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ADB:Lüben, August

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Artikel „Lüben, August“ von Albert Schumann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 19 (1884), S. 328–331, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:L%C3%BCben,_August&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 19:51 Uhr UTC)
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Lüben: August L., Schulmann, geb. am 28. Januar 1804 in Golzow bei Küstrin, war das achte Kind des dortigen Lehrers und besuchte bis zum 14. Jahre die von seinem Vater geleitete Dorfschule. Er lernte hier nur lesen, schreiben, rechnen und singen, erhielt jedoch daneben von seiner Mutter Anleitung zum Briefschreiben und vom Ortsgeistlichen eine Zeit lang Unterricht in der deutschen Sprache. Nach der Confirmation schwankte er zuerst in der Wahl eines Berufes. Wegen früh erlangter Geschicklichkeit in Holzarbeiten wäre er gern Schreiner oder Stellmacher geworden; aber weil der Vater widerstrebte und ein auf dessen Anregung gemachter Versuch, bei einem Krämer als Lehrling einzutreten, an seinem unzureichenden arithmetischen Wissen scheiterte, so blieb er vorläufig zwei Jahre im elterlichen Hause und verlegte sich auf die Bewirthschaftung der 30 Morgen Ackerland, welche seinem Vater als ein Theil seines Einkommens zugewiesen waren. In seinen Freistunden sollte er das Clavierspiel betreiben; doch hatte er keine rechte Freude daran, weil es an fördernder Anleitung gebrach und nur ein sehr mangelhaftes Instrument zu Gebote stand. Dagegen übte er sich auch ferner eifrig in Holzarbeiten und zeichnete mit Vorliebe nach der Natur, soweit dies ohne regelrechten Unterricht geschehen konnte. Den Entschluß, Lehrer zu werden, faßte er ganz plötzlich bei einem Besuche des Seminars Neuzelle, dessen stattliche Räume und hübsche Umgebung einen großen Eindruck auf ihn machten. Am 1. October 1820 trat er in dasselbe ein und sammelte hier während eines zweijährigen Aufenthaltes unter pflichttreuen Lehrern mancherlei Kenntnisse, wogegen er eine methodische Anleitung zum Unterrichten schmerzlich vermißte, sodaß er erst nachher in der Praxis von sich aus den richtigen Weg finden mußte. Nachdem er am 1. October 1822 die Anstalt verlassen hatte, wurde er bereits 14 Tage später als Hülfslehrer an das Seminar in Weißenfels berufen, wo er den Unterricht in der Naturgeschichte, im Zeichnen und Schreiben, sowie theilweise in der Geographie zu ertheilen hatte. Dort verlebte er in gemeinsamer Arbeit und in freundschaftlichem Verkehre mit den übrigen Lehrern drei glückliche Jahre und sah sich namentlich auch durch den Director der Anstalt, W. Harnisch, in seiner pädagogischen Weiterbildung gefördert. Am 1. October 1825 übernahm er die Stelle eines Kantors und Lehrers an der unteren Schule in Dorf-Alsleben an der Saale. Er fand dieselbe sehr vernachlässigt, wußte sie aber durch seinen Eifer und sein Lehrgeschick bald emporzubringen und bei der im zweiten Jahre abgehaltenen Visitation die Zufriedenheit seines geistlichen Vorgesetzten zu erwerben. Neben der Schule beschäftigte ihn noch eine von ihm eingerichtete Präparandenanstalt, deren Angehörigen er täglich wenigstens vier Lehrstunden gab und die er zugleich praktisch im Unterrichten übte. Er hatte dabei die Genugthuung, daß mehrere seiner Schüler ohne vorherigen Besuch eines Seminars die Lehrerprüfung zu bestehen vermochten. Ueber die von ihm angewandte Methode der Präparandenbildung schrieb er damals einen Aufsatz, welcher als die erste von ihm veröffentlichte Arbeit in Zimmermann’s „Allgemeiner Schulzeitung“ abgedruckt wurde. Auch eine Lehrerconferenz, [329] die alle 14 Tage zusammenkam, verdankte ihm ihr Entstehen. Die Mitglieder tauschten in pädagogischen Fragen ihre Ansichten aus und besuchten sich gegenseitig in ihren Schulen. Der genannten ersten pädagogischen Arbeit folgte bald darauf ein „Leitfaden zum Zeichenunterricht in der Volksschule“, der zuerst in Harnisch’ „Volksschullehrer“ (1826) veröffentlicht wurde und 1829 in besonderem Abdrucke erschien. Eine weitere Ausführung desselben waren die „Vierundzwanzig Vorhängeblätter zum