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ADB:Neukrantz, Johann

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Artikel „Neukrantz, Johann“ von Otto Beneke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 23 (1886), S. 516–518, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Neukrantz,_Johann&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 05:29 Uhr UTC)
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Neukrantz: Johann N., ein bescheidener Landprediger, aber nach seiner Zeitgenossen Urtheil, als Seelenhirt, Poet und Musikus gleich ausgezeichnet, mithin ein Mann nach dem Herzen Dr. Luther’s. Geboren zu Rostock, des dortigen Cantors Sohn, am 11. April 1602, absolvirte er seine Schulstudien in Stralsund, um dann 4 Jahre lang auf der Universität Greifswald Theologie und alle ihm zugängigen Wissenschaften, Sprachen und Künste zu studiren. Des Vaters Tod nöthigte ihn zur Rückkehr nach Rostock, um seine mittellose Mutter und zwei Schwestern zu ernähren, durch Information sowie durch Orgelspielen in der Kirche St. Jürgen daselbst. Als Cantorssohn musikalisch veranlagt, begabt mit einer schönen Singstimme und tüchtig ausgebildet als Vocalist wie als Instrumentalist, würde er wol auch als Musikmeister sein Glück gemacht haben, wenn nicht ein scheinbarer Zufall ihn seinem theologischen Beruf zurückgeführt hätte. Ein Schulfreund nämlich, den Geschäfte nach Hamburg riefen, nahm den in Rostock schier verrostenden Jüngling zu seiner Auffrischung mit dahin. Aber schon nach wenigen Tagen erkrankte und starb der gütige Freund, den armen N. einsam und rathlos in der fremden großen Stadt verlassend. Nun aber erwachte in N. eine Gott vertrauende Energie. Hier, wohin Gott ihn geführt, wollte er auch ausharren. Seine Erbietungen bei den Geistlichen Hamburgs, welche ihn bald als einen in den Wissenschaften, alten und neuen Sprachen wie in der Musik wohlbeschlagenen Candidaten erprobten, hatten guten Erfolg, man wandte ihm Lehrstunden zu, ließ ihn auch predigen, und in kurzer Zeit fand er so einflußreiche Freunde und Gönner, daß ihm schon nach 2 Jahren (1629) das Pastorat zu Kirchwärder, einem der sog. Vierlande im Amte Bergedorf bei Hamburg übertragen wurde, worauf die Universität Rostock ihm den Magistertitel verehrte. Nun verheirathete er sich und sah nach und nach aus zwei Ehen 15 Kinder heranwachsen. In seinem Amte erwarb er sich allgemeine Anerkennung als erwecklicher Prediger, unermüdlicher Seelsorger, als Trost der Armen und Kranken, als liebenswerther College und heiterer Genosse. Unter seinen näheren Freunden war der bedeutendste der bekannte und seiner Zeit berühmte Johann Rist, Pastor zu Wedel, gekrönter Poet, kaiserl. Pfalz- und Hofgraf etc., mit dem Gesinnung und gleiche Neigung zu Dicht- und Musikkunst ihn innig verband. Denn neben seinen Amtsgeschäften blieb N. den Musen getreu, er studirte fleißig und sammelte [517] eine auserlesene Bibliothek, arbeitete auch verschiedene gelehrte und poetische Werke aus, die jedoch im Manuscript untergegangen sind, als im J. 1746 sein Pfarrhaus mit der ganzen Habe von den Flammen verzehrt wurde. Aus dieser Feuersbrunst rettete N. nebst Frau und 10 Kindern (das 11. kam wenige Tage darauf hinzu) nur das nackte Leben. Er blieb aber getrost und muthig in seinem Gottvertrauen. Und als nach Jahr und Tag sein Pfarrhaus neu erbaut war, da war es auch wieder gefüllt mit allen nöthigen Lebensbedürfnissen, freiwilligen Geschenken aus seiner Gemeinde, aus dem