Zum Inhalt springen

ADB:Loschmidt, Johann Joseph

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Loschmidt, Josef“ von Robert Knott in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 82–84, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Loschmidt,_Johann_Joseph&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 17:36 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Lossen, Max
Band 52 (1906), S. 82–84 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Josef Loschmidt in der Wikipedia
Johann Josef Loschmidt in Wikidata
GND-Nummer 119550407
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|52|82|84|Loschmidt, Josef|Robert Knott|ADB:Loschmidt, Johann Joseph}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=119550407}}    

Loschmidt: Josef L., geboren am 15. März 1821 zu Puschirn bei Karlsbad in Böhmen als Sohn eines Kleinhäuslers. Sein Vater mußte bei dem geringen Ertrag der ihm gehörigen kleinen Scholle Landes mit den Seinigen sich zu Taglohnarbeiten verdingen, um für seine Familie den Lebensunterhalt zu verdienen. Josef L., der älteste von vier Geschwistern, zeigte sich bei den Feldarbeiten wenig anstellig; man versuchte daher ihm eine höhere Bildung zu Theil werden zu lassen. In seinem 12. Lebensjahr kam er nach Schlackenwerth, um dort zunächst die Grammaticalclassen zu besuchen, nach deren Absolvirung er 1837 nach Prag ging, wo er die Humanitätsclassen des Gymnasiums und die beiden Jahrgänge der philosophischen Studien absolvirte. Der damalige Professor der Philosophie an der Prager Universität, F. Exner, erkannte das Talent Loschmidt’s, unterstützte den gänzlich Mittellosen in jeder Hinsicht und bestimmte ihn, sich dem Studium der Mathematik und Naturwissenschaften [83] zu widmen. Auf Exner’s Einfluß ist es auch zurückzuführen, daß L. in Prag sich einige Zeit mit der Anwendung der Mathematik auf die Lösung bezw. Behandlung von philosophischen, besonders aber psychologischen Problemen im Sinne der damals herrschenden Herbart’schen Philosophie befaßte. Im J. 1841 kam L. nach Wien und hörte hier Chemie bei Meißner, Physik bei Ettingshausen [WS 1] und Staatswissenschaften bei Giskra. Seinen Lebensunterhalt mußte er sich durch Ertheilung von Privatunterricht erwerben. Im J. 1843 legte er die erste strenge Prüfung zur Erlangung des Doctorgrades ab. Er bemühte sich dann darum, eine Lehrerstelle an einer Hochschule zu erlangen und unterzog sich deswegen zwei Mal einer Concursprüfung. Da sein Wunsch sich nicht erfüllte, beschloß er, sich der praktischen Laufbahn zu widmen. Er hörte daher (1845) bei dem inzwischen nach Wien berufenen Professor Schrötter nochmals Chemie und arbeitete in dessen Laboratorium bis Ende 1846. Während dieser Zeit erfand er im Verein mit seinem Freunde und Collegen B. Margulies ein Verfahren, Chilisalpeter (Natriumnitrat) in den für die Schießpulvererzeugung verwendeten Kalisalpeter überzuführen. Bis zu dieser Zeit konnte man den Salpeter nur in den Salpeterplantagen darstellen. L. und Margulies fanden, daß bei Einhaltung bestimmter Temperatur und Concentrationsverhältnisse Pottasche und Chilisalpeterlösungen sich umsetzen und in einfacher Weise völlig reinen Kalisalpeter liefern. Sie errichteten zur Ausbeutung ihres Verfahrens 1847 in Atzgersdorf bei Wien eine Salpeterfabrik und erzeugten dort ein so vorzügliches Product, daß bereits im J. 1848 das Aerar ihnen die gesammte Salpeterlieferung übertrug. Trotzdem diese Industrie sich heut zu einer der bedeutendsten entwickelt hat, haben die Entdecker keinen materiellen Vortheil davon gehabt; die ungünstigen Zeitverhältnisse, vor allem der ungarische Krieg (1849), machten den Bezug der Pottasche unmöglich, und daher mußte die kaum begründete Fabrik, trotz der Unterstützung von Seite des Aerars, bereits 1850 den Betrieb wieder einstellen. L. übernahm nun die Leitung einer chemischen Fabrik in Peggau in Steiermark, verließ aber nach dem Tode des Besitzers seine Stellung, war darauf in verschiedenen Etablissements thätig und richtete endlich im J. 1853 in Neuhaus in Böhmen für ein Consortium eine große chemische Productenfabrik ein; bevor diese indeß ihre Thätigkeit aufnehmen konnte, traten die politischen Verwicklungen des Jahres 1854 ein. Durch die Geld- und Creditkrisen dieser Zeit wurde das Unternehmen schwer geschädigt und kam in Concurs.

Krank und durch die Mißerfolge niedergedrückt wandte sich L. von der Industrie ab. Er bewarb sich wieder mehrfach um eine Lehrerstelle, lange Zeit vergeblich. Endlich im J. 1856 übertrug man ihm eine Lehrerstelles an der Volks- und Unterrealschule in der Leopoldstadt. Neben seiner Lehrthätigkeit arbeitete er wissenschaftlich. Die Veröffentlichung einiger ganz hervorragender Arbeiten veranlaßte seine Ernennung zum correspondirenden Mitgliede der kaiserlichen Akademie (1867). Von nun an ebnete sich der weitere Lebensweg Loschmidt’s. Im J. 1868 wurde er zum Ehrendoctor promovirt und zum außerordentlichen Professor an der Wiener Universität ernannt; 1870 wurde er wirkliches Mitglied der Akademie und 1872 ordentlicher Professor. In dieser Stellung war L. bis October 1891 thätig, wo er nach den gesetzlichen Bestimmungen vom Lehramt zurücktreten mußte. Er erhielt bei dieser Gelegenheit von Seiten der Regierung als Zeichen der Anerkennung seiner Verdienste den Orden der Eisernen Krone. In den letzten Jahren war er sehr leidend; am 8. Juli 1895 starb er in Wien.

[84] Von seinen Arbeiten sind die wichtigsten diejenigen über die Theorie der Gase. L. hat im Verfolg der kinetischen Gastheorie zuerst die Größe der Moleküle berechnet; er fand als Durchmesser 1 Milliontel Millimeter. – Die Titel seiner Publikationen finden sich u. a. in Poggendorff’s biographisch-litterarischem Handwörterbuch.

Almanach der kaiserl. Akademie der Wissenschaften. 46. Jahrg. 1896.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Andreas Freiherr von Ettingshausen (1796–1878), Mathematiker und Physiker, Vater von Constantin v. Ettingshausen.