Zeichnen, bestimmt für den Massenunterricht“ (1826) und die „Anleitung zum ersten Zeichenunterricht für Knaben- und Mädchenschulen“ (1827), 5 Hefte mit 135 Zeichnungen enthaltend und nachmals in mehreren Auflagen wiederholt. – Nachdem sich L. 1827 verheirathet hatte, siedelte er zu Anfang 1829 nach Aschersleben über, wohin er einen Ruf als Lehrer der zweiten Bürgerschulclasse erhalten hatte. Er vertauschte dieselbe bald nachher mit der ersten Classe und arbeitete nun, da die Lehrziele bisher nicht bestimmt waren, einen vollständigen Lehrplan für die Bürgerschule und daneben noch eine Instruction für die Lehrer aus. Die Oberbehörde genehmigte beide und ernannte ihn zugleich zum Oberlehrer und damit zum Leiter der Schule. Am Gymnasium, mit welchem die Bürgerschule zusammenhing, hatte er den Zeichen- und Schreibunterricht zu ertheilen. In der Botanik und Entomologie bildete er sich damals im Verkehre mit wissenschaftlich tüchtigen Männern weiter aus und machte zu diesem Zwecke häufige Ausflüge in den Harz; auch führte ihn eine pädagogische Reise in Gesellschaft eines befreundeten Collegen an den Rhein, wo er von Karlsruhe bis nach Köln und Barmen hinab bessere Schulen und vornehmlich Lehrerseminare besuchte. Mannigfach angeregt von dieser Wanderung, ließ er nach der Heimkehr als Früchte seiner eindringenderen Studien eine Reihe naturwissenschaftlicher Lehrbücher erscheinen, durch welche er eine bessere Methode des Unterrichts angebahnt und „die Naturwissenschaften als solche erst in und unter das Volk gebracht hat“. Dazu gehören die „Anweisung zu einem methodischen Unterricht in der Pflanzenkunde“ (1832; 5. Aufl. 1874), die „Anweisung zum Unterricht in der Thierkunde und Anthropologie“ (1836; 2. Aufl. 1869; zweiter Cursus 1872) und der „Leitfaden für den Unterricht in der Naturgeschichte in vier Cursen“ (1836; 10.–15. Aufl. 1871), von denen jeder die drei Reiche umfaßt, doch so, daß der erste nur auf die einzelnen Arten eingeht, der zweite dagegen die Gattungen, der dritte die natürlichen Familien und die Systemkunde behandelt. Da dieses Buch, welches in den späteren Auflagen auch zahlreiche Abbildungen erhielt, für Bürgerschulen und höhere Lehranstalten bestimmt war, so folgte 1842 noch eine „Naturgeschichte für Kinder in Volksschulen“ (3 Thle.; 8. Aufl. 1871). Nachdem dann eine „Vollständige Naturgeschichte der Säugethiere. Mit 138 Tafeln Abbildungen“ (1848) die Reihe dieser naturwissenschaftlichen Lehrbücher geschlossen hatte, bearbeitete L. zur Veranschaulichung in diesem Unterrichtszweige noch „Die Hauptformen der äußeren Pflanzenorgane in stark vergrößerten Abbildungen auf schwarzem Grunde“ (1846; 2. Aufl. 1871) und den „Naturhistorischen Atlas. Säugethiere. 30 Tafeln“ (1858). Von anderen Arbeiten, welche in diese Zeit fallen, seien noch genannt: das „Liederbuch für Volks- und Bürgerschulen“ (1840), die mit C. Heinemann herausgegebene „Belehrende und unterhaltende Jugendbibliothek“ (1844) und der „Leitfaden zu einem methodischen Unterricht in der Geographie für Bürgerschulen“ (1844; 17. Aufl. 1873). – Als im Spätsommer 1849 die Stelle eines Rectors der Bürgerschule in Merseburg erledigt war, meldete sich L. zu derselben. Er erhielt sie vor zahlreichen Mitbewerbern und trat zu Anfang des J. 1850 in sein neues Amt ein. Die ihm untergebene Schule umfaßte je sechs Classen für Knaben und Mädchen und überdies eine zweiclassige Armenschule. Um die letztere zu beseitigen, schlug er dem [330] Magistrate die Gliederung in eine erste und zweite Bürgerschule vor, wobei die bisherigen Armenschüler der letzteren zugewiesen wurden. Diese Einrichtung kam mit dem Beginne des neuen Schuljahres zur Ausführung; sie erwies sich als zweckmäßig und wurde bald in anderen Städten mittlerer Größe nachgeahmt. Der Uebelstand, welcher sich in dem Gebrauche verschiedener Lesebücher fühlbar machte, brachte ihn auf den Gedanken, ein Lesebuch für sechs Classen auszuarbeiten. Bei der Sammlung des Stoffes leistete ihm sein College C. Nacke Beihülfe, und so entstand das 1851 mit diesem in 6 Theilen herausgegebene und oft wieder aufgelegte „Lesebuch für Bürgerschulen“. Da für die schwierigeren Stücke der drei letzten Theile ein