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ADB:Koch, Wilhelm

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Artikel „Koch, Wilhelm“ von Ernst Wunschmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 402–405, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Koch,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 12. Dezember 2024, 01:29 Uhr UTC)
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Koch: Wilhelm Daniel Joseph K., Deutschlands größter Florist, war geboren zu Kusel in der bairischen Rheinpfalz den 5. März 1771 und starb als Professor der Botanik zu Erlangen am 14. November 1849. Auf dem Gymnasium zu Zweibrücken vorbereitet, besuchte K. von 1790–1794 die Universitäten Jena, Marburg und Gießen und widmete sich, zufolge des Einflusses seines ihm wohlwollenden Oheims, des Hofraths K. in Speier, medicinischen Studien, neben welchen er aus besonderer Neigung mit Eifer und Erfolg den Naturwissenschaften, besonders der Botanik, oblag. Nach seiner am 4. Juli 1794 zu Gießen erfolgten Doctorpromotion und nach bestandenem Staatsexamen wollte K. seine Laufbahn als praktischer Arzt beginnen, da wälzten sich die Wogen des französischen Revolutionskrieges auch gegen seine Vaterstadt Kusel, die durch ein ungerechtes Strafurtheil des französischen Machthabers ein Raub der Flammen wurde. Hierdurch wurde alles, was K. an Büchern gesammelt, an Handschriften ausgearbeitet und an sonstigen Gütern sich erworben hatte, mit einem Schlage vernichtet. Doch ungeschwächten Muthes begann K. seine Wirksamkeit als praktischer Arzt zu Trarbach a. Mosel, wohin er im J. 1795 berufen wurde. Schon zwei Jahre später eröffnete sich ihm indessen ein größerer Wirkungskreis dadurch, daß er eine Anstellung als Oberamtsarzt zu Kaiserslautern, von 1816 an mit dem Titel eines Kreis- und Kantonarztes, erhielt. In dieser Stellung wirkte K. 27 Jahre lang mit einem Erfolge ohne Gleichen. Eine gleich bei der Uebernahme dieses Amtes in der Pfalz ausgebrochene Typhusepidemie ließ nicht nur die außerordentliche wissenschaftliche Tüchtigkeit dieses Mannes, sondern auch seine wahrhaft edle Menschlichkeit in hellstem Lichte erscheinen, so daß in der [403] Folgezeit, noch Decennien hindurch, kein Arzt in der ganzen Pfalz höher gefeiert wurde als K. Aber trotz seiner ausgebreiteten und mit Strapazen verbundenen Thätigkeit fand dieser seltene Mann noch Zeit, in ausgedehnten Excursionen die Flora seiner Heimath aufs genaueste zu erforschen, nebenher auch noch Entomologie und Ornithologie zu treiben und ansehnliche naturhistorische Sammlungen anzulegen. Als Früchte dieser mit Begeisterung getriebenen Studien erschien 1814 ein mit seinem Freunde Ziz zusammen bearbeiteter Katalog der Pflanzen der Rheinpfalz: „Koch et J. B. Ziz, Catalogus plantarum, quae in ditione Florae Palatinatus legerunt, in amicorum usum conscriptus“, Monguntiae 1814. und einige Jahre später die seinen Ruf begründende Bearbeitung von J. C. Röhling’s „Deutschlands Flora“, deren ersten Band er mit F. C. Mertens zusammen und dessen zwei letzten Bände er allein verfaßte. Das Werk erschien 1823–1830 und war von so einschneidender Bedeutung, daß K. im J. 1824 fast gleichzeitig von Heidelberg und Erlangen einen Ruf als Professor der Botanik erhielt, nachdem er bereits drei Jahre zuvor Mitglied der bairischen Akademie der Wissenschaften geworden war. K. entschied sich für Erlangen und wirkte an dieser Universität bis zu seinem Tode, volle 25 Jahre hindurch, als Gelehrter wie als Lehrer gleich Ausgezeichnetes leistend. Neben seiner Hauptwissenschaft, der Botanik, trug er auch längere Zeit hindurch specielle Therapie und Pathologie mit großem Beifall vor. K. war eine schlichte, gerade Natur, dabei von großer Herzensgüte, wenn auch sein durchaus berechtigtes Selbstvertrauen ihn vielleicht manchem rauh erscheinen ließ. Wo er der Wissenschaft durch seine Erfahrungen oder seine Sammlungen nützen konnte, da war er jederzeit bereit zu helfen und mitzutheilen. Nach Auszeichnungen und äußerer Anerkennung strebte er nicht; sie