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ADB:Müller, Christian Gottlieb

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Artikel „Müller, Christian Gottlieb“ von Robert Eitner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 22 (1885), S. 520–521, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:M%C3%BCller,_Christian_Gottlieb&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 15:28 Uhr UTC)
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Müller: Christian Gottlieb M., ein guter Componist, der sich sogar die Achtung Robert Schumann’s erworben hat, ward am 6. Febr. 1800 zu Nieder-Oderwitz in ärmlichen Verhältnissen geboren. Der Vater war Leinweber; dennoch ließ er dem Sohn, als er seine Anlagen zur Musik erkannte, Musikunterricht geben. Bald mußte der Knabe zum Tanz aufspielen, um Geld zu erwerben. Später ging er zu einem Stadtmusikus, wo er sechs Jahre in der Lehre blieb, darauf kam er als Geselle zum Stadtmusikus in Wurzen. Das Zusammenleben mit rohen ungebildeten Genossen war ihm entsetzlich und noch mehr die Tanzmusik. Endlich fand er in Göttingen ein Unterkommen und lernte hier Spohr kennen, der das treffliche Talent erkannte und ihn Karl Maria von Weber empfahl. Weber interessirte sich sehr für ihn und unter seiner Anleitung mag er wohl sorgfältigere Studien in der Composition gemacht haben, denn bisher war er darin nur Autodidakt. Doch in Dresden konnte er nicht festen Fuß fassen und nahm endlich in Leipzig die Musikdirectorstelle bei einem Orchester an. Später wurde er Violinist am Theater. Im J. 1824 gründete er den Musikverein „Euterpe“, der sich zur Aufgabe stellte besonders die neueren Orchester- und Kammermusikwerke zur Aufführung zu bringen im Gegensatz zu den Gewandhausconcerten, die mehr das Alte pflegten und durch die Beschränktheit des Raumes nicht allen Musikliebhabern Gelegenheit zum Besuch geben konnten. Das Unternehmen glückte und M. glaubte sich auf dem Gipfel seines Glückes zu befinden. In dieser Zeit wandte er sich mit Eifer der Composition zu und seine bedeutenden Anlagen traten ins hellste Licht. Als seine dritte Sinfonie in den Gewandhausconcerten im J. 1834 aufgeführt wurde, berichtet Robert Schumann unter dem Pseudonym „Florestan“ in der Neuen Zeitschrift für Musik (Bd. II, S. 48): „Wär ich ein Verleger, so müßte schon heute die geschriebene Partitur vor mir aufgeschlagen liegen und in einigen Wochen die gedruckte … Es ist eine bekannte Erfahrung, daß die meisten jungen Componisten ihre Sache gleich zu gut machen wollen, daß sie z. B. zu viel Material anlegen, was sich dann unter weniger geschickten Händen immer unbequemer aufhäuft und in der späteren Verbindung der Stoffe zu unkenntlichen Klumpen zusammenballt. Man will etwas Aehnliches in den beiden früheren Sinfonien Müller’s bemerkt haben, in dieser dritten trennt sich jedoch Alles bei weitem leichter und glücklicher und es steht zu erwarten, daß, wie sich schon jetzt seine Sinfonie in der Zeichnung, die nächste sich auch im Colorit der Meisterschaft nähern wird. Das Fürnehmste bleibt natürlich immer der Geist mit seinem königlichen Gefolge; hier erhebt er sich (namentlich im letzten Satz) oft stolz, ja so kühn, daß es uns an einem, der früher sich fast zu schüchtern am liebsten da aufhielt, wo er festen Boden sah, jetzt doppelt auffällt und Freude macht. Das Einzelne, was an Beethoven’sche Art erinnert, reizt manchmal sogar zu Betrachtungen, die im gewissen Sinne zum Vortheile des jüngeren Componisten ausfallen, da das gelunge Selbsteigene von dem, wo er es dem fremden Vorbilde nachthun wollte, sich ganz glücklich unterscheidet“ … Seine Compositionsthätigkeit war eine sehr vielseitige; in allen Fächern der Musik schuf er anerkennungswerthe Werke, so in der Kammermusik, in der Oper, im ein- und mehrstimmigen Gesange. Auch als Orchesterdirigent erwarb er sich bedeutende Verdienste und schon im Jahre 1833 gab der Euterpeverein dieser Anerkennung Ausdruck durch Ueberreichung eines silbernen Pokales. – In Altenburg scheint man seine Leistungen ganz besonders mit Interesse zu verfolgen, denn es werden seine Compositionen dort vielfach aufgeführt und bei dem im J. 1837 stattfindenden [521] Mozartfeste wird er zum Mitdirigenten gewählt. Als man ihm daher 1838 die vacant gewordene städtische Musikdirectorstelle antrug, nahm er sie mit Freuden an, da ihm Leipzig keine gesicherte Stellung bot und er sein Brod meist durch Unterrichtgeben erwerben mußte. Bis 1842 wurden seine Compositionen in Leipzig und an andern Orten aufgeführt, doch nach der Zeit verschwindet er von der Bildfläche, als wenn die gesicherte Stellung ihn eingeschläfert und ihm die Anregung benommen hätte. Sein Wirken beschränkte sich nur noch auf den kleinen Kreis, der seiner Obhut übergeben war; die übrige Welt nahm keine Notiz mehr von ihm. Am 29. Juni 1863 starb er in Altenburg.