Zum Inhalt springen

ADB:Leber, Ferdinand Joseph Edler von

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Leber, Ferdinand Joseph Edler von“ von Ernst Gurlt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 18 (1883), S. 93–94, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Leber,_Ferdinand_Joseph_Edler_von&oldid=- (Version vom 19. November 2024, 22:20 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Lazius, Wolfgang
Nächster>>>
Lebert, Heinrich
Band 18 (1883), S. 93–94 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Ferdinand Joseph von Leber in der Wikipedia
Ferdinand Joseph Edler von Leber in Wikidata
GND-Nummer 11761291X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|18|93|94|Leber, Ferdinand Joseph Edler von|Ernst Gurlt|ADB:Leber, Ferdinand Joseph Edler von}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11761291X}}    

Leber: Ferdinand Joseph Edler von L., Professor der Chirurgie, k. k. Rath und Leibchirurg zu Wien, wurde daselbst am 31. Decbr. 1727 geboren. Er war der Sohn eines ganz unbemittelten Instrumentenmachers, seine Mutter eine Hebeamme. Nachdem er schon im 13. Jahre seinen Vater verloren, wurde er zu einem Wundarzt in die Lehre gegeben, studirte später die Chirurgie unter Jaus, Laudes und Retter und erwarb im März 1751 die Magisterwürde in derselben, wobei er sich als so kenntnißreich erwies, daß van Swieten ihm kurze Zeit darauf eine Anstellung als Hospitalarzt zu Breitenfurt in Niederösterreich erwirkte. Allein schon im folgenden Jahre erhielt er auf die Verwendung seines Gönners De Haën einen Ruf an das große Stadt-Bürgerspital in Wien, womit zugleich die Aufsicht über die beiden größten Vorstadt-Spitäler (Marxer und Bäckenhaus) verbunden wurde. Außerdem war er seit 1757 beauftragt, die Criminal-Inquisiten, denen die sog. peinliche Frage (Tortur) bevorstand, ärztlich zu untersuchen. Volle 19 Jahre blieb L. in diesem entsetzlichen Amte als „Folterarzt“, bis endlich die Folter 1776 auf immer aus den Gerichtshöfen der Erbstaaten verschwand. Nicht wenig hatte dazu L. durch seine schriftlichen und mündlichen Vorstellungen bei Maria Theresia über die Widersinnigkeit und Grausamkeit des Verfahrens beigetragen. L. hatte seit dieser Zeit die Obliegenheit, bei allen in den Kerkern der Hauptstadt befindlichen Gefangenen ein Gutachten über ihren Geisteszustand abzugeben und hatte auch bei dieser seiner 28 Jahre fortgesetzten Thätigkeit Gelegenheit, viel Gutes zu wirken. – Vom J. 1756 an verrichtete er unter De Haëns Aufsicht mehrere Jahre hindurch alle chirurgischen Operationen auf der damaligen medicinisch-chirurgischen Klinik. Im J. 1761 wurde er, nach dem Tode des Professor Jaus, mit der Lehrkanzel der Anatomie und der theoretischen Wundarzneikunst betraut und erhielt er bei dieser Gelegenheit den Titel eines k. k. Rathes. Er bekam weiterhin von der Kaiserin den Auftrag, bei allen Criminalfällen seinen Bericht zu erstatten, auch für den Codex austriacus über die Verletzungsarten nach ihrer Tödtlichkeit eine Instruction für Wundärzte und Richter zu verfassen, die als ein gründliches und gediegenes Elaborat dem erwähnten Criminal-Codex als Anhang beigefügt ist. Es fällt in diese Zeit auch seine erste Schrift „Abhandlung von der Nutzbarkeit des Schierlings in der Wundarzneikunst“, Wien 1762. Zehn Jahre später folgten seine „Vorlesungen über die Zergliederungskunst“, Wien 1772, zweite Ausgabe 1778, nach Hyrtl’s Urtheil ein für die damalige Zeit gutes Compendium, das, außer einer lateinischen Bearbeitung („Praelectiones anatomicae“, Vindobonae 1777) und außerdem daß es als Unterrichtsbuch an in- und ausländischen Universitäten in Gebrauch war, noch viele Jahre später von J. C. Rosenmüller unter dem Titel: „Umriß der Zergliederungskunst umgearbeitet und vermehrt“, Leipzig 1808 herausgegeben wurde. – Am 1. Febr. 1776 zeichnete ihn Maria Theresia durch Ernennung zu ihrem Leibchirurgus aus und erhob ihn zwei Jahre später sammt seiner Nachkommenschaft in den erbländischen [94] Adelstand mit dem Ehrenwort „Edler von“; die Universität verlieh ihm honoris causa den Doctortitel. 1786 gab L. seine bis dahin gehaltenen anatomischen Vorträge auf und vertauschte sie mit denen über chirurgische Krankheiten, Operations-, Maschinen- und Bandagenlehre, denen er bis zu seinem Tode vorstand. Bei dieser Gelegenheit hatte er seine trefflich geordnete Sammlung anatomischer und pathologisch-anatomischer Präparate der Wiener Universität zum Geschenk gemacht. Weitere Auszeichnungen, die ihm zu Theil wurden, bestanden darin, daß ihm der Kaiser Franz 1801 eine Personalzulage und 1805, nachdem er 44 Jahre lang ein Lehramt als Professor versehen hatte, die große goldene Ehrenmedaille mit der Kette verlieh, die ihm in der Aula der Universität in einer besonderen Feierlichkeit überreicht wurde. Ungeachtet seines hohen Alters fuhr L. unermüdlich in der Ausübung seines Berufes bis zu seinem Tode, der am 14. October 1808, im 81. Lebensjahre erfolgte, fort. – Mit einem biederen und redlichen Charakter, aber auch einer Derbheit, die mitunter abschreckend sein konnte, verband L. große Herzensgüte und Uneigennützigkeit, mit der er, ein Freund und Wohlthäter der Armen, denselben bis zu den letzten Tagen seines Lebens 50 Jahre lang einen großen Theil seines Lebens opferte und dabei noch Viele derselben anderweitig unterstützte. Leber’s Wirken als Anatom war auf sein Lehrfach beschränkt, jedoch war er, nach Hyrtl, ein guter Anatom, der alle chirurgisch verwerthbaren Capitel gründlich und genau abhandelte und stets praktische und faßliche chirurgische Illustrationen zu seinen anatomischen Vorträgen zu geben wußte. Bis zur Gründung der Josephs-Akademie (1783) war er der einzige, viel in Anspruch genommene Operateur in Wien, der außerdem in mehreren kleinen Aufsätzen in Plenk’s Sammlungen chirurgischer Beobachtungen, eine Anzahl von Instrumenten und Apparaten bekannt machte, die theils von ihm erfunden, theils verbessert waren (wie das Linsenmesser, das krumme Scalpell zur Ausschälung des Augapfels, die Unterbindungsnadel für die Rippenschlagader, eine Saugspritze zur Entleerung der Eiterbrust, ferner ein Hörrohr, Harnrecipienten etc.). Es ging aus seinem Unterricht eine Menge der tüchtigsten Wundärzte hervor.

Vgl. (Salzburger) Medicin.-chirurg. Zeitung, 1808. Bd. 4, S. 237. – v. Wurzbach, Biograph. Lexikon des Kaiserth. Oesterreich. Bd. 14. 1865. S. 266. – Jos. Hyrtl, Vergangenheit und Gegenwart des Museums für menschliche Anatomie an der Wiener Universität, Wien 1869. S. XXXIV.