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ADB:Ludwig III. (Großherzog von Hessen-Darmstadt)

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Artikel „Ludwig III., Großherzog von Hessen und bei Rhein“ von Philipp Walther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 559–560, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ludwig_III._(Gro%C3%9Fherzog_von_Hessen-Darmstadt)&oldid=- (Version vom 22. November 2024, 00:56 Uhr UTC)
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Ludwig III., Großherzog von Hessen und bei Rhein (1848–1877), war geboren zu Darmstadt am 9. Juni 1806, also in den letzten Tagen des heiligen römischen Reichs deutscher Nation, als Erstgeborner des Groß- und Erbprinzen Ludwig, späteren Großherzogs Ludwig II. und dessen Gemahlin Wilhelmine, geb. Markgräfin von Baden. Seinen ersten Unterricht empfing er von dem als Realschuldirector in Friedberg verstorbenen Dr. Dieffenbach, sowie von dem Hofprediger Dr. Zimmermann. Im Sommer 1819 begab sich der Prinz zu einem fast zwei Jahre andauernden Aufenthalte nach Lausanne. Nach der Rückkehr aus der Schweiz begannen unter Leitung höherer Offiziere militärische Studien. Im Herbst 1823 bezog L. die Hochschule zu Leipzig und widmete sich dort während zweier Jahre seiner höheren wissenschaftlichen Ausbildung. Auf diese Studienzeit folgten größere Reisen, welche der Prinz gemeinschaftlich mit seinem jüngeren Bruder Karl im Frühjahr 1827 antrat. Sie besuchten Baiern, Oesterreich, Ober- und Mittelitalien. Die weiteren Ziele, Rom und Neapel, mußten einer lebensgefährlichen Erkrankung des Prinzen wegen zu Florenz aufgegeben werden. An diese Reise schloß sich noch ein längerer Aufenthalt in Frankreich und Belgien an. Im April 1830 bestieg der Vater Ludwigs III. den hessischen Thron. Am 26. December 1833 wies er dem Sohn das dessen Neigungen am meisten entsprechende Arbeitsfeld an, indem er ihn zum Inspecteur der Infanterie ernannte. An demselben Tage hatte sich der Erbgroßherzog mit der ältesten Tochter Königs Ludwig I. von Baiern, der Prinzessin Mathilde, in München vermählt. Der Ehe sind Nachkommen nicht entsprossen. Zur Theilnahme an der Regierung wurde L. in den Märztagen des Jahres 1848 berufen. Der alternde Vater, den körperliche Leiden noch mehr niederdrückten, glaubte in dem populären Sohn den Mann zu finden, der geeignet war, der Bewegung des Jahres 1848 wirksam zu begegnen und übertrug demselben am 5. März 1848 in der staatsrechtlichen Form einer Mitregentschaft die Regierung. Er hatte sich nicht getäuscht. Das Volk empfing den Fürstensohn, der von München herbeieilte, um dem Rufe seines Vaters Folge zu leisten, mit lautem Jubel. Rasche, liberale, aber feste Maßregeln, unter denen die Ernennung Heinrich v. Gagerns zum leitenden Minister besonders befriedigte, raubten der beginnenden Bewegung jeden Anlaß. Während im benachbarten Baden die Revolution, wenn auch nur für kurze Zeit, Siegerin über Fürst und Verfassung wurde, blieb Hessen, wenn auch nicht ganz verschont, so doch verhältnißmäßig wenig berührt. Bereits am 16. Juni 1848 starb Großherzog Ludwig II. und Erbgroßherzog L. folgte ihm als Ludwig III. So sehr er zur Milde neigte und so sehr es seinem Wesen entsprach, den berechtigten Wünschen seines Volks nach seinen Einrichtungen Rechnung zu tragen, so entschieden bekämpfte er die Tendenzen des Umsturzes, wie sie sich namentlich im J. 1849 in Baden und einigen hessischen Bezirken, besonders in Rheinhessen, zeigten. Hessische Truppen waren es vor allen Anderen, die mit den preußischen gegen die Auswüchse der Bewegung in Baden und der Rheinpfalz zu Felde zogen und die Ordnung wiederherstellten. [560] Die rückläufige Bewegung, die sich im Anfang der fünfziger Jahre in Deutschland überhaupt