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ADB:Lehmann, Christian (evangelischer Theologe)

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Artikel „Lehmann, Christian“ von Viktor Hantzsch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 51 (1906), S. 618–620, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Lehmann,_Christian_(evangelischer_Theologe)&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 14:44 Uhr UTC)
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Lehmann: Johann Christian L., lutherischer Theolog, wurde am 2. December 1642 zu Scheibenberg im sächsischen Erzgebirge als Sohn des dortigen Pfarrers Christian Lehmann, mit dem er oft verwechselt wird, geboren. Vor [619] der Geburt hatte seine Mutter viel Noth und Angst durch wiederholte Einfälle schwedischer Truppen auszustehen, weshalb der Sohn zeitlebens schwächlich, kränklich, schüchtern und furchtsam blieb. Seine Jugend fiel in die letzten Jahre des Dreißigjährigen Krieges, in denen das Erzgebirge fast unaufhörlich durch schwedische und kaiserliche Söldnerschaaren beunruhigt und geplündert wurde. Trotz seines hinfälligen Körpers war der Knabe gut beanlagt. Bereits in seinem 11. Jahre versuchte er sich mit einer Dichtung, indem er das Evangelium von den Arbeitern im Weinberg zu einer Komödie in Versen verarbeitete, die von den Scheibenberger Schülern am Gregoriusfeste öffentlich aufgeführt wurde. Da ihn der Vater aus Mangel an Zeit nicht selbst unterrichten konnte, hielt er für ihn und seine zahlreichen Geschwister nach einander verschiedene Hauslehrer. Der erste legte in ihm einen guten Grund in der lateinischen Sprache, der zweite aber verleidete ihm das Lernen, indem er ihn mit Hebräisch, Griechisch, Rhetorik und Logik plagte, ebenso der dritte, der ihn bei jedem geringsten Versehen in unbarmherziger Weise mit Ruthen züchtigte. Da dieser Lehrer wegen seiner Rohheit schließlich entlassen werden mußte, wollte der Vater den Sohn zu einem Schreiber in die Lehre thun. Auf Bitten der Mutter aber schickte er ihn 1656 in die Lateinschule zu Chemnitz. Hier wurde er für einen Tagespreis von neun Pfennigen zu einem Gastwirth in Kost und Wohnung gegeben. Dieser Wirth aber war ein Säufer und Flucher und mißhandelte den Knaben in der Trunkenheit oft jämmerlich, wenn sein Vater das geringe Kostgeld nicht pünktlich zu beschaffen vermochte. Da er kein eigenes Zimmer hatte, mußte er in der Schänkstube mitten unter den rauchenden, trinkenden und spielenden Gästen studiren. Zwei volle Jahre hielt er dieses mühselige Leben voller Widerwärtigkeiten aus. Seine Armuth war so groß, daß er nicht einmal Wäsche besaß und sich die gedruckten Schulbücher, da er sie nicht kaufen konnte, mit eigener Hand abschreiben mußte. Als 1658 sein älterer Bruder die Universität bezog, glaubte der Vater die Kosten für beide Söhne nicht mehr aufbringen zu können. Er schickte deshalb den jüngeren, ohne ihm ein Wort zu sagen, mit einem Briefe und vier Groschen Reisegeld zu einem befreundeten Steuerbuchhalter nach Dresden. Von diesem erfuhr er, daß er bei ihm bleiben und den Schreiberdienst erlernen sollte. Darüber gerieth er außer sich, wanderte sogleich nach Hause und bat seinen Vater solange unter Thränen, bis dieser ihm erlaubte weiter zu studiren. Mit Hülfe seines älteren Bruders gelang es ihm, eine Freistelle im Alumnat der Thomasschule in Leipzig zu erhalten. Hier hielt er sich vier Jahre lang auf und bildete sich namentlich in den alten Sprachen und in der Musik aus. 1663 verließ er die Schule und begann das akademische Studium. Da es ihm aber nicht gelang, ausreichende Stipendien zu erhalten, obwohl er seinen Gönnern ein selbstverfaßtes Carmen heroicum de bello Turcico in 1356 Versen überreichte, begab er sich im folgenden Jahre gemeinsam mit seinem jüngsten Bruder nach Wittenberg, wo ihn der Professor Wendler zum Informator seiner Kinder annahm. Hier hörte er hauptsächlich bei Calov und Quenstädt theologische, bei Röhrensee philosophische Vorlesungen. Nachdem er 1666 die Magisterwürde erworben hatte, nahm er eine Stelle als Famulus bei dem Superintendenten Zimmermann in Meißen an und übte sich nebenbei fleißig im Disputiren und Predigen. Als sein Vater 1669 wegen zunehmender Kränklichkeit eines Helfers in seinem arbeitsreichen Amte bedurfte, sandte das Oberconsistorium den Sohn als Substituten nach Scheibenberg. Hier stand er seinem Vater gegen ein Jahresgehalt von nur 27 Thalern 23 Groschen 6 Pfennigen fast sechs Jahre hindurch treu und unermüdlich zur Seite. 1675 wurde er als Diakonus nach Annaberg berufen. Hier verheirathete er sich noch in demselben Jahre mit [620] der 15 jährigen Pfarrerstochter Anna Rosine Köhler aus Schwarzenberg, die ihm in 36jähriger Ehe neun Kinder schenkte. Da er bald das Vertrauen seiner Vorgesetzten und seiner Gemeinde gewann, wurde er 1679 zum Archidiaconus, 1685 zum Superintendenten befördert. Als solcher erwarb er sich um das kirchliche Leben seiner Ephorie große Verdienste. Er verbesserte das Schulwesen, reorganisirte die Prediger- und Schullehrer-Wittwencasse und suchte die ihm untergebenen Geistlichen wissenschaftlich anzuregen, indem er Disputationen über theologische Fragen mit ihnen veranstaltete. 1691 lehnte er einen dringenden Ruf des Fürsten von Anhalt ab, als Oberhofprediger nach Zerbst zu kommen. Um ihn zu entschädigen, übertrug ihm sein Kurfürst 1697 die einträgliche Superintendentur in Freiberg. Im folgenden Jahre ernannte ihn die Universität Wittenberg zum Doctor der Theologie. In seinem neuen Amte wirkte er 28 Jahre hindurch mit großem Segen. Eine Berufung als Oberhofprediger nach Dresden schlug er aus. Am 28. October 1723 starb er zu Freiberg, fast 81 Jahre alt. Sein Bildniß, in Oel gemalt, hängt neben dem seines Vaters in der Kirche zu Scheibenberg, ein anderes im Dom zu Freiberg. Ein in Kupfer gestochenes Porträt erschien 1719 anläßlich seines goldenen Predigerjubiläums.

