1869); II. „Briefe aus Rom“ (Münster 1869; gesammelt aus dem Münsterischen Sonntagsblatt 1845 bis 46 und dem Katholik 1864, II und 1865, I); III. „Ueber die alten und neuen Schulen“ (2. Aufl. Münster 1869); IV. u. V. „Predigten“ (Regensburg 1872–1874; diese zwei Bände erschienen in 2. Aufl. 1880–1885). Als wichtigere Beiträge zu Zeitschriften sind noch zu nennen: „Ueber die Einheit der Person Jesu Christi“ (Katholik 1869, I, S. 166–193; 286–312; 404–427; 525–541; 641–679); „Ueber den Ursprung der menschlichen Seele“ (Zeitschrift für katholische Theologie 1883, S. 197–229; seine letzte, erst nach seinem Tode erschienene Arbeit). Seine Abhandlung: „R. P. [218] Leonardi Lessii de divina inspiratione doctrinan e dokumentis magnam partem ineditis illustrata et ponderata“ ist gedruckt in dem Werke von Schneemann: „Controversiarum de divinae gratiae liberique arbitrii concordia initia et progressus“ (Freiburg i. B. 1881, S. 463–491).

Langhorst, Aus dem Jugendleben des P. Joseph Kleutgen; Stimmen aus Maria-Laach, 25. Bd. 1883, S. 105–124, 393–403, 489–510. – Liesen, P. Joseph Kleutgen S. J.; Katholik 1883, I, S. 523–543. – Sommervogel, Bibliothèque de la Compagnie de Jésus; Bibliographie T. IV (Bruxelles et Paris 1893), p. 1113–16.