sind ihm aber, wenn sie ihn auch erst im späteren Lebensalter erreichten, nicht versagt geblieben. Bei Gelegenheit seines 50jährigen Doctorjubiläums, im J. 1844, erhielt er den Titel eines Geh. Hofraths und im folgenden Jahre den schwedischen Nordstern-Orden, der ehedem auch die Brust seines berühmten Fachgenossen Linné geschmückt hatte, eine Auszeichnung, die ihn ganz besonders erfreut haben soll. Von 34 gelehrten Gesellschaften waren ihm im Laufe der Zeit Diplome der Mitgliedschaft zugetheilt worden. Auch im Gemeindeleben erprobte sich seine Tüchtigkeit, und was K. auf dem Präsidentenstuhl bei dem Landrathe in Mittelfranken, den er 10 Jahre hindurch eingenommen, geleistet hat, ist eine schöne Ergänzung seiner Laufbahn als Gelehrter. Als er zwei Jahre vor seinem Tode durch einen unglücklichen Fall im Zimmer sich einen Schenkelhalsbruch zugezogen und das Zimmer nicht mehr verlassen konnte, ließ er sich dadurch in seiner Lehrthätigkeit nicht behindern. Er ließ seine Schüler an sein Lager kommen und erfand sogar eine künstliche Vorrichtung, um von seinem Schmerzensstuhle aus seinen Zuhörern die Pflanzenformen an die Tafel zu zeichnen. So suchte er der Natur zu trotzen und erst allmählich ging sein robuster Körper seiner Auflösung entgegen. Nach hartnäckigem Todeskampfe verschied er in einem Alter von 78 Jahren. Die große Bedeutung Koch’s concentrirt sich auf das Hauptwerk seines Lebens: „Synopsis florae germ. et helvet. exhibens stirpes phanerogamas et vasculares cryptogamas rite cognitas, quae in Germania, Helvetia, Borussia et Istria sponte crescunt atque in hominum usum copiosius coluntur, secundum systema Candolleanum digestas, praemissa generum dispositione secundum classes et ordines systematis Linneani conscripta“, Francofurti a. M. 1837. (Index generum, specierum et synonymorum 1838), ed. II. Leipzig 1843–1845, ed. III. ib. 1857. Es erschien in demselben Jahre auch unter deutschem Titel und dessen zweite Auflage 1846–1847. – Was vor diesem klassischen Werke an floristischen Arbeiten in Deutschland erschienen, ist, diesem gegenüber, unbedeutend [404] gewesen, und was nachher die botanische Litteratur in diesem Fache aufzuweisen hat, stützt sich durchaus auf Koch’s Synopsis. Es sind in dem Werke für das ganze hier in Betracht gezogene Gebiet, also für ganz Deutschland, einschließlich des Littorale, und die Schweiz 3210 wild wachsende und 79 cultivirte phanerogame Pflanzen beschrieben. Von diesen fallen auf Deutschland allein 733 Arten, auf die Schweiz allein 126, auf Deutschland und die Schweiz gemeinsam 2173, auf Istrien allein 17 und auf Preußen allein 3 Arten. Die jeder Art beigefügte Diagnose ist kurz, aber scharf und präzis verfaßt, mit besonderer, durch cursive Schrift kenntlich gemachter Hervorhebung der charakteristischen Merkmale. Sie enthält außerdem die Angaben über Dauer, Standort, Blüthezeit, ein paar Citate und die Synonyma, denen dann noch bei vielen erläuternde Bemerkungen folgen. Die einem engeren Gebiete ausschließlich angehörenden Pflanzen sind durch hinzugefügte Buchstaben, wie G für Deutschland, H für die Schweiz als solche gekennzeichnet, während bei den überall vorkommenden diese Bezeichnungen fehlen. Die Culturpflanzen zeigen den Vermerk: „colit.“ Mit Sorgfalt sind alle Varietäten aufgeführt, welche vorkommen und selbst auf die bisher in dem behandelten Gebiete noch nicht aufgefundenen ist Rücksicht genommen worden. Die Litteratur ist bei jeder Art gewissenhaft angegeben. Ein Schlüssel zum Bestimmen der Gattungen – nach Linné’schem System – und eine tabellarische Uebersicht der natürlichen Familien sind dem Werke vorgedruckt; eine kleine monographische Bearbeitung der Arten und Bastarde aus der Gattung Cirsium von Carl Nägeli verfaßt, ist ihm als Appendix beigegeben. Wenn die Zahl der Auflagen, welche die Synopsis und noch mehr das in gedrängter Kürze denselben Inhalt wiedergebende, weiter unten zu erwähnende „Taschenbuch“ erlebt haben, ein gutes Zeugniß für die praktische Verwendbarkeit dieser Werke abgeben, so ist der europäische