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ADB:Ludwig (Graf von Nassau-Katzenelnbogen)

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Artikel „Ludwig, Graf von Nassau-Katzenellenbogen“ von Pieter Lodewijk Muller in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 563–565, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ludwig_(Graf_von_Nassau-Katzenelnbogen)&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 05:29 Uhr UTC)
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Ludwig, Graf von Nassau-Katzenellenbogen, geb. am 10. Januar 1538 zu Dillenburg, war der dritte Sohn des Grafen Wilhelm und der Juliane von Stolberg. Seinem ältesten Bruder Wilhelm von Oranien folgte der reichbegabte junge Mann, nachdem er in Straßburg und Genf studirt hatte, in die Niederlande, wo er bald eine der ersten Stellen unter dem Adel einnahm. Ein Spiegel aller Tapferkeit und ritterlicher Sitte (schon in der Schlacht von Saint Quentin, 1557, hatte er sich hervorgethan), erwarb er sich, so jung er war, bald eine weitverbreitete Popularität in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden, sowol an den Höfen und in den Schlössern, in welchen er, ein gefeierter Turnierheld, verkehrte, als auch unter dem Volke. Denn L. besaß eine tiefe innerliche Frömmigkeit, dazu einen regen Eifer für den Protestantismus, der ihn, den freilich auch unter Reformirten erzogenen Lutheraner, zum Beschützer und Freund der Calvinisten machte, ohne ihn zum Verfolger der Katholiken zu stempeln, was die Augen des der alten Religion je länger je mehr abspenstig werdenden niederländischen Volkes fortwährend auf ihn zog, während seine Lebensweise, in Mitten einer sittenlosen, verdorbenen und dem Trunk ergebenen Aristokratie, niemals das Volksgefühl verletzte. So konnte er der Herzbruder Brederodes (s. d.) und doch der Freund der beiden edlen Brüder Marnix[WS 1] sein. Obgleich ein Ausländer, gehörte er zu den hervorragendsten Häuptern des niederen Adels, der sich im Spätjahr 1565, als sich die Religionsfrage unaufhaltsam in den Vordergrund drängte, nachdem er bisher die großen Herren nur unterstützt hatte in ihrer Opposition gegen Granvelle, des Volkes selbständig annahm und mit der Forderung freierer Religionsübung auftrat. Mit Brederode und Graf Karl von Mansfeld war L. der erste Unterzeichner des bekannten Compromis des Nobles, an dessen Zustandekommen und Ausbreitung er den größten Antheil hatte. Von jetzt an ist die Geschichte der Revolution die Geschichte Ludwigs. Er war nicht allein als Bruder Oraniens derjenige, welcher die allen Extremen und revolutionären Maßregeln abgeneigten Größen mit den Führern des Compromisses in Verbindung hielt, sondern auch, seines Einflusses auf Brederode wegen, mit den beiden Brüdern Marnix, mit de Hames, Gilles le Clercq u. a., das Haupt der Bewegungspartei. Seine Verbindungen in Deutschland kamen ihm jetzt zu Statten, auch dort war er unablässig thätig, der niederländischen Sache Freunde und Bundesgenossen, später auch Soldaten, zu werben. Denn L. war entschlossen, den Kampf mit der Regierung, den er kommen sah, aufzunehmen, das arme Volk nicht der Gnade der Spanier zu überlassen. Doch war er, wie sämmtliche Lutheraner und überhaupt alle Gemäßigten, entrüstet und betrübt wegen des Bildersturmes, dessen man ihn später freilich beschuldigt hat, ein Urheber gewesen zu sein. Er verdammte denselben nicht allein, weil er den fanatischen Haß der Calvinisten nicht theilte, sondern auch weil derselbe der Sache der Freiheit gewaltigen Abbruch thun mußte, die Katholischen unwiderruflich entfremden, den König zur Rache seiner Ehre und seiner Religion entzünden. Doch hätte er sich auch wol jetzt noch den Calvinisten angeschlossen, wenn sich sein Bruder offen erklärt hätte. So wie es jetzt stand, war jeder Widerstand vergeblich und L. verließ, wie so viele, das