ADB:Krupp, Hermann
*): Hermann K., Begründer der Metallwaarenfabrik zu Berndorf (1814–1879). Hermann K., jüngerer Sohn des Vorigen, wurde während der traurigen Zeiten, die seine Mutter als Inhaberin der Gußstahlfabrik bei Essen mit ihren Kindern durchmachte, schon im Knabenalter zur Arbeit herangezogen. Nur wochenweise konnte er – abwechselnd mit seinem Bruder Alfred – die Schule besuchen. Am Abend vermittelte dann der eine Bruder dem andern, der bei der praktischen Arbeit zu Hause geblieben war, das in der Schule Erlernte und die Schulaufgaben.
KruppDas kleine Eisenwerk erweiterte sich langsam aber stetig. Später übernahmen beide Söhne, Alfred und Hermann, gemeinsam und gleichberechtigt die Leitung des Essener Werkes. In diese Zeit fällt die Einrichtung der Berliner und Londoner Münze durch Alfred K. und jene in Versailles und Wien durch Hermann K. Speciell der wiederholte und längere geschäftliche Aufenthalt in Wien war für die fernere Lebensthätigkeit Hermann Krupp’s entscheidend; hier knüpfte er Beziehungen zu dem aus dem Rheinlande stammenden Großhändler Alexander Schoeller, Chef der gleichnamigen Großhandlungsfirma, an und gründete im Vereine mit dieser Firma im J. 1843 eine Metallwaarenfabrik zu Berndorf in Niederösterreich.
Berndorf, damals ein unbedeutendes Oertchen, 43 Kilometer südwestlich von Wien, im Triestingthale gelegen, bot nichts als die erst auszubauende Wasserkraft des Triestingbaches. Hier schuf Hermann K. zunächst eine für Oesterreich vollkommen neue Industrie: die Erzeugung versilberter Tafelbestecke mittelst Maschinenbetriebes. Versuche in dieser Richtung wurden schon einige Jahre vorher in Essen gemacht; K. war aber für die Einführung dieser Industrie durch jene Erfahrungen besonders befähigt, die er während seines Aufenthaltes in Frankreich (Versailles) auch auf diesem Gebiete gewonnen hatte. Dort war er nämlich mit Halphen in Berührung getreten, nach welchem das für Tischgeräthe verwendete weiße Metall „Alfenid“ (Halphenid) noch heute benannt wird. Das von Hermann K. in Berndorf erzeugte weiße Metall ist aber auf dem Continent ebenso wie in überseeischen Ländern unter der Bezeichnung „Alpaccasilber“ bekannt geworden. Später trat zu der Erzeugung versilberten Tafelgeräthes die Herstellung von Münzplättchen, aus Bronze und Nickel, für die Scheidemünzen einer Reihe von Staaten hinzu. Hier waren K. die Kenntnisse hinsichtlich der Einrichtung von Münzstätten besonders förderlich. Seit 1848 blieb K. dauernd in Oesterreich. Mit diesem Zeitpunkte schied er aus der Essener Firma „Friedrich Krupp“ und diese hörte auf, an dem Berndorfer Unternehmen betheiligt zu sein.
Unter der unermüdlichen, energischen und zielbewußten Leitung Hermann Krupp’s erweiterte sich das Berndorfer Unternehmen; seine Fabrikate eroberten sich trotz mannichfacher Schwierigkeiten einen immer größeren Markt. Welche Ausdauer und welch’ überzeugtes Festhalten an dem einmal als richtig erkannten Gedanken nothwendig war, beweist der Umstand, daß die Berndorfer Fabrik erst nach dreizehnjähriger Arbeit, d. i. im J. 1856, in ihrer Bilanz einen Gewinn auswies. K. verehelichte sich am 16. August 1847 mit Marie Baum, der Tochter eines aus Hannover stammenden österreichischen Großhändlers. Dieser Ehe entstammten sieben Kinder, von welchen der jüngere Sohn Arthur (geb. am 31. Mai 1856) bereits in einem Alter von 23 Jahren der Nachfolger seines Vaters wurde, als dessen schaffensreichem Leben am 25. Juli 1879 ein Herzschlag ein Ende setzte.
Hermann K. erfreute sich der allgemeinsten Achtung, suchte jedoch niemals [540] äußere Ehren. Er führte ein glückliches Familienleben und hatte, insbesondere durch seinen Versailler Aufenthalt angeregt, dauerndes Interesse an der Kunst gewonnen, das er auch durch Unterstützung und Ausbildung von Künstlern bethätigte. Nicht bloß seine geschäftliche Tüchtigkeit, sein unermüdlicher Fleiß, der ihn täglich gleichzeitig mit seinen Arbeitern Morgens mit dem Glockenschlage 6 in der Fabrik fand, wo er bis zum Abend thätig blieb, vor allem aber der von ihm jederzeit hochgehaltene Grundsatz der unbedingtesten Solidität und Gewissenhaftigkeit erwarben ihm viele Freunde und Anhänger. Das Bild dieses Mannes wäre nicht vollständig, wollte man nicht erwähnen, daß seine vornehme Denkungsweise auch in der äußeren Erscheinung und in den besten Umgangsformen zum Ausdruck kam.
Das Werk Hermann Krupp’s darf nicht allein nach jenen Erfolgen beurtheilt werden, welche die Geschichte dieser Industrie während seiner Lebensdauer verzeichnet, sondern auch darnach, wie dank seiner grundlegenden und solid aufbauenden Thätigkeit seine Schöpfung während der seit seinem Tode verflossenen Zeit – mehr als ein Vierteljahrhundert – sich entwickeln konnte. Heute beschäftigt Berndorf 4500 Arbeiter; aus dem kleinen Oertchen an der Triesting, das nur aus einigen Häusern bestand, ist ein zur Stadt erhobener großer Ort geworden, welcher neben zahlreichen guten Schulen und ausgedehnten Wohlfahrtseinrichtungen sogar das erste Arbeiter-Theater in sich schließt. Die Berndorfer Metallwaaren sind in der ganzen Welt verbreitet, und es gibt kein Land, in welchem man das alte Fabrikat Hermann Krupp’s nicht kennt. Haben die beiden Brüder Alfred und Hermann K. auch in verschiedenen Ländern verschiedene Lebenswege eingeschlagen, in einer Beziehung haben beide dasselbe Ziel erreicht: so wie Alfred K. Essen zum ersten Eisenwerke der Welt ausgestaltete, so legte Hermann K. in Berndorf den Grund zu der in ihrer Art größten Metallwaarenfabrik der Welt. Hermann K. behielt auch in seiner neuen Heimath bis an sein Lebensende die preußische Staatszugehörigkeit bei; die Erinnerung an die bitteren Erfahrungen seiner Knabenzeit in seiner alten Heimath zu verwinden, war ihm jedoch niemals vergönnt.
- (Nach Mittheilungen des Sohnes Arthur Krupp in Berndorf.)
[539] *) Zu Bd. LI, S. 410.