Ruf, den der Verfasser durch sie sich mit einem Schlage erworben, gewiß der beste Beweis für ihre eminente Bedeutung. In der That ist es nicht allein die Reichhaltigkeit des Materials, das hier geboten wird, sondern vor Allem die auf Grund einer scharfen Naturbeobachtung geübte gewissenhafte Kritik bei der Aufstellung und Abgrenzung der Arten, bei ihrer Classification und Einreihung unter allgemeine Merkmale, welche, neben der sorgfältigsten Berücksichtigung sämmtlicher vorhandener litterarischer Quellen, für diese Art von Schritten ganz neue Bahnen vorgezeichnet haben. Hatte man sich bis dahin gewöhnt, in floristischen Werken die von den Sammlern aufgefundenen Pflanzen des bezüglichen Gebietes, in der Regel nur mit kurzen, auf das Bestimmen allein gerichteten Diagnosen versehen, einfach zusammen zu stellen, so zeigte K. nun, daß es damit allein nicht gethan sei, sondern daß durch soweit als möglich selbständige Nachuntersuchung das wirklich Thatsächliche festgestellt, daß die von den Sammlern in den Benennungen nicht selten gemachten Irrthümer aufgedeckt und in consequenter Handhabung des Art- und Gattungsbegriffes etwas durchaus Einheitliches hergestellt werden müsse. Mit der Anwendung dieser Principien ist denn in der That die Synopsis florae germanicae et helveticae zu einem klassischen Werke in der floristischen Litteratur geworden. Ebensolchen Beifall und vielleicht noch größere Verbreitung, wohl weil in größerer Kürze, bei handlicherem Format und in deutscher Sprache verfaßt, fand Koch’s 1844 in erster Auflage erschienenes „Taschenbuch der deutschen und Schweizer Flora“ etc. Wie schon erwähnt, ist es im Wesentlichen eine Wiederholung der Synopsis, aber, weil bestimmt zum Gebrauch auf botanischen Excursionen, mit kürzer gefaßten Diagnosen, unter Ausschluß der sonstigen, den Arten zugefügten Citaten und Bemerkungen und der speciellen Standortsangaben. Im Uebrigen enthält es sämmtliche Arten der Synopsis bei fast unveränderter [405] Anordnung derselben unter die Gattungen. Auch hier ist das Decandolle’sche System beibehalten und eine kurze Uebersicht des künstlichen vorausgeschickt. Die sechste Auflage erlebte das Werk im J. 1865 und eine mit Geschick unternommene Bearbeitung durch Ernst Hallier im J. 1878. Zahlreiche Publikationen Koch’s, man kann sie füglich die Bausteine zu seiner Synopsis nennen, füllen fast jede Nummer der botanischen Zeitschrift „Flora“ in den Jahren 1819–47 und bis in die spätesten Tage seines Lebens war seine Hauptsorge auf die Vervollkommnung seines Hauptwerkes gerichtet, für welches er nur noch die Gattungen Hieracium, Salix und Carex selbst zu bearbeiten den innigsten Wunsch hatte. Auch sei noch erwähnt, daß er für J. Sturm’s heftweise erschienenes Werk „Deutschlands Flora in Abbildungen nach der Natur mit Beschreibungen, 1. Abth.“ zu verschiedenen Heften den Text lieferte. Sein für das Studium der deutschen Flora hochwichtiges Herbarium befindet sich gegenwärtig, nachdem es nach Koch’s Tode durch verschiedene Hände gegangen, im Besitze des Professors Suringar in Leyden. Koch’s große Bedeutung für die botanische Wissenschaft liegt darin, daß er ein wesentliches Bedürfniß seiner Zeit, den Grundbau für die heimathliche Specieskunde zu errichten, erkannte und befriedigte. Dadurch wirkte er als Reformator, freilich nur auf einem bestimmt begrenzten Gebiete. Denn für das, was neben der Systematik sich damals schon mit mächtigem Drange zu entwickeln strebte, für Morphologie, Anatomie und Physiologie besaß K. weder Neigung noch Verständniß. Daher rührt seine, uns heute seltsam vorkommende Klage, „daß man von nichts mehr als von Zellen lese und höre“. Dessenungeachtet wird Wilhelm Koch’s Name mit der botanischen Wissenschaft unlöslich verbunden bleiben. Er bewahrheitete den Spruch: „In der Beschränkung zeigt sich der Meister.“ Ein Meister aber war er in seinem Fache. Seinen Namen trägt eine Chenopodiaceen-Gattung, die in 30 Arten über fast alle Erdtheile verbreitet ist.

Eine kurze biogr. Mittheilung findet sich in „Flora“, 1849.