geltend machte, blieb naturgemäß nicht ohne Einfluß auf des Großherzogs Regierung. Freiherr v. Dalwigk wurde an die Spitze der Geschäfte berufen und es begann für das Großherzogthum eine Zeit, die man füglich reactionär nennen kann. Viele Einrichtungen, die das Jahr 1848 gebracht, wurden beseitigt und nur zu häufig auf die vor diesem Jahre vorhandenen zurückgegriffen. Wie wenig freilich der Großherzog persönlich diesen Maßnahmen geneigt war, beweist, daß er, obwol er aus Gründen der Staatsraison die Wiedereinführung der Todesstrafe gebilligt hatte, doch niemals ein Todesurtheil bestätigte. Nicht zu verkennen ist, daß des Freiherrn v. Dalwigk Regierung, mag man sonst über sie denken, wie man will, doch in Einem sich große Verdienste um das Land erworben hat. Dieses Eine ist die Hebung des Volkswohlstandes. Handel und Gewerbe, die Landwirthschaft, überhaupt alle Erwerbszweige fanden lebhafte Förderung. Der Straßenbau des Großherzogthums war mustergültig. Zahlreiche Eisenbahnen wurden gebaut; die Gründung von Creditinstituten wurde gefördert. Das Jahr 1866 fand den Großherzog und seine Truppen auf österreichischer Seite. Der unglückselige, aber nothwendige Bruderkrieg kostete dem Lande einen althessischen Gebietstheil, das sogenannte Hinterland, die Kreise Vöhl, Biedenkopf und Battenberg, dem Großherzog persönlich die ihm erst kurz vorher zugefallene Souveränität über die Landgrafschaft Hessen-Homburg, deren Fürstenhaus im Mannesstamme erloschen war. Die erwähnten Landestheile kamen an Preußen. Der Gebietszuwachs war nur gering. Erwähnenswerth ist die Erwerbung des vormals kurhessischen Bades Nauheim. Die Gründung des norddeutschen Bundes führte eine große Veränderung in Hessen herbei. Die Provinz Oberhessen wurde dem neuen Bunde zugefügt; die hessischen Truppen traten in eine Militärconvention mit Preußen; die seither thurn- und taxis’sche Post wurde ebenfalls von diesem Staate übernommen. Der Zwist des Jahres 1866 war bald vergessen. Die 1870er Ereignisse fanden den Großherzog und die Hessen als treue, rückhaltlose Mitkämpfer gegen den französischen Angriff. Die Errichtung des Deutschen Reichs war für die Hessen und ihren Großherzog etwas Selbstverständliches. Der Minister v. Dalwigk nahm seine Entlassung. Minister Hofmann, der nachmalige Präsident des Reichskanzleramtes, dann Staatssecretär von Elsaß-Lothringen, übernahm die Leitung der Geschäfte. Es begann nun eine freiheitliche und friedliche Arbeit im Innern. Das Verhältniß des Staates zur Kirche, das sich während der Regierung des Herrn v. Dalwigk in einer für den ersteren ungünstigen Weise entwickelt hatte, wurde entsprechend dem Vorgange Preußens geregelt, die innere Verwaltung auf der Grundlage der Selbstverwaltung neu organisirt. Dem in den Dienst des Reichs übertretenden Minister Hofmann folgte der in gleichem Sinne thätige Minister v. Starck. Mitten in diesen Arbeiten wurde der Großherzog durch den Tod abberufen. Er starb, etwas über 71 Jahre alt, am 13. Juni 1877. Seine Gemahlin Mathilde von Baiern war ihm schon am 25. Mai 1862 im Tode vorangegangen. Im J. 1868 hatte er sich in morganatischer Ehe mit Magdalene Freiin v. Hochstätten vermählt. Ludwig III. Nachfolger wurde sein Neffe Ludwig IV. Des Fürsten Bild würde unvollständig sein, wollte man seine persönlichen Eigenschaften vergessen. Die Milde und Liebenswürdigkeit seines Wesens gewannen ihm die Herzen seines Volkes. Bedeutende Kenntnisse, unterstützt durch ein eminentes Gedächtniß, rasche Auffassungsgabe und scharfes Urtheil erhoben ihn auch in dieser Beziehung über die Menge. Seine Liebe zur Kunst, insbesondere zur Musik, bethätigte sich besonders in der Pflege seines Hoftheaters, das während seiner Regierung sich ebenbürtig neben die ersten Bühnen Europa’s stellte.