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ADB:Ludwig II. (Großherzog von Hessen und bei Rhein)

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Artikel „Ludwig II., Großherzog von Hessen und bei Rhein“ von Philipp Walther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 557–559, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ludwig_II._(Gro%C3%9Fherzog_von_Hessen_und_bei_Rhein)&oldid=- (Version vom 19. November 2024, 18:31 Uhr UTC)
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Ludwig II., Großherzog von Hessen und bei Rhein (1830–1848), wurde geboren zu Darmstadt am 26. December 1777 als der älteste Sohn des damaligen Erbprinzen Ludwig von Hessen-Darmstadt, späteren Großherzogs Ludwigs I., und seiner Gemahlin Luise Karoline Henriette, Tochter des Landgrafen Georg von Hessen-Darmstadt. Seine Jugendjahre fallen in die Friedenszeit bis 1790, eine Zeit, in der unter dem Schutze deutscher Fürsten Künste und Wissenschaften in Deutschland blühten. Unter dem Einflusse dieser classischen Zeit erhielt er eine sorgfältige Erziehung. Im Herbste 1795 besuchte er, beinahe 18 Jahre alt, die Universität Leipzig und studirte daselbst unter Leitung des Geheimraths v. Petersen bis zum Jahre 1798. Kriegsgefahren, welche während dieser Zeit das darmstädtische Land bedrohten, zwangen seine Eltern zweimal zu flüchten, das erste Mal im Herbste 1795 nach Eisenach und bald darauf im Juli 1796 nach Kleinzschocher bei Leipzig, wo der Prinz mit seinen Eltern zusammentraf. Bevor er nach beendeter Studienzeit 1799 in die Residenz Darmstadt zurückkehrte, bereiste er in Begleitung des Freiherrn v. Baumbach Deutschland und hielt sich bei seinem Oheim, dem Könige Friedrich Wilhelm II. von Preußen, einige Zeit zu Besuch auf. Nach seiner Rückkehr nach Darmstadt widmete sich L. (später seit 1806 Groß- und Erbprinz, nachher Erbgroßherzog genannt) zunächst dem Militärdienst, um sich in dieser Beziehung für seine späteren Regentenpflichten vorzubereiten. Außerdem beschäftigten ihn namentlich verschiedene auswärtige Sendungen. So reiste er im November 1804 nach Paris, um der Krönung Napoleons beizuwohnen, wohnte 1808 dem Congresse zu Erfurt an, brachte 1814 dem König Ludwig XVIII. von Frankreich bei seiner Thronbesteigung die Glückwünsche seines Hauses dar und ging endlich im nämlichen Jahre zum Fürstencongresse in Wien. Dort vertrat er die Interessen seines Landes und Hauses. In den inneren Angelegenheiten wurde er blos bei den landständischen Verhandlungen zur Mitwirkung berufen und zwar verfassungsmäßig als Mitglied der ersten Kammer, deren Sitzungen er regelmäßig und oft an den Discussionen sich betheiligend beiwohnte. Später (1823) trat er in den Staatsrath. Sonst blieb er stets fern von unmittelbarer Theilnahme an der Regierung, war aber in seiner Zurückgezogenheit ein fleißiger und denkender Beobachter. – Im J. 1803 hatte sich L. mit der Prinzessin Wilhelmine Luise, jüngsten Tochter des im J. 1801 verstorbenen Erbprinzen Karl Ludwig von Baden, verlobt. Am 19. Juni 1804 fand zu Karlsruhe die Vermählung statt. Im J. 1829 feierte er sein 25jähriges Vermählungsfest. Bald darauf, am 6. April 1830, trat er beim Hinscheiden seines Vaters im Alter von 53 Jahren die Regierung an. Der Anfang dieser Regierung war ebenso wie das Ende [558] begleitet von allerdings sich niemals über das ganze Großherzogthum erstreckenden Unruhen. Nachdem der Großherzog kurz nach seinem Regierungsantritte von einer Reise nach Oberhessen, die er, um diese Provinz kennen zu lernen, unternommen hatte, über den ihm gewordenen Empfang sehr befriedigt zurückgekommen war, brachen in derselben Provinz Unruhen aus, die bald einen bedrohlichen Charakter annahmen. Bewaffnete Banden, größtentheils aus Nichthessen bestehend, darunter viele Polen, durchzogen das Land, Aufruhr predigend und namentlich die großherzoglichen Beamten vertreibend. Dem energischen Eingreifen der Truppen unter dem Oberbefehle des