ADB:Michel, Adalbert Theodor
[WS 1] Bergrechtes an der Grazer Universität, wurde am 15. April 1821 in Prag geboren, legte hier als Convictszögling die Gymnasial- und Universitätsstudien zurück, ward an dieser Universität am 18. December 1844 zum Doctor der Rechte promovirt und an derselben in dem Jahre 1845 als Supplent Professor Wessely’s zur akademischen Lehrthätigkeit berufen. Nach kurzem Aufenthalte in Wien kam M. im Herbste 1847 an die neu gewonnene Universität in Krakau; die Stürme des Jahres 1848 machten der Wirksamkeit der deutschen Lehrkräfte daselbst jedoch bald ein Ende, er kehrte daher nach Prag zurück und wirkte hier als Supplent Haimerl’s und Wessely’s bis zu seiner Ostern 1850 erfolgten Berufung als ordentlicher Professor an die Olmützer Universität. Bei der Aufhebung der mährischen Hochschule (1855) ward M. nach Innsbruck, zu Ostern 1858 nach Graz versetzt und in dieser Stellung verblieb er nun durch nahezu zwei Decennien bis zu seinem auf einer Ferienreise zu Axenfels am Vierwaldstädter See am 30. August 1877 erfolgten Tode.
Michel: Adalbert Theodor M., Professor des österreichischen bürgerlichen Rechtes und desMichels Leben war von beharrlicher, umfassender Thätigkeit erfüllt. Mit seinen akademischen Anfängen hatte er die juristische Praxis bei den Kammerprocuraturen in Prag und Wien verbunden und während der Professur in Olmütz hatte er zugleich als Votant und Referent bei dem Landesgerichte gewirkt. Diese Verbindung mit der Praxis wurde wohl später nicht fortgesetzt, so sehr sie auch Michels juristischer Richtung entsprochen hätte, statt dessen dehnte er aber in Graz (seit 1865) die Lehrthätigkeit, seiner Vorliebe für technisches Wesen folgend, auf die damals zur Hochschule erweiterte technische Lehranstalt des Joanneums aus, indem er die an dieser neu geschaffene Lehrkanzel für Bau- und Verwaltungsgesetze übernahm. Aus den Kreisen des engeren juristischen Berufes ist endlich M. herausgetreten, seit es ihm durch seine Stellung als Universitätsrector im Landtage (1868) zur Pflicht gemacht worden war, in das öffentliche Leben einzugreifen. Bei M. liegt einer der seltenen Fälle vor, daß die Landtagsvirilstimme der Universität einem Manne der Wissenschaft den Weg in das öffentliche Leben bahnte, der ihn bei seiner grundsätzlichen Zurückhaltung von persönlicher Bewerbung ohne diese amtliche Berufung sicherlich niemals eingeschlagen hätte. Im J. 1870 wurde M. zunächst in den Gemeinde- und Stadtrath und bald darauf (durch die Grazer Handels- und Gewerbekammer) als Abgeordneter in den Landtag entsendet. In dem Landtage und seit 1872 auch in dem Landesausschusse wirkte M. bis zu seinem Tode; durch das stets maßvolle Vertreten seiner politischen Richtung und durch die Kenntniß der österreichischen Gesetzgebung bis in die Details des positiven Rechtsmaterials, durch seine Gerechtigkeitsliebe und Festigkeit hat er sich hier die Anerkennung von Seiten aller Parteien erworben.
Die schriftstellerische Thätigkeit Michels gehört ganz dem positiven österreichischen Rechte an. Sie war zunächst eine sammelnde, so vor allem in dem zweibändigen „Handbuch des österreichischen Privatrechts“ (Olmütz 1853; 2. durch ein Supplement vermehrte Ausgabe, 1856) und in der Sammlung der „Landesgesetze des Herzogthums Steiermark“ (Graz 1867 ff.), sodann eine monographische in einer Reihe von Aufsätzen (besonders in Haimerl’s Zeitschrift) sowie in mehreren selbständigen Schriften („Darstellung der Gewährleistung nach dem österreichischen Privatrechte“, Prag 1849; „Oesterreichs Eisenbahnrecht“, Wien 1860; „Beiträge zur Geschichte des österreichischen Eherechtes“, Graz 1870, 1871). Auch der dem Wesen Michels anscheinend fremde Gedanke eines Systems des österreichischen Civilrechts hatte ihn in jüngeren Jahren beschäftigt; von dem „Grundriß“ hiezu liegen zwei Hefte vor (Olmütz 1855). Diese Arbeit war allerdings keine glückliche, sie hat von Seite des nachmals berühmten Systematikers [693] des österreichischen Civilrechts[WS 2] eine lebhafte Bekämpfung erfahren und ist sichtlich unter dem Eindrucke dieser Polemik nicht zur Fortsetzung gelangt. Mag aber auch dem Schüler der alten österreichischen Jurisprudenz selbst der Versuch nicht gelungen sein, den Bann der Schule zu brechen, so ist dieser Versuch doch ein Zeugniß dafür, daß M. die alten exegetischen Mittel der österreichischen Jurisprudenz als unzureichend erkannte, und dies muß als sein Verdienst rühmend hervorgehoben werden.
- Grazer „Tagespost“, 1877, Nr. 276, 277, 279, 281, 283, 285, 287, 292, 296; „Wiener Zeitung“, 1877, Nr. 295.