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ADB:Lange, Philipp

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Artikel „Galen, Philipp“ von Franz Brümmer in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 240–242, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lange,_Philipp&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 11:20 Uhr UTC)
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Galen: Philipp G. ist der Schriftstellername für Ernst Philipp Karl Lange, der am 21. December 1813 in Potsdam geboren wurde. Sein Vater, ein sehr beliebter königlicher Hofwundarzt, der äußerst reiche und seltsame Jugendschicksale erlebt hatte, hielt den Sohn während seiner Gymnasial- und Universitätszeit in strenger und knapper Zucht, die dem frischen und lebensfrohen Jüngling oft unbequem genug gewesen sein mag. Schon sehr früh versuchte sich dieser, angeregt durch eine fein gebildete Mutter, wie durch andere geistig belebte Frauen, in dichterischen Productionen. Nach Absolvirung des Gymnasiums bezog G. 1835 die Universität Berlin, wo ihm viele innere Kämpfe anfänglich das Leben verbitterten, da ihm das Studium der Medicin gegen seine Neigung aufgedrungen war und er als Zögling des Friedrich-Wilhelms-Instituts bei sehr beschränkten Mitteln wenig von der goldenen Freiheit des akademischen Lebens genießen konnte. Einige Entschädigung hierfür boten ihm das Studium der Litteratur, Aesthetik und Geschichte und die sich ihm bald erschließenden Gelehrten- und Künstlerkreise, denen er vielseitige Anregung verdankte. So schrieb er noch als Student sein 1871 veröffentlichtes [241] historisches Charaktergemälde in fünf Abtheilungen und einem Vorspiel „Friedrich in Rheinsberg“. Nach seiner Promotion (1839) fungirte G. zunächst als Chirurg an der Charité in Berlin, trat 1840 als Compagnie-Chirurgus in die preußische Armee ein und widmete sein besonderes Interesse nunmehr den Gemüthskranken in Gefängnissen und Irrenhäusern. Die Früchte seiner Beobachtungen und eingehenden psychiatrischen Studien legte er dann in einem Roman „Der Irre von St. James“ nieder, den er aber erst nach acht Jahren der Oeffentlichkeit übergab. Im J. 1844 hatte G. sein Staatsexamen abgelegt, war 1845 Oberarzt am Cadettenhause in Potsdam und 1847 Landwehr-Bataillonsarzt in Bielefeld geworden, machte von hier aus 1849 als Dirigent eines Feldlazareths den Feldzug in Schleswig mit und nahm auch später an dem Einmarsch der Preußen in Kurhessen theil. In Bielefeld hatte G. seinen Hausstand gegründet; aber bei dem kärglichen Gehalt, das ihm der Staat zahlte, war er auf eine anstrengende Bauernpraxis angewiesen, um sich mit seiner Familie kümmerlich ernähren zu können. Auf einem solchen strapaziösen Krankengang durch den Teutoburger Wald kam es ihm zum Bewußtsein, daß seine körperlichen Kräfte für seinen schweren Beruf nicht lange ausreichen würden, und plötzlich erwachte von neuem die alte Lust zur geistigen Arbeit, zum Schreiben. Sich seine eigene Lage vergegenwärtigend, dachte er, wie wohl einem Menschen zu Muthe sein müsse, der so viel Geld hat, daß er es nicht ausgeben kann. Und dieser Gedanke nahm ihn so sehr gefangen, daß er noch unterwegs, ehe er sein Heim erreichte, den Plan zu seinem Künstlerroman „Der Inselkönig“ entwarf, worin er zeigen wollte, was ein Mensch mit vielen Mitteln leisten könne, wenn er die Einsicht und das Herz dazu hat. In sechs Wochen war der fünfbändige Roman fertig und wurde dem „Verlagscomptoir in Grimma und Leipzig“ zum Druck angeboten. Als nach Jahresfrist keine Entscheidung erfolgt war, reclamirte