Commentar nöthig schien, so veröffentlichte er 1854 gemeinschaftlich mit Nacke einen solchen unter dem Titel „Sprachmusterstücke“, worauf er dann das ursprünglich zweibändige Werk nach seines Mitarbeiters Tode in 3 Bänden als „Einführung in die deutsche Literatur, vermittelt durch Erläuterung von Musterstücken aus den Werken der vorzüglichsten Schriftsteller“ allein besorgte (5. Aufl. 1872). An die zwei genannten Werke schloß sich dann später noch die „Auswahl charakteristischer Dichtungen und Prosastücke zur Einführung in die deutsche Literatur“ (1864; 3. Aufl. 1871). – Von Merseburg kam L. zu Anfang des J. 1858 als Seminardirector nach Bremen. Das damals von Senat und Bürgerschaft gegründete vollständige Seminar, anfangs zweiclassig, dann aber noch um eine Classe erweitert, wurde durch seinen Leiter, neben welchem mehrere tüchtige Lehrer wirkten, sehr bald zu einer mustergiltigen Anstalt erhoben. Das Ziel, das er erstrebte, war: „den Zöglingen eine tüchtige wissenschaftliche, weit über das Bedürfniß der Volksschule hinausreichende Bildung zu gewähren, die Grundsätze der Erziehung und des Unterrichts so umfassend darzulegen, daß die gesammte dereinstige Berufsthätigkeit eine bewußte werden könne, so viele Uebung im Unterrichten zu gewähren, als erforderlich sei, um eine Schulclasse selbständig erfolgreich führen zu können, Liebe zum Beruf und zur tadellosen Führung desselben zu erzeugen und den Grund zu legen zu rastlosem Streben nach Vervollkommnung im Berufe und in Allem, was einem gebildeten Manne zur Zierde gereiche“. Die Lehrziele des Seminars und die Behandlungsart der Unterrichtsgegenstände legt der 1867 veröffentlichte „Lehrplan für das Seminar in Bremen“ ausführlich dar. Ein solcher erschien bereits 1861 auch „für die Landschulen des Bremischen Gebietes“, welche, 1858 noch auf einer ziemlich tiefen Stufe, in Folge der Einwirkung Lüben’s sich allmählich denjenigen anderer deutscher Staaten gleichstellten. – Den reichen wissenschaftlichen Hülfsmitteln der Stadt verdankte dieser manche Anregung und Förderung, wie nicht minder auch den allgemeinen deutschen Lehrerversammlungen, die er von Bremen aus ungehindert besuchen durfte, während sie ihm als preußischem Lehrer in Merseburg untersagt gewesen waren. Er hat fast bei keiner dieser Versammlungen gefehlt und daselbst durch seine Referate, wie durch sein zielbewußtes Eingreifen in die Debatten seine Collegen aufgeklärt und begeistert, so daß er dadurch recht eigentlich ein praeceptor Germaniae für die Volksschullehrer geworden ist. Auch seine schriftstellerische Thätigkeit dauerte fort. Den 1846 von Nacke begründeten „Pädagogischen Jahresbericht“, welchem er schon vom Anfang an seine Beiträge zugewendet hatte, übernahm er 1857 mit dem 10. Bande und führte ihn bis zum 25. Bande (1874) weiter. Ebenso gab er den von Fr. Körner begonnenen „Praktischen Schulmann“ seit dem 10. Bande (1861) heraus. Neue Frische und Kraft für seine anstrengende Thätigkeit suchte und fand er vornehmlich auf Reisen, die ihn während der Bremer Zeit nach der Schweiz und Italien, nach Holland, Belgien und dem nördlichen Frankreich führten. Der Tod überraschte ihn in voller Thätigkeit. Als er am Abend des 27. October 1874 einer [331] Sitzung der Prüfungscommission beiwohnen wollte, fühlte er sich vom Wege erschöpft und mußte sich im Versammlungshause auf eine Bank niedersetzen. Die Schwäche schien nachzulassen, und er nahm noch an den Verhandlungen Theil; aber bald befiel ihn ein schlagähnlicher Anfall, dem er gegen 7 Uhr Abends erlag. Bei seiner Beerdigung am 30. October bewies das großartige Trauergeleite, daß die Behörden und Bürger Bremens den herben Verlust, den sie und die Schule erlitten hatten, voll und ganz zu würdigen verstanden.

Autobiographie in: Die Volksschule des XIX. Jahrhunderts in Biographieen hervorragender Schulmänner, herausgegeb. von Fr. Wilh. Pfeiffer, Nürnb. 1872, S. 2O9–376. (Mit Lüben’s Bildnisse, das auch dem Separatabdrucke, Leipz. 1873, beigegeben ist.) – Die letzten Lebensstunden und das Begräbniß des Hrn. Seminardirector A. Lüben in Bremen, Leipz. 1874. – Ein anderes Bildniß Lüben’s vor dem Pädagogischen Jahresbericht, 25. Bd., Leipz. 1874.