Prinzen Emil von Hessen gelang es indessen den Aufstand, der unter der ländlichen Bevölkerung wenig Anhang, theilweise sogar offenen Widerstand gefunden hatte, ziemlich rasch zu unterdrücken und die Ordnung wiederherzustellen. Doch gährte es fortwährend im Lande, namentlich in Oberhessen und unter den Studirenden der Universität Gießen. Das Jahr 1848 bereitete sich vor. In der inneren Verwaltung des Großherzogthums setzte L., dem der Staatsminister du Thil ebenfalls zur Seite stand, die Reformen seines Vaters fort. Freilich waren es nicht große neue Einrichtungen, wie die Gewährung einer Verfassung oder die Gründung des Zollvereins, die sein Vater geschaffen oder zu denen er doch seinen Beistand geliehen hatte, allein deshalb war das Regierungssystem des Großherzogs nicht weniger fördernd für die Wohlfahrt seines Landes, als das seines Vaters es war. Der Verwaltungsmechanismus wurde theilweise umgestaltet und hierdurch vereinfacht. Den beiden im Lande besonders vertretenen christlichen Confessionen wandte die Regierung Ludwigs besondere Aufmerksamkeit zu. Durch Edict vom 21. März 1837 wurde zu Friedberg in der Wetterau ein evangelisches Predigerseminar errichtet, nachdem schon vorher durch Urkunde vom 22. Juni 1830 „zur Ehre Gottes, zur Wohlfahrt der katholischen Kirche und zum Besten der Landesuniversität“ eine katholisch-theologische Lehranstalt errichtet worden war, die als Facultät mit der Universität Gießen vereinigt wurde und gleiche Rechte mit der evangelischen Facultät erhielt. Der öffentliche Unterricht wurde durch Errichtung mehrerer Realschulen gefördert. Im Justizwesen fanden namhafte Verbesserungen statt. Die Feld-, Forst- und Polizeistrafsachen wurden den ordentlichen Gerichten überwiesen. Ein neues Strafgesetzbuch wurde eingeführt. Ein Entwurf zu einem bürgerlichen Gesetzbuch wurde ausgearbeitet, auch zum Theil den Ständen des Landes vorgelegt und von diesen gutgeheißen, doch erlangte er nicht Gesetzeskraft. Für das Gewerbe geschah unter Ludwigs Regierung sehr viel. Handwerkerschulen wurden im ganzen Lande gegründet, Gewerbeausstellungen veranstaltet. Die dritte dieser Ausstellungen fand zu Mainz im J. 1842 statt und erstreckte sich auf die Industrie sämmtlicher deutscher Staaten. Sie war die erste allgemeine deutsche Gewerbeausstellung und von 715 Ausstellern beschickt. Ebenso wurden die ersten Eisenbahnen in Hessen unter der Regierung Ludwigs gebaut und zwar die jetzt noch wichtigen Strecken der Main-Neckar-Bahn zwischen Frankfurt a. M. und Heidelberg-Mannheim über Darmstadt und der Main-Weser-Bahn zwischen Frankfurt a. M. und Kassel, letztere die ganze großherzoglich hessische Provinz Oberhessen von Süden nach Norden durchschneidend. Beide Linien waren Staatsbahnen und von den Staaten Frankfurt, Hessen und Baden, bezw. Frankfurt, Hessen-Darmstadt und Kurhessen gemeinschaftlich ausgeführt. – Während der Ausführung aller dieser Reformen lebte L. ruhig und fast nur seiner Familie sich widmend in Darmstadt. Seine Gemahlin verlor er bereits durch den Tod am 27. Januar 1836. Von den sieben Kindern, die sie ihm geboren, waren nur vier am Leben geblieben und haben ihn auch überlebt: 1) Prinz Ludwig, der nachmalige Großherzog Ludwig III., 2) Prinz Karl, 3) Prinz Alexander, 4) Prinzessin Marie, Gemahlin des Kaisers Alexander II. von Rußland. Bis [559] weit in die 60er Jahre genoß L. eine vollkommene Gesundheit. Er war, wie sein Vater in den mittleren Mannesjahren, groß und stark von Körper und hatte eine stattliche grade Gestalt. Von dem Jahre 1843 ab jedoch begannen seine Kräfte zu schwinden und als das Jahr 1848 mit seinen Stürmen hereinbrach, fühlte er sich denselben nicht mehr gewachsen. Am 5. März 1848 ernannte er seinen ältesten Sohn, den Erbgroßherzog Ludwig, zum Mitregenten. Am 16. Juni 1848 bereits starb er an Entkräftung.

Steiner, Geschichte der Regierung Ludwigs II. Seligenstadt 1849. Steiner, Ludwig II., Großherzog von Hessen. Darmstadt 1848.