ADB:Mittler, Siegfried

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Mittler, Siegfried“ von Theodor Toeche in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 35–36, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mittler,_Siegfried&oldid=- (Version vom 20. April 2024, 01:00 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Mitterwurzer, Anton
Band 22 (1885), S. 35–36 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Ernst Siegfried Mittler in der Wikipedia
Ernst Siegfried Mittler in Wikidata
GND-Nummer 117064971
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|22|35|36|Mittler, Siegfried|Theodor Toeche|ADB:Mittler, Siegfried}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=117064971}}    

Mittler: Ernst Siegfried M., geb. am 26. Juni 1785 zu Halle a. S., entstammte einer Familie, die sich bis zu Bonaventura M., Apotheker in Lindau am Bodensee, in den Anfang des 16. Jahrhunderts zurückverfolgen läßt, in dortiger Gegend noch heut ansässig ist und sich auch nach Schwaben (Cannstatt) und Hessen ausgebreitet hat. Besonders waren seine Vorfahren als Goldschmiede geachtet und ihr Prägezeichen, ein Einhorn, galt bei den Käufern als Bürgschaft für eine gute Metallmischung. Sein Vater Johann Georg war als Goldschmied nach Halle gekommen und dort Bornmeister bei den Halloren-Salzwerken geworden. Nach vierjähriger Lehrzeit in einer Buchdruckerei seiner Vaterstadt nahm M. zunächst in der Buchhandlung seines älteren Bruders Johann Georg in Leipzig Stellung und verblieb dort, bis ihn 1811 die Gefahr, für den Feldzug Napoleons gegen Rußland ausgehoben zu werden, veranlaßte, in die Hofbuchhandlung von Heyer & Leske in Darmstadt überzutreten. Ostern 1814 nahm er Stellung in der Amelang’schen Buchhandlung in Berlin und ebenda eröffnete er am 6. Juni 1816 ein eigenes Geschäft. Der Bücherbedarf der preußischen Occupationsarmee in Frankreich gab demselben sogleich einen Aufschwung und eine Richtung auf die Militärlitteratur. Schon am 1. Juli 1816 gründete M. das „Militär-Wochenblatt“, welche Zeitschrift die Personalveränderungen der preußischen Armee amtlich veröffentlicht und noch heute das Centralorgan derselben ist. 1820 folgte die „Militär-Litteratur-Zeitung“, seit 1883 mit dem Militär-Wochenblatt als deren litterarisches Beiblatt vereinigt, 1824 die „Zeitschrift für Kunst, Wissenschaft und Geschichte des Krieges“, die bis 1861 bestand, und 1835 das noch heut forterscheinende „Archiv für die Artillerie- und Ingenieur-Offiziere“. Eine Reihe geschichtlicher und kriegswissenschaftlicher Werke, die der Krieg von 1813–15 veranlaßte, ging aus seinem Verlage hervor, ebenso Dienstinstructionen für die einzelnen Waffengattungen der Armee. Dieser Aufschwung seines Geschäfts und der ihm eigenthümliche Charakter wurde erheblich gestärkt durch seinen Eintritt in die Familie des Buchdruckers Wilhelm Dieterici, dessen Tochter Henriette er am 16. April 1817 heirathete. – Dieterici hatte am 3. April 1789 das Privileg zur Errichtung einer Buchdruckerei erhalten und, unterstützt durch ein gefälliges Dichtertalent und durch regen Verkehr mit bedeutenden Männern, insbesondere Unterrichts- und Erbauungswerke sowie wissenschaftliche Handbücher verlegt; die „Agende für die preußische Landeskirche“ und andere Werke des geistlichen Ministeriums waren bei ihm erschienen. Namentlich während der französischen Occupation hatte Dieterici durch eine volksthümliche Zeitschrift „Der Preußische Hausfreund“ die patriotische Gesinnung des Volkes zu festigen und zu heben gesucht und daher unter der Unbill der fremden Machthaber in seinem Geschäfte schwer zu leiden gehabt. Rührend sind die tröstenden und hoffnungerweckenden Gedichte, die er dem vertriebenen Herrscherpaare nach Königsberg und Memel sandte und die, wie die regelmäßig gegebenen Antworten hervorhoben, dasselbe sehr erfreuten. In Erinnerung an die Beweise dieser Treue wurde ihm nach Wiederherstellung der Monarchie 1819 der Verlag der Rangliste der Armee vom Könige übertragen. Dieterici’s Verlag und Buchdruckerei gingen am 1. Juli 1828 durch Kauf an M. über. Inzwischen hatte derselbe durch Gründung von Zweiggeschäften in Posen (1820) und Bromberg (1827) nicht wenig zur Ausbreitung deutscher Bildung und Litteratur in jenen Gegenden beigetragen. Erst die Stürme des Jahres 1848 brachten in diese ausgedehnte [36] und gedeihliche Wirksamkeit eine Aenderung. Von ihnen gebeugt und insbesondere durch die Kränklichkeit seines einzigen Sohnes bestimmt, verkaufte er seine Sortimentsbuchhandlungen (die Berliner am 1. Januar 1849) und widmete sich ausschließlich dem Verlage und der Druckerei, denen beiden er 1848 seinem Sohne Ernst zu Liebe die Gesammtfirma „E. S. Mittler & Sohn“ gegeben hatte. Nach dem am 6. März 1853 erfolgten Tode desselben trat ihm am 4. Juli 1860 sein Enkel Dr. Theodor Toeche zur Seite. Die Verlagsthätigkeit gewann in der Folge auch auf philosophischem und historischem Gebiete an Ausdehnung. Aber der Aufschwung des Heerwesens unter König Wilhelm lenkte sie vornehmlich wieder auf ihr ursprüngliches Sondergebiet zurück. Bei Mittler’s Hinscheiden zählte der Verlagskatalog auf diesem Gebiete allein 600 Nummern. – Das Generalstabswerk über den Krieg von 1866 verlegte M. noch. Kurz vor Ausbruch des französischen Krieges, am 12. April 1870, ist er hochbetagt und hochgeehrt gestorben. Der Grundzug seines Wesens waren Herzensmilde und eine im Gottvertrauen beruhende Heiterkeit der Seele. Die Liebe seiner Mitbürger zu genießen und die Pflichten der Menschenfreundlichkeit zu erfüllen lenkte all sein Thun. 11 Jahre stand er an der Spitze des durch weitreichende und planmäßige Thätigkeit angesehenen „Unterstützungsvereins für deutsche Buchhändler“. 30 Jahre hindurch war er Mitglied des königlichen litterarischen Sachverständigenvereins, 18 Jahre hindurch leitete er die St. Johannisloge „zum goldenen Pflug“. Nur in so gemeinnützigem Sinne, nach allen Seiten fördernd, läuternd, versöhnend vermochte er sich genug zu thun.

Generallieut. Frhr. v. Troschke, E. S. Mittler, ein Lebensbild. Berlin 1870. – Ebenders., Die Militär-Litteratur seit den Befreiungskriegen. Berlin 1870. – Börsenblatt f. d. deutschen Buchhandel, 1870 Nr. 104. – Daheim 1871 Nr. 29, 30. – Hundert Jahre der St. Johannisloge z. goldenen Pflug. Berlin 1876.