Land, als Alba heranzog, 1567. Im nächsten Jahre übernahm er die Führung des [564] Zugs, welcher im Norden des Landes den Aufstand zu erwecken beabsichtigte, während Oranien selber den Süden angriff. Mit seinem jüngeren Bruder Adolf von Nassau und einer Schar Ausgewanderter und geworbener Landsknechte fiel er im Gröningerland ein und besiegte den Statthalter Graf Arenberg bei Heiligerlee (23. Mai 1568), in welcher Schlacht letzterer, sowie auch Adolf von Nassau den Tod fanden. Doch obgleich er jetzt keinen geringen Zuzug erhielt, gelang es ihm nicht, irgend einen Vortheil zu behaupten. Die Stadt Gröningen öffnete ihm ihre Thore nicht und bald nahte der Herzog selbst mit einer erdrückenden Uebermacht, denn Alba setzte Alles daran, um im Norden fertig zu werden, bevor Wilhelm seinen Schlag im Süden führen konnte. Vergebens suchte L. seine wegen Mangel und ausbleibender Soldzahlung meutrischen Landsknechte zu begeistern; nach kurzem Ringen ward sein Heer von einem Theil der spanischen Armee bei Jemgum an der Ems (21. Juli 1568) über den Haufen geworfen und in den Fluß gesprengt. Er selber, dessen Beispiel so machtlos gewesen war wie seine Worte, entkam mit genauer Noth über den Fluß. Mit wenigen Begleitern kam er zu seinem Bruder, den er auf seinem fruchtlosen Zug durch die Südprovinzen begleitete und dann nach Frankreich mit hinüber folgte. Hier machte er mit demselben den Feldzug des J. 1569 im Heere Colligny’s mit und spielte mit seinen deutschen Reitern eine Hauptrolle. Seine ritterliche Tapferkeit machte ihn zu einem beliebten Führer der Hugenotten, seinem ungestümen Feuer hat man wol die Niederlage bei Moncontour zugeschrieben, wo seine Energie aber die vollständige Vernichtung abwehrte. Der Friede von Saint Germain verdammte ihn zur Unthätigkeit, doch nur im Felde. Unablässig war er beschäftigt, neue Verbindungen zu knüpfen, der Sache der Niederlande und des Protestantismus Bundesgenossen zu gewinnen. Die Statthalterschaft des Fürstenthums Oranien gab ihm Veranlassung, in Frankreich zu bleiben und so seine französischen Verbindungen zu erhalten und neue, namentlich mit England, zu knüpfen. Doch sind wir über seine Wirksamkeit in Frankreich weniger unterrichtet, weil aus diesen Jahren seine sonst so reichhaltige Correspondenz fehlt. Im Frühjahr des J. 1572, als der König Karl und die Königin-Wittwe Catharina sich mit Hülfe der Hugenotten kräftig gegen Spanien anstrengen zu wollen schienen und Colligny einen Augenblick der einflußreichste Rath der Krone war, planten die niederländischen Ausgewanderten einen zweiten allgemeinen Angriff. Die Herrschaft Alba’s war sehr erschüttert, die Nation zur Rebellion bereit, die Wassergeusen hatten den Briel eingenommen und auch der wichtige Scheldehafen Vlissingen hatte sich ihnen angeschlossen. Da überfiel L. mit einer meist aus Hugenotten bestehenden Schaar von einem Paar Tausend Mann die wichtige Festung Mons (23. Mai 1572) und bedrohte von da Brüssel und die Südprovinzen. Doch ward er bald von Don Federigo di Toledo eng eingeschlossen und obgleich er einen Theil der spanischen Armee beschäftigt hielt, gelang es ihm nicht, weiteren Einfluß auf den sonst so unglücklichen Gang der Ereignisse zu üben. Sowol die Versuche der Hugenotten ihn zu entsetzen mißlangen, als später die seines Bruders Wilhelm. So zwang, als Wilhelm, ohne Schlacht vollständig geschlagen, seinen Zug aufgegeben und die Bartholomäusnacht die Hoffnungen der Protestanten für längere Zeit vernichtet hatte, Mangel und Meuterei ihn am 19. September zur Capitulation, welche ihm und seinen Soldaten und den mit ausziehenden Bürgern freien Abzug gewährte. Der unermüdliche Kämpfer ward im nächsten Jahre der Vermittler zwischen den Protestanten und der französischen Regierung, als die Hoffnung, die polnische Krone dem Herzog von Anjou zu erwerben, letztere aufs neue zu einem Bündniß