ganzen Amte wie aus Hamburg, so daß nur seine Bücherschätze und seine Manuscripte verloren blieben. Aber auch diese suchte er ungebeugten Muthes zu ersetzen, und in der That erschien schon 1648, anläßlich eines verheerenden Sturmwetters sein „Wohlgemeinter Bußwecker“, dem einige poetische Schriften folgten, unter welchen „König Davids neubesaitetes Psalterspiel, auf anmuthige Singweisen gesetzet“ eine Probe seiner Dicht- und Compositionskunst darbietet, und neben seinen „Weihnachtsgesänglein“ am bekanntesten geworden ist. Außerdem erfreute er nahe und ferne Bekannte häufig durch Gelegenheitscarmina, die freilich nach damaligem Geschmack reichlich stark ornamentirt erscheinen, aber doch ihre alltäglichen Themata nie ohne neue gute Gedanken behandeln. – Nach einer bei bösem Wetter im Freien gehaltenen Leichenpredigt erkrankte N. so heftig, daß die von der Gemeinde aus Hamburg berufenen Aerzte sein Leben nicht fristen konnten. Er ließ sich das heil. Abendmahl reichen, segnete die Seinigen und alle Anwesenden und starb heiter und getrost am 31. März 1654. – In der ihm gewidmeten auch gedruckten Grabrede charakterisirt der Redner (Pastor Johannsen aus Bergedorf) schließlich den sel. N. etwa folgendermaßen: „Wer hätte ihn gekannt und nicht auch erkannt, 1) als einen frommen gottesfürchtigen Mann; 2) als einen hochgelahrten und hochbegabten Mann, wie landkundig aus seinen Predigten und Schriften, von welchen leider viele in Rauch aufgegangen; 3) als einen aufrichtigen freimüthigen wahrhaften Mann; 4) als einen holdseligen freundlichen Mann, auch guten Genossen, der männiglich durch seine Fröhlichkeit und scharfsinnige Rede, wie mit seiner anmuthigen Vocal- und Instrumentalmusik erfreut und manch traurig Herz erquickt hat; 5) als einen friedfertigen Mann, der überall Versöhnung gestiftet, und dem Niemand feindlich gewesen. – Sein obenerwähnter Herzensfreund, der Pastor Rist in Wedel, hat seinem „vielgeliebten brüderlichen Freunde“ N., „dem „hochverdienten Seelenhirten, fürtrefflichen Musico und Poeten“ ein Trauer- und Lobgedicht nachgesungen, aus dem zu entnehmen, wie hoch Rist des Heimgegangenen Charakter und Eigenschaften schätzte, wie tief er den Verlust dessen betrauert, den er „mein anderes Ich“ nennt, dessen Musik, sowohl sein Clavierspiel als sein „herzbewegend Singen“ ihn so oft erfreut „und sein betrübt Gemüth sein frisch und froh gemacht“. Von Neukrantz’ Dichtungen rühmt er, daß sie nicht nur in deutscher, sondern auch in französischer, lateinischer und gar griechischer Sprache verfaßt sind und ausbündig zierlich seien, und erklärt, daß er ihm dafür bereits den poetischen Lorbeerkranz zugedacht habe. Als kaiserlicher Pfalzgraf durfte er im Namen des Kaisers den Titel eines gekrönten Poeten ertheilen. Sein 1652 erschienener „Teutscher Parnaß“ enthält auch eine ziemliche Anzahl Neukrantzischer Gedichte, – nach einer neueren Beurtheilung: „eines noch überschwänglicher als das andere“, – aber der Dichterfürst Rist wie seine Zeitgenossen fanden sie fürtrefflich, und, „wer seiner Zeit genug gethan“ etc.

S. Hamb. Schriftstellerlexikon, Bd. V, S. 489–491. – Hamb. Berichte, 1757, S. 396. 397. – Die obengedachte Leichenpredigt mit angehängten Personalien aus dem Rist’schen Trauer- und Lobgedicht.

[518] Einer seiner Söhne, der Lic. jur. Peter N. in Hamburg, war ebenfalls Dichter und als solcher Mitglied der von Phil. v. Zesen gestifteten Rosenzunft der teutschübenden Gesellschaft, unter dem Namen „der Neubekränzte“.