G. seinen Roman, erhielt aber die naive Antwort: der Roman sei seit einem Jahre gedruckt, der Verleger aber – tot. Dieser Mittheilung lag ein einziges Exemplar seines Romans bei, dem man folgenden Titel gegeben hatte: „Der Inselkönig. Roman aus Herloßsohns nachgelassenen Papieren von Philipp Galen“ (V, 1852). Dieses ihm gewissermaßen aufgedrungene Pseudonym hat G. denn auch für die Zukunft beibehalten. Zunächst besorgte er die Ausgabe seines schon erwähnten Romans „Der Irre von St. James“ (IV, 1854; 5. Aufl. 1871), der seinen Namen höchst vortheilhaft bekannt machte und in der That zu dem Besten gehört, was G. geschrieben hat. Dann folgten die Romane „Fritz Stilling. Erinnerungen aus dem Leben eines Arztes“ (IV, 1854; 4. Aufl. 1877), worin er seinem Vater ein bleibendes Denkmal setzte, „Walter Lund“ (III, 1855), „Andreas Burns und seine Familie“ (IV, 1856), „Baron Brandau und seine Junker“ (II, 1858), „Emery Glandon“ (IV, 1859), „Der Strandvogt von Jasmund“ (IV, 1859), „Der Sohn des Gärtners“ (IV, 1861), „Die Insulaner“ (IV, 1861), „Nach zwanzig Jahren“ (III, 1864), „Der Leuchtturm auf Kap Wrath“ (III, 1862), „Der grüne Pelz“ (IV, 1863), „Der Erbe von Bettys Ruh“ (IV, 1866), „Jane, die Jüdin“ (III, 1867), „Die Tochter des Diplomaten“ (IV, 1867), „Das Irrlicht von Argentières“ (III, 1868), „Walram Forst, der Demagoge“ (IV, 1868), „Der Löwe von Luzern“ (V, 1869), „Der Friedensengel“ (III, 1870), „Irene, die Träumerin“ (III, 1873), „Der Alte vom Berge“ (III, 1873), „Der Rastelbinder“ (III, 1874), „Der Einsiedler vom Abendberg“ (III, 1876), „Die Moselnixe“ (III, 1877), „Frei vom Joch“ (III, 1878), „Die Perle von der Oie“ (IV, 1880), „Der Meier von Monjardin“ (II, 1891) und zwischendurch die Novellensammlung „Der [242] Pechvogel und andere Erzählungen“ (1883). Alle diese Arbeiten erfreuten sich seiner Zeit großer Beliebtheit und Verbreitung. In ihnen offenbart der Verfasser „ein liebenswürdiges Erzählertalent, eine plastische Gestaltungskraft und die Gabe, interessante Charaktere zu erfinden und sie mit psychologischer Feinheit und minutiöser Sorgfalt zu entwickeln. Charakteristisch für alle seine Schriften ist auch die ausgeprägte und mit Meisterschaft getroffene Localfarbe, die Auffassung und Wiedergabe der Sitten und Gebräuche, der öffentlichen Feste wie häuslichen Gewohnheiten der Bewohner verschiedener Länder und Gaue. Eine besondere Erwähnung verdient die reine sittliche Tendenz, die sich überall kundgibt. Frei von jeder Unduldsamkeit kämpfte er als ausgesprochener Christ für Wahrheit und Recht, weniger durch doctrinäre Schönrednerei als durch geschickte Personificirung der Idealgestalten. Und wenn öfters eine zu große Breite und Behaglichkeit in der Schilderung zu Tage tritt, so liegt der Grund wol darin, daß der Dichter nicht ethische Probleme durch Leben und That zu lösen und zu entwickeln strebt, sondern zuerst die Geschehnisse erfindet und gruppirt, und dann erst die auftretenden Personen mit den erforderlichen Eigenschaften ausstattet“. Aus dem äußeren Leben Galen’s wäre noch hinzuzufügen, daß er 1857 als Stabsarzt nach seiner Vaterstadt Potsdam versetzt ward und 1878 mit dem Charakter eines Oberstabsarztes in den Ruhestand trat. Am 27. April 1897 war es ihm vergönnt, die Feier seiner goldenen Hochzeit zu begehen, bei welcher Gelegenheit es die Potsdamer an reichen Ehrungen nicht fehlen ließen. Am 20. Februar 1899 ist G. in Potsdam gestorben.

Biographische Einleitung zu Galen’s Novellensammlung „Der Pechvogel etc.“ von Hans Ziegler. – Biographisches Jahrbuch und deutscher Nekrolog, 4. Jahrg., S. 243.