mit allen Gegnern Spaniens gegen die habsburgischen Interessen trieb. Merkwürdig ist eine von ihm herrührende, aus diesen Zeiten stammende Denkschrift an den [565] König Karl IX., in welcher er denselben zu überzeugen sucht, wie dessen Kampf mit dem Protestantismus ein fruchtloser und nur für Spanien ein fruchtbringender sein mußte. Er wagte gegen denselben eine Sprache zu führen, wie Könige selten zu hören bekommen, die ihm aber damals am französischen Hofe nicht übel genommen wurde. Von den Franzosen mit Geld unterstützt, gelang es ihm im Frühjahre des J. 1574 in Deutschland ein kleines Heer, ungefähr 9000 Mann, außer einigen Franzosen, deutsche Reiter und Landsknechte, zu versammeln und über den Rhein nach der Maas zu führen. Seine Brüder Johann und Heinrich und Herzog Christoph, der Sohn des pfälzischen Kurfürsten begleiteten ihn. Er beabsichtigte mit dieser Macht Mastricht anzugreifen und nachher der Maas entlang nach Holland vorzudringen, um sich mit den holländischen Truppen in Bommel zu vereinigen. Bald hatte er Geldmangel und in Folge davon viele Desertionen unter seinem schlecht ausgerüsteten Heer, dem am 14. April eine kleine, aber aus auserlesenen Truppen bestehende spanische Macht unter Don Sancho d’Avila und dem Herrn von Hierges beim Dorfe Mook an der Maas entgegentrat. Auf der Haide bei diesem Dorfe wurden die Truppen Ludwigs nicht allein geschlagen, sondern völlig vernichtet und weder von ihm selber, noch von seinem Bruder Heinrich (Johann war vom Heer abwesend, um Geld zu beschaffen) oder dem pfälzischen Herzog ist je wieder eine gewisse Kunde vernommen. Entweder ist L. in der Schlacht (er hatte sich, als dieselbe verloren war, ins dichteste Kampfgetümmel gestürzt) gefallen und nackt ausgezogen auf dem Schlachtfelde liegen geblieben oder er ist im Fluß umgekommen. So war das jämmerliche Ende einer der liebens- und merkwürdigsten Persönlichkeiten jener an hervorragenden Menschen so reichen Zeit. Wie der Amerikaner Motley sagt, sein Leben war kurz an Jahren, er ist nur 36 Jahre alt geworden, doch es schien ein Leben bis zum Greisenalter auszufüllen, wenn man Alles in Anbetracht nahm, was er darin gethan hatte. Zehn Jahre lang war er der rechte Arm seines Bruders und öfter auch der Führer der Protestanten in den Niederlanden und eines ihrer Häupter in Europa gewesen. Es ist von ihm gesagt worden: hätte er länger gelebt, er wäre der berühmteste Feldherr seiner Zeit geworden. Wir können dem vielleicht beistimmen, denn nur sein allzu kühner Muth verführte ihn dann und wann im Felde, doch eher noch möchten wir sagen, er wäre einer der größten und berühmtesten Männer seiner Zeit geworden. Denn es liegt ein eigenthümlicher Zauber über diesem deutschen Grafen, dem jüngeren Sproß eines keineswegs sehr vornehmen Hauses, dem Ritter ohne Furcht und Tadel der Reformation. L. war gewandt mit der Feder, wie mit dem Schwert, unablässig thätig im Sattel oder im Cabinet, wegen der Einfachheit und Reinheit seiner Sitten, der Uneigennützigkeit seiner Absichten, wegen seiner Frömmigkeit und Duldsamkeit von Calvinisten und Lutheranern, ja von Katholiken geehrt, von weisen Staatsmännern, wie von Kriegsleuten gelobt. Hätte das protestantische Deutschland des 16. Jahrhunderts viele Männer, wie dieser Nassauer, aufzuweisen gehabt, es wäre ein anderes geworden, als jenes, das in den folgenden Jahrzehnten gegen die katholische Gegenreformation unterlag.

Die vornehmsten Quellen über Ludwig sind sein Briefwechsel in den vier ersten Bänden der Archives de la Maison d’Orange und daneben die Memoiren seines Secretärs la Huguerye. Vgl. weiter Arnoldi, la Pise, Bor, v. Reyd, die Correspondance de Philippe II., Thuanus und die übrige Litteratur des Zeitraums. Monographien über ihn sind mir unbekannt.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Gemeint sind Johann und Philipp v. Marnix.