Als Schriftsteller ist L. nur wenig hervorgetreten. 1699 gab er den von seinem Vater im Manuscript hinterlassenen „Historischen Schauplatz derer natürlichen Merckwürdigkeiten in dem Meißnischen Ober-Ertzgebirge“ durch eigene Zusätze vermehrt heraus. Von seinen sonstigen Schriften sind zu erwähnen: „Ministrorum ecclesiae Annabergensis nomenclator a tempore repurgatae doctrinae ad nostram aetatem“ (Dresdae 1708); „Das erfreute Wittwen-Hertz“ (Freiberg 1709), eine Beschreibung der von ihm neu organisirten Predigerwittwenkasse; sowie zahlreiche Leichenpredigten, die zuerst einzeln erschienen, nach seinem Tode aber zu einem Bande vereinigt nochmals gedruckt wurden (Leipzig 1726). Als Manuscript hinterließ er eine „Metallurgia sacra“, in welcher alle Bibelstellen, die von Mineralien und verwandten Dingen handeln, zusammengestellt und besprochen waren.

Acclamatio votiva … Christiano Lehmanno … impertita a Georgio Heinrico Goetzio … Lubecea (1722). – S. B. Kühn, Christus, Das beste Vergnügen im Leben und Sterben eines Freybergischen Aarons … Christiani Lehmann’s … Freyberg (1723) (darin S. 29–38 eine Selbstbiographie Lehmann’s). – Piam, felicem, augustamque vitam … Christiani Lehmanni … exposuit Samuel Mollerus … Freibergae (1724). – Ad memoriam … servandam … Christiani Lehmanni … convocat Christianus Gotthold Wilisch … Freibergae (1724). – Th. Grabner, D. Christian Lehmann’s … Göttliche Führungen … Dreßden 1725. – J. Pöschel, Eine erzgebirgische Gelehrtenfamilie, Leipzig 1883, S. 50–74.